Harald Irka (l.) und Richard Rauch gelten als Nachwuchstalente am Herd.

Harald Irka (l.) und Richard Rauch gelten als Nachwuchstalente am Herd.
© Ian Ehm

Harald Irka und Richard Rauch: Steirische Überflieger

Die beiden gelten als zwei der größten Nachwuchstalente am Herd, dabei könnten sie unterschiedlicher nicht sein.

Sind Pastinaken Karotten?«, poltert es durch den Gastraum des »Steira Wirt«. Küchenchef Richard Rauch lehnt gerade am Tresen, mit dem Rücken zur Tür, und dreht sich überrascht um. Ein rüstiger Pensionist mit Brille und grauen Haaren baut sich vor ihm auf und blickt ihn entschlossen an. Rauchs Miene entspannt sich, er lächelt und antwortet: »Grüß Gott! Nein, Pastinaken sind Wurzeln.« Er kennt den Herrn, es ist ein ehemaliger Lehrer der Schule in Trautmannsdorf – und hie und da kommt er auch zum Essen. Man kennt sich eben, in diesem kleinen Ort in der Oststeiermark.

Jung und talentiert

Richard Rauch ist hier aufgewachsen. In Bad Gleichenberg führt seine Familie eine Landwirtschaft, seit 15 Jahren gehört auch das Gasthaus samt angrenzender Fleischerei in Trautmannsdorf dazu. Was er in der Küche umsetzt, hat er sich zu einem großen Teil selbst angeeignet. Nur vereinzelt absolvierte der stämmige 28-Jährige Praktika, etwa bei Hans Haas im »Tantris« oder bei den Brüdern Obauer in Werfen. Rauch gilt als großes Nachwuchstalent Österreichs, im aktuellen Restaurantguide wurde er Steiermark-Sieger. Doch er ist nicht der einzige, der dieses Bundesland kulinarisch aufmischt. Auch Harald Irka wird von der Gourmetszene gefeiert wie ein Superstar. Der 22-Jährige, der eher an den Gitarristen einer englischen Boyband als an einen Spitzenkoch erinnert, bewarb sich nach seiner Lehre bei mehreren Betrieben. Die Familie Neumeister der »Saziani Stub’n« sagte ihm als Erste eine Stelle als Commis zu. Sofort erkannten die Neumeisters sein großes Talent und beförderten ihn zum Souschef, nach dem Abgang des kanadischen Küchenchefs wurde Irka auf dessen Posten gehoben.
Rauch und Irka gelten als größte kulinarische Nachwuchstalente – dabei könnten sie in Wesen und Stil unterschiedlicher nicht sein. Falstaff hat die beiden besucht.

Harald Irka kocht in der »Saziani Stub’n«
© Ian Ehm
Harald Irka kocht in der »Saziani Stub’n«

Reden ist Silber, Kochen ist Gold

Wir sind in Straden, einem 1500-Seelen-Ort in der Südoststeiermark mit einer gelb gestrichenen Kirche im Ortskern und rundherum steilen Rebhängen bis ins Tal. Hie und da durchzieht ein Nebelband die Gegend und taucht die Weinberge in eine graue Dunstglocke. Harald Irka steht auf der Terrasse der »Saziani Stub’n« und blickt in die Ferne. Scheu wie ein Reh wirkt er, doch seine dunkelbraunen Augen leuchten. Worte sind nicht seine Stärke, er kocht viel lieber als er redet. Doch das dafür in einer Außergewöhnlichkeit, die man nur von internationalen Spitzenhäusern kennt. Seine Gerichte kommen in puristischer Form auf den Teller und sind so künstlerisch angerichtet, dass sie fast zu schön zum Essen sind. Auch die Mengen sind exakt kalkuliert, nur ungern geht Irka auf individuelle Wünsche ein und verändert seine Komposition. »Da muss ich ihn dann fast immer dazu überreden«, sagt Res­taurantchef Albert Neumeister und schmunzelt verschmitzt.

In der Ruhe liegt die Kreativität

Es kann auch schon mal mehrere Wochen und Dutzende Testläufe dauern, bis Irka eine neue Kreation freigibt. Perfekt muss sie sein und in ihrer Zusammensetzung aufs Wesentliche konzentriert. Diese Art zu kochen hat sich der gebürtige Linzer aus dem Kopenhagener »NOMA« abgeschaut. »Die Ideen kommen aber mehr per Zufall«, sagt der 22-Jährige und schlendert mit zaghaften, ein wenig schlurfenden Schritten in die Küche. Dort werken bereits zwei seiner Mitarbeiter, sie schneiden Gemüse und rühren in Töpfen. Wortlos öffnet Irka einen der Kühlschränke und holt eine Blechschale mit vier roten Paprika heraus. Er greift nach einer Lötlampe und beginnt, die Haut des Gemüses langsam zu rösten. Immer wieder blickt er kurz auf und kontrolliert, was seine Köche tun. Doch niemand spricht. Alles passiert leise. Einen Ton, den Irka vorgibt. Laute Worte gibt es in seiner Küche nicht.

Am Boden geblieben

Zwei neue Menüs hat er sich für diese Saison – es ist bereits seine fünfte in Straden – einfallen lassen. Beide bestehen aus maximal sieben Gängen und heißen »Grün« und »Terroir«. In ersterem dominieren frühlingshafte Gerichte wie Saibling auf Rettichsud mit Bärlauchöl, zweiteres hat besonders die erdigen, regionalen Zutaten aus der Region auf dem Speiseplan – darunter etwa Wollschwein und Flusskrebse. Bei seinen Gerichten genießt Irka »Narrenfreiheit«, wie er selbst sagt – und eines seiner so seltenen, sanften Lächeln kommt ihm über die Lippen. Und wird er nach seinen Auszeichnungen gefragt, so leuchtet sogar Stolz in seinen Augen. »Ich wollte immer eine Haube haben«, sagt er. »Die habe ich mittlerweile, alles Weitere lasse ich auf mich zukommen.« Erstaunlich, dass der blutjunge Linzer trotz seines Erfolgs noch so auf dem Boden geblieben ist – manch anderem wäre das alles wohl schon zu Kopf gestiegen. »Manchmal sind die vielen Interviews schon anstrengend«, gibt Irka zu. »Aber die gehören halt dazu.«
An eine Rückkehr nach Linz denkt er im Moment nicht, dennoch fährt er an jedem freien Tag nach Hause. Seine Familie kommt aber nicht in den Genuss seiner Kochkunst. Dort ist es die Mama, die den jungen Irka bekocht. »Am liebsten habe ich ihr Schnitzel«, verrät Irka – und es scheint, als schäme er sich ein wenig dafür.

Ein Star im kulinarischen Zirkus der Steiermark: Richard Rauch 
© Ian Ehm
Ein Star im kulinarischen Zirkus der Steiermark: Richard Rauch 

Zwei Linien

Während Irka sich wieder still auf das Löten der Paprikahaut konzentriert, wirbelt wenige Kilometer entfernt Richard Rauch durch die Küche seines »Steira Wirt« in Trautmannsdorf. Mit professionellem Ton gibt er seinen Mitarbeitern Anweisungen. Jeder Handgriff sitzt. Besonderen Respekt bekommt man aber, wenn Rauch eines seiner riesigen Küchenbeile auspackt und damit das Rückenstück eines Black-Angus-Rinds – aus der eigenen Landwirtschaft, versteht sich – zerteilt. »Die Regionalität ist mir wichtig«, betont der 28-Jährige und löst vorsichtig die Knochen vom Fleisch. Sämtliche Zutaten stammen aus der Fleischerei nebenan, die sein Vater und sein Bruder betreiben. Schwes­ter Sonja schupft den Service, die Mama ist in Pension. Seit Richard Rauch am Herd steht, hat sich die Küche massiv gewandelt –und verbessert. Es gibt nun zwei Linien – und auch zwei Speisekarten: zum einen die klassische Variante mit Gerichten wie gebackenes Kalbsbries und Rindsroulade. Und zum anderen die Gourmetlinie, die Tradition auf edle Art umsetzt und Zutaten wie affinierten Käse, Tannenwipferl und Amur­karpfen auf den Teller bringt. Drei Hauben zieren seine Küche, Rauch ist mittlerweile so bekannt, dass Gäste von weit her anreisen, nur um hier zu essen. Wie es dazu kam, ist Rauch selbst ein kleines Rätsel. Er legt das Beil weg, schiebt das Brett mit dem Fleisch zur Seite und stützt einen Arm auf die Küchenplatte. »Ich glaube, es liegt auch daran, dass wir nicht von heute auf morgen etwas radikal verändert haben, sondern die Stammgäste ›mitwachsen‹ konnten. Auf Krampf geht’s eben nicht.« Das mag stimmen, doch es liegt sicherlich auch an dem hohen Niveau, auf dem Rauch seine Kreationen gestaltet. Er spielt dabei mit den Konsistenzen und verschiedenen Aromen und überrascht mit mutigen Kombinationen. Blickt er auf die eingerahmten Auszeichnungen an der Wand, strahlt er übers ganze Gesicht. Keine Frage, Rauch legte eine Blitzkarriere hin – darauf ist er sichtlich stolz.

Viele Pläne

Damit die Gäste künftig auch gleich eine Übernachtungsmöglichkeit haben, werden demnächst Gästezimmer errichtet. Auch die Gaststube wird renoviert. Und was hat Rauch in der Küche vor? Der stämmige Steirer, dessen Name eingestickt auf seiner schwarzen Uniform prangt, schmunzelt, und seine blauen Augen funkeln. »Ich möchte versuchen, auch Kuhfleisch länger reifen zu lassen.« Je älter die Kuh, desto höher der Fettanteil – und das Fleisch schmecke dann noch intensiver, glaubt der Spitzenkoch.
Er verlässt die Küche, durchquert den Gast­raum und tritt hinaus auf die oberste der drei Stufen vor der gläsernen Eingangstür. Die Sonne strahlt ihm ins Gesicht, sein Auto – ein silberner BMW X5 – parkt direkt neben dem Eingang. Er könnte glatt als Familienkutsche durchgehen, wie er so dasteht. Aber an Nachwuchs denkt der 28-Jährige noch nicht: »Jetzt ist der Job vorrangig.« Und dafür reist er auch gerne durch die Welt. Zuletzt kostete er sich an vier Tagen durch 16 New Yorker Restaurants und holte sich Inspirationen. Auch in Belgien, Norwegen, Holland und Shanghai war er schon. Eins ist also sicher: Der Steirer hat noch viel vor.

Text von Marlene Auer
Fotos von Ian Ehm

Aus Falstaff Nr. 02/2014

Marlene Auer
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Trautmannsdorf 6, 8343 Bad Gleichenberg
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