»Ikarus«-Patron Eckart Witzigmann war einst der erste »Nicht-Franzose«, den Paul Bocuse unter seine Fittiche nahm.

»Ikarus«-Patron Eckart Witzigmann war einst der erste »Nicht-Franzose«, den Paul Bocuse unter seine Fittiche nahm.
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Großes Kochkino mit kulinarischer Zeitreise

Die kulinarischen Notizen zum »Ikarus«-Gastkoch im Jänner 2017 im Hangar-7: Christoph Muller, »Paul Bocuse – Auberge du Pont de Collonges«, Collonges au Mont d’Or, Frankreich.

Seit 1965 ist das »Paul Bocuse« das Epizentrum der französischen Hochküche und wird jedes Jahr  mit drei Michelin-Sternen ausgezeichnet – das ist ebenso außergewöhnlich wie alles andere auch, das mit dem Namen Paul Bocuse in Zusammenhang steht.
Im Januar ist nun der gebürtige Elsässer Christophe Muller Gastkoch im »Ikarus« im Hangar-7. Er führt in Lyon das Bocuse-Imperium, das aus sieben Brasserien und einem klassischen Gourmetrestaurant, der »Auberge du Pont de Collonges«, besteht.
Und er führt es im Sinne des großen Lehrmeisters, den er seit seinem 17. Lebensjahr kennt. Nach Lehrjahren bei Marc Haeberlin, Alain Ducasse und anderswo ging er wieder zurück zu Bocuse, das ist nun 26 Jahre her. »Wir kochen vor allem seine berühmten Klassiker, allesamt signature dishes«, sagt er, »weil die Menschen das hier so wollen und wir es gerne und mit Respekt tun.« Seine eigene Handschrift vermittelt er ebenso, zum Beispiel mit seinem Hummer-Gericht, das Teil des »Ikarus«-Menüs ist.

Alte Freunde

Paul Bocuse und den Hangar-7 kann man nicht beschreiben, ohne die Verbindung zum Patron des Gastkochkonzepts, Eckart Witzigmann, herzustellen. War dieser doch der erste Lehrling aus dem Ausland, der bei Maître Bocuse lernen durfte. Die respektvolle Freundschaft hat bis heute gehalten und auch Christophe Muller zollt dem österreichischen Jahrhundertkoch Respekt. Für Eckart Witzigmann ist das Gastkoch-Menü im Januar 2017 ebenfalls eine Zeitreise zu seinen kulinarischen Wurzeln und er erinnert sich aus dem Gedächtnis zitierend an ein Rezept der Hechtnockerl: »1 Kilogramm Butter, 36 Eier, 1 Kilogramm Hecht, 250 Gramm Brandteig, alles abschlagen, Nockerl formen und in einer vorzüglichen Geflügelbrühe bei geschlossenem Deckel ziehen lassen – beim Öffnen des Deckels taucht man in eine Aromenwolke der Sonderklasse und dieser folgt der perfekte Genuss. Dazu wird eine, nein, DIE Sauce Nantua gereicht, die schon Auguste Escoffier als perfekten Begleiter für Fischnockerl servierte.« Geschichte ohne Ende, auf jeden Fall aber drei Küchen-Großmeister, die alle auf die eine oder andere Art ihre eigene Kochgeschichte geschrieben haben.

Geschmacksache

Draußen präsentiert sich Salzburg an diesem Tag als herrliches Wintermärchen, drinnen am Herd steht ein großer Chef gemeinsam mit Martin Klein und seinem großartigen Team. In den Töpfen und dann später auf den Tellern: Klassik und Tradition in allerbestem Wortsinn. Wer schon immer einmal beim Großmeister Paul Bocuse essen wollte, der kann das nun einen Monat lang im »Ikarus« im Hangar-7 in Salzburg machen. Ein Jahresauftakt nach Maß für das Gastkochkonzept und für alle Genießer sicher eines der ungewöhnlichsten Ess-Erlebnisse – zumindest in Salzburg. Und es wundert nicht, dass quasi als Titel über dem Menü steht: »Grande Tradition Classique. Paul Bocuse«.
Schon die kleinen Amuse bouche lassen eintauchen in die große Welt der französischen Küche. Kleine, feine, köstliche Bouchot Muscheln harmonieren wunderbar mit der feinwürzigen Safran-Suppe, der klassische Kalbskopf wird umhüllt von knusprigem Teig und kommt als Röllchen daher, eine gebackene Schnecke, traditionell mit perfekter Sauce Tatar, und das Wachtel-Ei verbindet sich perfekt mit einer »Creme« à la Beaujolais.
Und dann? Bevor die Genuss-Tour mit den Gerichten beginnt, mit denen Paul Bocuse Kochgeschichte geschrieben hat, gibt es als erste Vorspeise einen Hummer à la Nage, ein Salat vom bretonischen Hummer mit Karfiol (Blumenkohl) und einem Pouilly Fuissé Gelée. Und das ist nun auch ganz große Kochklasse und ebenfalls ein Gericht mit Geschichte. Christophe Muller hat es anlässlich der Verleihung des dritten Sterns kreiert, einfach köstlich und (fast) das Lieblingsgericht der Autorin. Serviert in einem Martiniglas – wie retro ist das denn? Aber es passt perfekt in die Menüfolge – wenn sich die meeresfrische Feinheit des Hummers aus der Bretagne mit der Blumenkohl-Mousseline und dem Gelée verbindet, garniert mit feinen Zwiebeln und Kaviar. Klingt gut, ist es auch. Ein Auftakt nach Maß.

Aromen-Explosion

Und dann geht es Teller auf Teller: großes, französisches, traditionelles Koch-Kino. Die berühmte Trüffelsuppe unter der Blätterteighaube, ein »accord parfait« der Haute cuisine: eine Reduktion von Ochsenschlepp, Gemüsen, Trüffel, serviert mit Gänseleber und Trüffelscheiben – die Aromen explodieren, wenn man die Haube lüftet und man genießt und schweigt. Diesen Luxus im Menü des »Ikarus« kosten zu dürfen, ist auch noch »preiswert«. Kostet sie doch als Einzelgang bei Paul Bocuse 85 Euro. Paul Bocuse hat diese Suppe 1974 zu Ehren des damaligen französischen Präsidenten Valéry Giscard d'Estaing (VGH)  erfunden und sie ist bis heute eines der meistbestellten Gerichte. Falstaff Leser können dieses französische Küchenwunder auch nachkochen und damit einem besonderen Feiertag noch mehr Festlichkeit verleihen. Das Rezept hat uns Großmeister Bocuse für unser Witzigmann Special 2016 (hier bestellen) verraten und Sie finden es unter »MEHR ENTDECKEN« zum Nachkochen.

Königlicher Hase

Weiter geht es mit einer Hechtnocke mit Krebsen und der berühmten Sauce Nantua, dann folgt die Rotbarbe mit den nicht minder berühmten Kartoffelschuppen (siehe Bilderstrecke). Den Abschluss der Gerichte mit viel Geschichte und Geschmack macht der Wildhase königlicher Art. Ein schlichter Name für eine große Speise, die ein durch und durch altmodisches Rezept ist. Der Hase wird in reifem Burgunder und Gänseschmalz mit Schalotten und Knoblauch über Stunden geschmort, bis er butterweich ist, in seine Mitte kommt dann auch noch Gänseleber. Für den Maître ist es eines seiner wichtigsten Gerichte und er beschreibt es im Rezeptbuch sehr ausführlich: »Zwei Flaschen guter, mindestens fünf Jahre in der Flasche gelagerter Wein (vorzugsweise Chambertin)« müssen es sein, der Hase sollte »schön, möglichst mit rötlichem Fell, aus dem Gebirge oder von einer Heidelandschaft kommen und von feiner französischer Rasse, die sich durch die kraftvolle Eleganz von Kopf und Gliedern auszeichnet« sein. Die Schmorempfehlung ist ebenso ausführlich und verlangt ein Ergebnis, das man dann wie folgt essen sollte: »Als Besteck auf keinen Fall Messer und Gabel, sondern nur einen Löffel vorlegen – die Verwendung eines Messers wäre ein Sakrileg«. Den königlichen Hasen wird man in dieser Perfektion in Salzburg sicher nie mehr bekommen, wie es derzeit im Hangar der Fall ist. Executive Chef Martin Klein und sein Wunder-Team kochen jedenfalls königlich.

Süßes Finale

Als Dessert liest man in der Karte »Geeistes Zitrusfrüchte Soufflé« und ist glücklich, ein zitronig-fruchtig-leichtes Finale eines opulenten Mahls zu bekommen. Aber das Koch-Team des »Ikarus« hat dann noch eine kleine Überraschung parat: Petits fours, sagt der Restaurantchef Matthias Berger, gäbe es noch. Und er rollt einen Wagen heran, auf dem man die Klassiker der französischen Desserts bewundern kann: Baba au rhum, Tarte Tatin und Creme brulée – alles im Miniformat, aber so köstlich, dass man ohne zu protestieren in den süßen Himmel der Dessertklassiker Frankreichs katapultiert wird. Müßig zu erwähnen, dass Matthias Berger auch eine Weinauswahl vom Feinsten dazu getroffen hat: vom passenden Pouilly-Fussé über einen Vosne-Romanée, einen Klasse-St. Estephe bis zu einem Sauternes zum Finale.
Mehr Klasse geht nicht: nicht bei der Auswahl der Speisen, nicht beim Wein und auch nicht beim grandiosen Service im »Ikarus«. Merci!

Ausblick

Ganz anderes erwartet die Genießer im Monat Februar. Exotisch-Interessantes verspricht Manish Mehrotra vom »Indian Secret« in Neu Dehli. Aber man darf gespannt sein, welche Geheimnisse die indische Küche für uns bereithält.

Tischreservierung und Infos

Gastkoch im Jänner 2017
Christoph Muller, »Paul Bocuse – Auberge du Pont de Collonges«, Collonges au Mont d’Or, Frankreich
Ort: Restautant »Ikarus« im Hangar-7, Wilhelm-Spazier-Str. 7a, 5020 Salzburg
Öffnungszeiten: Mo – Mi, 19 bis 22 Uhr; Do – So, 12 bis 14 und 19 bis 22 Uhr

www.hangar-7.com/ikarus

Ilse Fischer
Ilse Fischer
Autorin
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