Immer mehr Gastronomen lassen ihr eigenes Hausbier brauen.

Immer mehr Gastronomen lassen ihr eigenes Hausbier brauen.
© Brauhaus Gusswerk

Hausbier als Erfolgsrezept

Schon mal darüber nachgedacht, den individuellen Charakter Ihres Lokals in ein Bierglas zu füllen? Der richtige Zeitpunkt, Ihr eigenes Bier einbrauen zu lassen, ist jetzt.

In Österreich machen es bereits einige Lokale vor und erbringen den Beweis: Ein individuelles, einzigartiges Bier lockt nicht nur neue Gäste an, sondern bindet diese auch ans Lokal und animiert zum Wiederkommen. Denn wo eine gute regionale Bierkarte die Kür ist, ist ein individuell für das Lokal eingebrautes Bier die Königsklasse, mit der Authentizität gelebt und ein gehaltvoller USP geschaffen wird.

Im »Steirereck« zum Beispiel hatte man nach Jahren eines – zugegebenermaßen herrlichen – Schankbieres empfunden, dass die Zeit reif für Neues sei und sich an das Brauwerk gewandt. Ein super Coup. Denn die Top-Gastronomen Reitbauer sind für vieles hoch geschätzt– in Sachen Bier waren sie aber bislang noch nicht aufgefallen. Genau das sei das Thema, sagt Michael Neureiter, Leiter des Ottakringer Brauwerks. »Mit einem eigenen Bier geht man über das gewohnte hinaus, steckt die Standards höher und kann ganz neue Kompetenzen zeigen.« Er hat nicht nur für das »Steirereck« ein einzigartiges Bier von der Idee bis in die edlen 0,75-l-Flaschen begleitet, sondern auch mit anderen Kunden zusammengearbeitet. Auf die Anfragen, die immer häufiger eintrudeln, sei man mit der Ausstattung im Brauwerk bestens eingestellt: »Wir haben uns bewusst für eine kleinere Anlage entschieden, um Ideen und Rezepturen ab 1.000 Liter umsetzen zu können.« 

Reinhold Barta in seinem Betrieb, Brauhaus »Gusswerk«.
© Brauhaus Gusswerk
Reinhold Barta in seinem Betrieb, Brauhaus »Gusswerk«.

Geschichten mit Geschmack

Bei der Umsetzung wird allerdings etwas Engagement vom Auftraggeber vorausgesetzt:»Wenn jemand den Wunsch nach einem eigenen Bier hat, machen wir ein gemeinsames Projekt daraus und entwickeln das Bier zusammen. Bei Verkostungen wird die Richtung, später die exakte Rezeptur definiert.« Am Brautag ist der Kunde mit im Sudhaus. Meist zum ersten Mal. »Dabei entstehen immer interessante Geschichten und zudem eine Bindung an das Produkt, die mindestens so wichtig ist wie die Zutaten«, erzählt Neureiter. Wenn etwa das ganze Stockwerk nach Zitrus duftet, weil die Familie Reitbauer vom »Steirereck« eine getrocknete Limette aus der Schönbrunner Orangerie aufknackt und diese ins Rezept urgiert. Wenn die Wasserzufuhr kurzfristig ausfällt und die morgendliche Verkostung noch ausgedehnt werden muss. Dann passieren Geschichten, die gutes Bier zu mehr als einem Getränk machen und kommunikativen Mehrwert für beide Seiten haben. 

Das Weinlokal »MAST« im 9. Bezirk Wiens war eine härtere Nuss, erzählt Michael Neureiter. Hatte es das Brauwerk-Team doch bei den Betreibern Matthias Pitra und Steve Breitzke mit Spitzensommeliers zu tun. Bis die Sensoriker am Gaumen hatten, wie ihr Bier schmecken soll, wurden etliche Biere verkostet – bis schließlich eine Witbierrezeptur mit grünem Pfeffer, Limettenschalen und Sauergut, angesäuertem Malz, verfeinert wurde. Das fantastische Ergebnis steht seit April 2018 auf der Karte. Natürlich gelingt das gemeinsame Projekt mit Brauwerk auch ohne Sommelierdiplom: »Je weniger affin und vorgebildet die Braupartner sind, desto konkretere Vorschläge und Ideen kommen seitens der Brauerei«, so Neureiter. 

Michael Neureiter verspricht höhere Standards mit einer eigenen Hausmarke.
© Klaus Prokop
Michael Neureiter verspricht höhere Standards mit einer eigenen Hausmarke.

Region im Fass

In Salzburg findet man im »Fuxn Bräu« ein exzellentes Beispiel für gute Gastgeberschaft. Vater und Söhne Absmann setzen in der gesamten Gastwirtschaft auf einzigartige Details und machen auch bei der Bierkarte keine Ausnahme. Die handverlesene Bierauswahl ergänzt das exklusiv dort erhältliche Fuxn-Bier, gebraut im Gusswerk in Hof bei Salzburg. Das kernige Wirtshausbier, trägt die Handschrift von Braumeister Reinhold Barta, der gemeinsam mit der Fuxn-Crew den Geschmack der »Volkswirtschaft« aufgespürt hat: Ein Cross-over, traditionell untergärig eingebraut, aber mit »modernen« Hopfensorten aus den USA und Neuseeland verfeinert – passend zum Lokal, das traditionelle Wirtshaus-Gemütlichkeit zeitgemäß interpretiert. Auch Barta sieht die Chance für Wirte, sich durch solch ein Produkt stark zu positionieren: »Für Kunden, die sich abheben wollen und in allen Bereichen hohe, einzigartige Qualität bieten wollen, ist das sicher ein Erfolgskonzept.« Aufgegangen ist das Hausbier-Konzept auch im Salzburger »Urbankeller«, wo die Betreiber ein ähnliches Qualitätsverständnis haben wie der Gusswerk-Braumeister, der darum gebeten wurde, ein Bier zur Salzburger Institution zu kreieren. Das Passende zu finden war nicht schwer. Denn was liegt einem kreativen Kopf näher, als die Steine des Kapuzinerbergs, an dem das Lokal unmittelbar liegt, für ein Bier zu nutzen? Tatsächlich strotzt das Steinbier vor Lokalkolorit, wird doch beim Brauvorgang die Region in Form von glühenden Steinen ins Bier gebracht. Was im Mittelalter notwendig war, um die Würze zu erhitzen, verleiht dem Steinbier feine Karamell-Noten. »Das Bier wurde vorerst exklusiv für den Urbankeller eingebraut, war aber dort so erfolgreich, dass die Leute auch bei uns in der Brauerei Steinbier nachfragten und kaufen wollten«, erzählt Reinhold Barta. So kam es, dass das Bier nach zwei Jahren ins Sortiment der Brauerei Gusswerk aufgenommen wurde und mittlerweile über die Grenzen Salzburgs begehrt ist.

»Wenn jemand den Wunsch nach einem eigenen Bier hat, machen wir ein gemeinsames Projekt daraus und entwickelndas Bier zusammen.«   
MICHAEL NEUREITER Leiter Ottakringer Brauwerk 

Was für ein Aufwand

Der Aufwand für individuelles Auftragsbier ist überschaubar, sind sich die Braumeister einig. Im Brauwerk liegt der Preis für die Mindestmenge von 1.000 Liter bei ca. 2 Euro netto pro 0,33-l-Flasche. Fassware ist günstiger als Flaschenbier, höherer Alkoholgehalt und extravagante Rohstoffe erhöhen die Kosten. »Natürlich wird ein individuelles Bier mehr kosten, als ein Standardbier, für das der Wirt üblicherweise einen sehr guten Preis bekommt. Aber die minimalen Mehrkosten pro 50-l-Fass sind sicher nicht existenzentscheidend«, meint Reinhold Barta. Ganz im Gegenteil: sie sind gut investiert. Denn wer sein eigenes Bier zapft, serviert viel mehr als einen Durstlöscher. Im Glas stecken dann neben Hopfen und Malz auch eine Menge Charakter, Authentizität und Regionalität. Unbezahlbare Werte, die mit Schaumkrone versehen am besten schmecken. 

Artikel aus Falstaff Karriere 05/2018.

Melanie Gadringer
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Von Redaktion