»Helmut Krenek am Weingut Göbel« belegt heuer den 1. Platz in Wien. 

»Helmut Krenek am Weingut Göbel« belegt heuer den 1. Platz in Wien. 
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Guide: Die besten Heurigen und Buschenschanken 2022

Es ist wieder soweit: Falstaff präsentiert die Helden der österreichischen Genusskultur im »Heurigen & Buschenschank Guide 2022«.

Wenn man die Fülle der Bewertungen der Falstaff-Community für den Heurigenguide sieht, wird einem klar: Heurigenschmankerl im Take-away genießen ist so ähnlich, wie Superheldenfilme am Handy anzusehen. Kann man mal machen, wenn es die Umstände erfordern. Aber der Vergleich macht dann sicher. Knorrige Bänke, Rebspaliere, Blumenschmuck und die Qual der Wahl am Heurigenbuffet, dazu ein kühler Schluck Wein – so fühlt sich das echte Leben an. Doch zum Glück darf in den Buschenschanken nun auch wieder an der Schank über Gott, die Welt und das Leben philosophiert werden (lediglich wer diese Pandemie erwähnt, zahlt ein Flascherl!).

Wo es besonders gut schmeckt und wo Sie die besten Ecken zum Verweilen bei Speis und Trank vorfinden, haben wir für Sie hier zusammengefasst. Aufgrund der Empfehlungen, die 2022 34 neue Betriebe in den Guide gebracht haben. Denn auch in diesem Punkt gleicht der Heurigen den Helden der Leinwand: Er stirbt nie. Seine »Superkraft« liegt darin, zu Österreich und seiner Genusskultur zu gehören.

So wurde bewertet

Für die Wahl der besten Heurigen und Buschenschanken Österreichs werden von der Falstaff-Online-Community das ganze Jahr über Votings abgegeben. Aus diesen Gästebewertungen wird für jeden Betrieb eine demokratische Gesamtwertung erstellt, die einmal pro Jahr in diesem Guide veröffentlicht wird. Außerdem finden sich die Bewertungen auch in der App.

Bewertet wird in vier Einzelkategorien:

• Essen (max. 40 Punkte)
• Wein (max. 30 Punkte)
• Ambiente (max. 20 Punkte)
• Service (max. 10 Punkte)

Die höchstmögliche Gesamtpunktzahl beträgt 100 Punkte.

Süffige Summe Wiens: Der Gemischte Satz

Von der Absicherung gegen Witterungsunbilden hat sich der Einsatz mehrerer Rebsorten zu einer Keller-Kunstform gemausert. Gemeinsam gewachsen, nicht erst im Fass »vermählt« – bei den Besten ist das Ergebnis mehr als die Summer seiner Teile.

Wiens wichtigste Rebsorte ist die Vielfalt. Oder, wenn ein Wortspiel gestattet ist: die »field-falt«. Denn als einziges Weinbaugebiet des Landes wird die Hauptstadt nicht von einer einzelnen Rebsorte – wie dem Grünen Veltliner im Weinviertel oder dem Blaufränkisch im Südburgenland – dominiert, sondern eben vom »field blend«. Der englische Ausdruck bringt den Unterschied zwischen »Gemischtem Satz« (so die heimische Übersetzung) und einer Cuvée klarer zum Ausdruck. Gesprochen wird im Weingarten zwar auch viel, seinen Namen verdankt dieser urwienerische »Satz« aber dem »aussetzen«: Was gemeinsam in einem Weingarten wächst, wird im Falle des Gemischten Satzes auch gemeinsam vinifiziert. Cuvées dagegen basieren in der Regel auf einzeln ausgebauten Rebsorten, die teils auch zu deutlich unterschiedlichen Zeitpunkten gelesen werden. Was sich zu Wiens wichtigstem Wein – ein Drittel der jährlich rund 2,3 Mio. Liter macht der »G’mischte« aus – mauserte, war früher auch anderswo die Regel. Die weinbäuerliche Logik betrachtete die Mischkulanz als eine »Art natürliche Versicherung gegen Wetterunbilden, lange vor dem Klimawandel. Musste früher geerntet werden, drohte ein durchgängig säuriger Wein. Das könnten »Aromasorten« (Traminer, Muskateller, aber auch Rotgipfler) ausgleichen. Der sortenreine Ausbau, eine Entwicklung, die sich erst nach dem Zweiten Weltkrieg durchsetzen konnte, ließ den Gemischten Satz oder Mischsatz, wie die Steirer sagen, immer seltener werden: Zwischen 1980 und 2015 gingen 7.000 Hektar an Gemischtem Satz in Österreich verloren.

Eine Weltstadt als »gallisches Dorf«

In Wien hatten Veltliner und Riesling allerdings nicht das letzte Wort. Die Pionierarbeit von Franz Mayer (1928– 2011), der in seinem Weingut am Pfarrplatz weiter trotzig Gemischten Satz auftischte, und später von Richard Zahel in Mauer legten den Grundstock, dass der klassische Heurigenwein überlebte. Was heißt! Eigentlich muss man von einer Wiedergeburt sprechen. Denn dass es nicht nur »g’mischte« Ortsweine wie schon früher, etwa den »Neustifter« oder »Bisamberger«, gibt, sondern Einzellagenweine, hätten sich die Pioniere nicht träumen lassen. Ihre Unterschiede verdanken sich aber nicht nur der Wiener Geologie, sondern auch der Zusammensetzung der Weingärten. Sie nimmt sich teilweise wie eine Arche Noah versunkener Sorten aus. Oder haben Sie schon vom »Grauen Vöslauer«, der »Kahlenberger Weißen« oder der »Orangentraube« gehört? Sie alle haben in Wien ihr Pläsierchen. Auch der Rotgipfler wird gerne mit der Südbahnlinie verbunden, findet sich aber z.B. in den Rieden von Mayer am Pfarrplatz wieder. In Wien-Mauer wiederum sorgt der Traminer, bei dem man eher an Südtirol oder die Steiermark denken würde, für duftige Weine. Ähnlichen Einfluss hat Roter Veltliner – auch er bringt in kleinen Mengen Tropenfrucht-Charme in den Wiener Wein. Wer übrigens nur den, zugegeben sehr süffigen, weißen Mischsatz kennt, sollte einmal beim Bio-Weingut Fuchs-Steinklammer vorbeischauen. 21 rote Rebsorten wachsen hier zu einer echten Wiener Mischung heran.

Kane schlamperten Verhältnisse!

Die erwähnte Erfolgsgeschichte des »G’mischten Satz« wurde teilweise auch im Ausland geschrieben. Denn international kommt solche Widerständigkeit gegen den Zeitgeist bestens an. Erst recht, wenn sie Tradition auch noch hat! Dass man in einer anderen Weltstadt, New York City, heute den Wiener »field blend« kennt, hat auch eine klare Charakteristik hervorgebracht. So wurde per Verordnung festgelegt, wie ein solcher Wein aussehen sollte. Für einen »Wiener Gemischten Satz DAC« darf der größte Sortenanteil nicht mehr als 50 Prozent ausmachen, der drittgrößte Sortenanteil hat zumindest noch 10 Prozent zu umfassen. Damit wird sichergestellt, dass es keine cuvéeartigen Weine mit 80 Prozent Dominanz einer Rebsorte gibt. Denn wo Vielfalt draufsteht, soll man auch den Reichtum der Wiener CMY Weingärten schmecken. Eh kloar!


Best of Wien

1. Helmut Krenek am Weingut Göbel, 1210 Wien – 96 Punkte
2. Heuriger Wieninger, 1210 Wien – 95 Punkte
3. Heuriger Edlmoser, 1230 Wien – 95 Punkte

»Helmut Krenek am Weingut Göbel«, Wien

Die idyllische Stammersdorfer Kellergasse zählt zweifellos viele gute Adressen. Doch Helmut Kreneks Ambition geht über normale Heurigenkost hinaus. Wenn sich der beim Plachutta und Meixner geschulte Chef lächelnd als Mitglied der »Strohschweinbande« bezeichnet, dann spricht er damit zugleich einen Klassiker des Hauses an. Genau genommen sogar mehrere, denn von der Leberpastete über den Rohschinken bis zum Gebratenen von Brust und Schopf reicht die Palette der »schweinischen« Köstlichkeiten. Dass dazu die Weine von Hans Peter Göbel, dem gelernten Architekten, kongenial passen, müsste man nicht weiter erwähnen – außer all jenen gegenüber, die Wien als reine Weißwein-Stadt kennen. Denn die Rotweine aus eigener Fechsung ergänzen das Kernangebot aus Gelbem Muskateller und Gemischtem Satz ebenso wie Kreneks Wochenkarte, die die regelmäßig servierten Köstlichkeiten aufpeppt. Da kommen dann etwa auch Lammcurry und Wildkäsekrainer auf den Tisch. Ein ewiges Wunderland gelebter Heurigentradition!

Best of Niederösterreich

1. Artner, 2465 Höflein – 97 Punkte ex aequo
1. Pulker’s Heuriger, 3602 Rührsdorf – 97 Punkte ex aequo
2. Landauer-Gisperg – Der Heurige, 2523 Tattendorf – 96 Punkte
3. Winzerhof Familie Dockner, 3508 Höbenbach – 96 Falstaff-Punkte

»Artner« in Höflein.
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»Artner« in Höflein.

»Artner – Heuriger im alten Bauernhof«, Höflein

Wo die Großeltern der heutigen Winzergeneration noch übers »Hintaus« aufs Feld fuhren, regiert heute der Genuss. Dass links der Schweinestall und rechts der Kuhstall war im langgestreckten Hof, erzählen die Artners den überraschten Gästen gerne, ebenso die Geschichte vom bäuerlichen Festmahl, das damals direkt aus dem eigenen Taubenkobel auf den Tisch kam.

Heute serviert Sonja Artner stattdessen lieber Feines vom Mangalitza-Schwein, den »Chefteller« oder ausgewählte Käse im historischen Ambiente.Vor allem am Abend, wenn bei Kerzenlicht getafelt wird, kommt Stimmung auf, die von den hauseigenen Getränken untermalt wird. Die Auswahl bietet nicht nur rote Zweigelt-Lagenweine (»Ried Aubühl«!), für die Carnuntum so berühmt ist, sondern auch interessante Abwechslung wie den fortifizierten »Portuguese Love« Christoph Artners, den Pinot-Sekt »Rosy Cheeks« oder einen Minz-Rosé-Spritzer. Denn auch wenn der »alte Bauernhof« und sein urtümlicher Charme unantastbar sind – für die Gäste geht man gerne auch moderne Wege.

»Pulker's Heuriger« in Rührsdorf.
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»Pulker's Heuriger« in Rührsdorf.

»Pulker's Heuriger«, Rührsdorf

Bernd Pulker und seinen Schweinsbraten darf man längst als Fixpunkte in der Wachau ansprechen. Und dieser Heurigen war maßgeblich mitbeteiligt, das »andere Ufer« als Gourmetdestination zu etablieren. Vor allem für die Weine des südlichen Donautal-Abschnitts, also abseits der weltbekannten Wachauer Lagen von Dürnstein bis Spitz, wurde hier viel überzeugungsarbeit von Sommelier Pulker geleistet. Dass die Weinkompetenz des Hausherrn über jeden Zweifel erhaben ist, zeigt ja schon ein Blick auf die geleerten Raritäten in der Gaststube. Und es sind keine Schauflaschen, denn wer sich zur Heurigenjause einen Premier Cru schmecken lassen will, kann auch das tun. Elitär ist man aber dennoch nicht in Rührsdorf. Der entspannte Freibereich mit Donaublick wird von Radlern genauso zur Stärkung genutzt. Dass einen Tisch weiter dann über die Feinheiten burgundischer Einzellagen philosophiert wird, tut der Stimmung keinen Abbruch. Denn es gilt die alte Regel: Der Heurigenbesuch verbindet Menschen!

Best of Burgenland

1. Weingut Pluschkovits, 2443 Leithaprodersdorf – 95 Punkte
2. The Quarter 2.0 in The Hall of Legends, 7163 Andau – 94 Punkte
3. Buschenschank Wallner, 7474 Deutsch Schützen – 94 Punkte ex aequo
3. Gut drauf Heuriger auf Gut Oggau, 7063 Oggau – 94 Falstaff-Punkte ex aequo

»Weingut Pluschkovitz« in Leithaprodersdorf.
© Klemens König
»Weingut Pluschkovitz« in Leithaprodersdorf.

»Weingut Pluschkovits«, Leithaprodersdorf

Wenn man Leithaprodersdorfer Blaufränkisch heute in Belgien kennt, dann liegt das ganz klar an den Pluschkovits-Schwestern. Denn den Rosé für die Promotion seines siebenten Albums ließ Flanderns Superstar Milow bei Carina und Edith in Leithaprodersdorf keltern. Nicht schlecht für einen Heurigenbetrieb! Doch dieser »Coup« in Rosa stellt nur einen Beleg unter vielen für den frischen Wind dar, den die neue Generation mitbringt. Zusammen mit Schwester Andrea,
die das Händchen fürs Marketing hat, fiel man selbst im an sich nicht schlecht aufgestellten Parade-Heurigenort – und darüber hinaus – auf. Das beginnt bei der Namensgebung der Weine, die großteils von der Einserlage von Leithaprodersdorf, dem Pfefferbüchsel, stammen. Einen Veltliner namens »Herrschaftszeiten« will man einfach probieren! Erst recht, wenn dazu appetitlich die Köstlichkeiten auf der Schieferplatte angerichtet werden. Schmäh gehört ohnehin zum Heurigen wie der augenzwinkernde Gruß der Sisters auf Facebook: »Eure Pluschkovits-Gang«.

Best of Steiermark

1. Weingut Krispel – KostBar, 8345 Straden – 96 Punkte
2. Familienweingut Oberer Germuth, 8463 Leutschach – 96 Punkte
3. Polz Buschenschank, 8472 Strass in Steiermark – 93 Punkte

Das »Weingut Krispel« in Straden.
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Das »Weingut Krispel« in Straden.

»Weingut Krispel – KostBar«, Straden

Kann man kleiner werden und dabei den Servicelevel noch erhöhen? Stefan Krispel hat es vorgezeigt, indem der »Heurigenteil« seiner kulinarischen Erlebniswelt um Wein und Wollschwein gewandert ist. Während einen Teil des Genussguts nun das außergewöhnliche »Fine Dining« einnimmt, wird rund um den Pool – und damit auch mit Sicht auf die Rieden um Straden – weiter dem entspannten Genuss gefrönt. Die Optik der Speisen ist hier genauso wichtig wie die lokale Herkunft, die vom Zitronengras-Grammelschmalz bis zum Neusetzer, der steirischen Lardo-Version von Vater Toni, reicht. Nicht nur dazu mundet der wie der Speck im Basalttrog gereifte »B 1«, eine einzigartige Weinspezialität! Dass zum Gourmet-Gesamtkunstwerk auch die Patisserie beiträgt, die man beim Buschenschank nicht in dieser Elaboriertheit erwartet, sei explizit erwähnt. Schwester Lisa verwirklicht hier großes Können. Aber schließlich liegt beim Krispel in allen Disziplinen die Latte hoch. Und das bleibt zum Glück auch so!


Die Auszeichnungen in den Kategorien und Special Awards


Roland Graf
Autor
Wolfgang Rosam
Wolfgang Rosam
Falstaff Herausgeber
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