Dietrich Mateschitz.

Dietrich Mateschitz.
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Heimgang des »Hoamsinnigen«: Mateschitz‘ Gastro-Vermächtnis abseits der Dosen

So außergewöhnlich wie sein Aufstieg zum reichsten Österreicher – der erst mit 43 Jahren begann – ist auch die Gastro-Gruppe, die Dietrich Mateschitz hinterlässt: 14 Häuser von der regionalen Jausenstation bis zum Welt-Maßstab des »Ikarus«.

Wenn ein Hubschrauber in der kleinen Gemeinde bei Zeltweg landet, dann gibt es meist Sorgenfalten. Doch diesmal entstieg nicht der Notarzt, sondern Dietrich Mateschitz dem Helikopter. Die angebotene Statue eines lokalen Holzschnitzers hatte den mächtigen »Red Bull«-Chef so interessiert, dass er sie selbst abholen kam. Es sind Geschichten wie diese, mit denen man sich im Murboden und dem Mürztal an den im 79. Lebensjahr verstorbenen Milliardär erinnern wird.

Restaurant-Retter im Hubschrauber

Wie ein moderner Erzherzog Johann sorgte der ebenfalls gern in Trachtenjacke auftretende Mateschitz für Fortschritt in Gegenden, die lange nur Hiobsbotschaften kannten. Denn die Heimatliebe, die auch sein TV-Sender und die Magazin-Gruppe »Servus« als USP erkoren hatten, lebte der Patriarch persönlich. Und mit konkreten Investments, die – wie den Prebersee – institutionelle Anleger erst auf der Landkarte finden mussten. Das Vehikel dazu war zuletzt die »Tauroa«-Gruppe, die mit den Gastro-Aktivitäten passend zum Slogan des Energy Drinks »beflügelnde Orte« vermarktet.

Das unbestrittene Marketingtalent Mateschitz stand am Beginn dieses Weges, der erst die Getränkewelt, dann auch die gastronomische Landschaft Österreichs veränderte. Erprobt unter anderem bei »Blendax«, sollte ein zufällig in Asien kennengelerntes Funktionsgetränk zum Wendepunkt des Procter&Gamble-Managers werden. »Krating Daeng«, so der Name des wenige Jahre zuvor in Thailand eingeführten Energy Drinks, brachte Mateschitz nach Europa. Einige Jahre investierte er in die Vorarbeit für »Red Bull«, das 1987 – und bis heute unter Beteiligung der Gründerfamilie Yoovidhya – gelaunched wurde. Der Welterfolg, der sich auch gegen eine Fülle von Mitbewerbern einstellte, veränderte den Getränkemarkt.

1987: Die Geburtsanzeige in Cash

Auch wenn anfangs auch der exklusive Abfüllpartner – Rauch in Rankweil – nicht so recht an den Lohnfüller-Kunden glaubte: »Wer würde schon derart kleine trinkbare Energiespender zu solch stolzen Preisen kaufen«? Auffällig sei aber das Qualitätsdenken des Neukunden gewesen, so Erich Rauch: »Ob kaum sichtbarer Kratzer auf der Dose oder ein minimal schiefes Etikett auf der Flasche, ›Red Bull‹ reklamierte alles! So lästig das im Moment war, wir lernten rasch. Und das brachte uns auch selbst weiter«.

Das erste Inserat von Dietrich Mateschitz Neuheit jedenfalls sollte sich für ihn als prophetisch erweisen: »Geburtsanzeige in Cash«, stand da über dem roten Bullen zu lesen, der Dose und Flasche auf einem Tablett servierte. Selbst jüngsten Akquisitionen unterstellte er modernen Vermarktungsmethoden: So wurde aus der angesehenen, aber zwischen lokalem Saiblingsverkauf und der Spitzengastronomie aufgeteilten (Wildfang-Äschen für das »Steirereck«) aufgeteilten Fischzucht am Grundlsee die »Flossenbox«. Das erste österreichweite Fisch-Abo bringt einmal monatlich Saibling per Post nach Hause. Als »regionale Alternative« zu Tiefkühlfisch aus dem Supermarkt, wie man betont.

»Carpe Diem« und Jörg Wörthers »Cones«

Doch auch Mateschitz hatte nicht immer den »Midas-Touch«, der sämtliche Unternehmungen vergoldete. Am Ende konnte aber nur der Markt den hartnäckigen Gründer korrigieren. So etwa beim Bestehen auf Dosen für seine Barlimonaden Organics«), die aber selbst in den größten Aprés Ski-Bars nicht für einen »Gin&Tonic« oder »Mule« akzeptiert wurden. Ein knappes Jahr späte korrigierte man diese Abfüll-Entscheidung, vor der einige im Vorfeld abgeraten hatten. Die Lizenz an seinem Kombucha-Getränk »Carpe Diem«, das recht visionär vor der heutigen Fermentier-Welle gestartet war, verkaufte er an Abfüllpartner Rauch. Seinem Restaurant »Carpe Diem« in Salzburg hielt er lange die Treue, auch nachdem Jörg Wörther, der hier mit seinen »Cones« gestartet war 2007 nach zwei Jahren ausstieg. Erst 2019 fiel der Vorhang für das mit den gefüllten Stanitzeln begonnene Unternehmen in der Getreidegasse, in dem in den besten Zeiten Franz Fuiko für »Fine Dining« und Bar Snacks zugleich sorgte.

Welt-Restaurant mit Witzigmann

Der legendäre, 2020 verstorbene Jörg Wörther stand auch am Beginn der ländlichen Gastronomie-Projekte Mateschitz – 2004 eröffnete er das »Winterstellgut« im Lammertal mit. Und die Kombination aus Österreichs Top-Köchen und »Red Bull«-Projekten ließ sich noch steigern. Eckart Witzigmann fungierte nicht nur als Berater des »Ikarus«, das Monat für Monat andere internationale Spitzenköche ihr Menü präsentieren lässt. Der Jahrhundert-Koch vermittelte auch seinen Schüler Roland Trettl als Executive Chef in den »Hangar 7«. Heute setzt Martin Klein das weltweit einzigartige Konzept um. Diesen Monat mit einem weiteren Österreicher, der wie Witzigmann drei Michelin-Sterne erkochte: Johannes Nuding (ehemals »Sketch – The Lecture Room and Library«/London), der seinen Mentor, die Kochlegende Pierre Gagnaire mitbringt.

Rund um den »Hangar 7«, Standort der beeindruckenden Flugzeug-Sammlung Mateschitz in Salzburg, entspann sich ein ganzes Kommunikationsfeuerwerk: Kochbücher, aber auch TV-Dokumentationen, die zeigten, wie sich die Spitzenköche miteinander Gerichte erarbeiten. Lange vor aktuellen Formaten wie »Kitchen Impossible« bekam man hier einen Einblick in die oberste Liga der Profiküche. Doch auch in der kulinarischen Welt gab es den bodenständigen Gegenpol zur Weltliga, in die Mateschitz, auch hier im Eiltempo, aufgestiegen war.

Mineralwasser daheim im Murtal

»Auf den ersten Blick völlig unterschiedlich«, nennt die »Tauroa«-Homepage selbst die Gaststätten in Salzburg, im Salzkammergut und im Murtal. Doch wenn es erhaltenswerte Substanz, zu groß gewordene Schloss-Gastronomien oder Investitionsbedarf in ehrwürdigen Gaststuben gab, schlug Mateschitz gern zu. Zuletzt auch im »Landhaus zu Appesbach« am Wolfgangsee oder bei »Schloss Sauerbrunn« in Pöls-Oberkurzheim. Letzteres wurde zur ersten Management-Probe von Mateschitz-Sohn Mark. Für die von »Red Bull« abgekoppelte Getränkelinie aus Limonaden und Bier der Thalheimer Heilwasser GmbH zeichnete der 29-Jährige mit verantwortlich.

Und mit Mateschitz-Spirit hebelte man selbst die Brau-Physik aus. Denn dass die uralte Heilquelle mit ihrem Lithiumgehalt viel zu »hart« zum Brauen von Bier war, wollte man nicht akzeptieren. Letztendlich gab es auch Märzen und Radler auf Basis des uralten steirischen Brunnens mit 60 Grad deutscher Härte. Warum aber die hartnäckige Spendierfreude eines Mannes, der auch in Singapur auf der Formel 1-Tribüne feiern konnte oder auf seiner südpazifischen Privatinsel Laucala Island?

Sport, stets ergänzt um Kulinarik

In einem seiner raren Interviews (öffentliche Auftritte betrachtete er zeitlebens als Zeitvergeudung) gestand Dietrich Mateschitz anlässlich seines 70. Geburtstags »ein bissl hoamsinnig, wie man in der Steiermark sagt« zu werden. Denn geboren wurde der Energy Drink-Tycoon 1944 in St. Marein im Mürztal. Und in dieser Region findet sich auch die größte Dichte an Restaurants der »Tauroa«-Gruppe. Etliche dieser Betriebe liegen neben anderen Investments des »Red Bull«-Gründers, etwa der »Wasserturm« in Zeltweg oder das »Landhotel Schönberghof« um den Spielberg-Ring. Auch das »Seehotel Grundlsee« rundete nach der Übernahme die Fischzucht am See ab, die er von den Bundesforsten übernommen hatte. Und natürlich ergänzt das Weltklasse-Küchenkonzept im »Hangar 7« eine Eventhallte und TV-Location von außergewöhnlichen Dimensionen.

Dietrich Mateschitz selbst, dessen Karriere ebenso steil wie spät begann, wusste, dass Zeit kostbar ist. Das hat er in seinem Geburtstagsinterview wörtlich so formuliert: »Da geh ich lieber auf einen Berg, Schwammerl suchen, biken oder sonst was«. Der Milliardär konnte es sich’s leisten, mit einem Leben als »Holzknecht« zu kokettieren: »So fahr' ich in den Wald und schneid' herum, tu pflanzen und Bacherln regulieren«, schwärmte er der »Kleinen Zeitung« vom Leben im Ruhestand vor. Es sollte leider anders kommen.

Kulinarik-Mäzenatentum gegen Stress

Der steirische Tycoon lebte aber zumindest alle Bubenträume von schnellen Autos, Fußball und Fliegern aus wie kein anderer Österreicher. Parallel entschleunigte er eine digitale, eine hektisch gewordene, Welt mit dem einfachsten Mittel: Einer liebevoll gedeckten Tafel, versehen mit ehrlichem Essen. Sein Mäzenatentum gab vielen die Möglichkeit, heimatliche Genüsse »wie früher« zu genießen. Und so erweiterte Mateschitz nicht nur die alpine Barwelt um das »Flügerl«. Oder den Fußball um »Rasenball Leipzig«, die Formel 1 um »Toro Rosso«. Sondern brachte auch die Champions League der Küche nach Salzburg und sorgte weiter für ein Steirisches Backhendl im »G'schlössl« in Großlobming. Eine Lebensbilanz, die fraglos einzigartig in der Zweiten Republik ist.


Roland Graf
Autor
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