Ist sie unten auch nicht ­angebrannt? Der Blick auf den Pizzaboden gehört zur ­Qualitätskontrolle des­ ambitionierten Balkon-Pizzaiolo.

Ist sie unten auch nicht ­angebrannt? Der Blick auf den Pizzaboden gehört zur ­Qualitätskontrolle des­ ambitionierten Balkon-Pizzaiolo.
© Ian Ehm

Grillen: Pizza al Balcone

Wir haben den Grill angeheizt, einen Pizzastein besorgt und eine Pizzaparty »al fresco« am Balkon veranstaltet.

Was in dem ganzen Hype, den die Pizza in den vergangenen Jahren gerade auch unter informierten Gutessern erleben durfte, ein bisschen untergegangen ist: Die Pizza war in früheren Jahrhunderten keineswegs nur ein Arme-Leute-Essen. Vielmehr verdankt sie ihren Weltruhm nicht unwesentlich auch einer königlich-barocken Gartenparty.
Die Teigflade mit unterschiedlichsten Auflagen ist in Neapel zwar schon sehr lang bekannt und war auch immer ein billiges Essen für die Armen der Stadt – und ein lokales Phänomen. Eines Tages, so will es die Legende, wurde Ferdinand IV., in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts König von Neapel, eine solche Flade zugesteckt – angeblich eine Marinara mit Tomatensauce, Knoblauch, Olivenöl und Oregano. Der König war berüchtigt für seinen vulgären Geschmack und seine Liebe zu allem Volkstümlichen. Und er war von seiner ersten Pizza so begeistert, dass er sie fortan möglichst oft und auch in seinem Palast essen wollte.
Des Königs vornehmere Gemahlin, Maria Karolina von Österreich, ließ ihm daher widerwillig, aber doch, im Garten des Palasts einen Pizzaofen bauen. So würde der volksnahe Regent die vulgäre Speise zumindest nicht in, sondern nur vor den königlichen Gemächern verzehren. Es dauerte nicht lange, bis Pizzaöfen und Pizzapartys der letzte Schrei in den Parks der neapolitanischen High Society wurden. Der Adel im Rest Europas machte es den ihnen bald darauf nach, die Pizza wurde erstmals auch außerhalb ihrer Heimat bekannt.
Wir finden: völlig zu Recht. Pizza, im eigenen Garten oder auch nur am Balkon selbst gebacken, hat auch und vor allem für Nicht-Aristokraten wie uns eine gewisse, hart erarbeitete Qualität, die eine Pizzeria nicht bieten kann. Luftiger, langsam gegorener Teig, der sich nur dank Höllenhitze in essbare Wollust verwandelt, schmeckt einfach noch mal viel besser, wenn man ihn selbst angesetzt, geformt und gebacken hat. Selbst wenn die Flade nicht immer perfekt kreisrund gelingen will.
Wir haben uns daher daran gemacht zu erforschen, wie das Experiment Pizza am Grill optimal gelingt.

I. Die Ausrüstung

Der Grill: Ideal zum Pizzagrillen sind Grills wie das große grüne Ei oder der Black Bastard. Sie können mit viel Kohle befüllt und auf sehr hohe Temperaturen gebracht und auch dort gehalten werden – notfalls tut’s aber auch ein handelsüblicher Kugelgrill.
Stein und Schaufel: Daneben werden unbedingt ein Pizzastein und eine Pizzaschaufel gebraucht. Ein Pizzastein überträgt die Hitze viel effizienter auf den Teig als Luft oder ein Grillrost und lässt ihn daher wunderbar aufgehen; die Schaufel macht es möglich, die Pizza unverletzt in und aus dem Ofen zu bekommen.
Die Kohle: Ohne gute Kohle kann kaum die nötige Temperatur erreicht werden – gespart werden sollte hier nicht, stattdessen lieber auf Qualität setzen. Von Briketts raten wir ab: Sie brennen zwar länger, werden aber weniger heiß als Holzkohle.
TIPP: Glühende Kohle
Wir haben mit der Kohle der Köhlerei Hochecker gebacken, die hervorragende Grillkohle im traditionellen ­Verfahren erzeugt und österreichweit liefert.
www.holzkohle.at
Hartweizengrieß: ­perfekt, um damit die Arbeitsfläche und die Pizzaschaufel zu bestreuen, damit sich der Teig problemlos löst; gibt außerdem dem Pizzateig nach dem Backen noch extra Crunch.

II. Der Teig

Es gibt zwei große Pizzaschulen in Italien: die neapolitanische, die auf etwas dickeren, fluffigeren Teig setzt, und die römische, die dünnere, knusprigere Pizzen fabriziert. Neapolitanischer Teig wird nur aus Mehl, Wasser, Hefe und Salz gefertigt, während römischem Teig etwas Olivenöl und manchmal Zucker zugesetzt wird.
Wir haben insgesamt neun verschiedene Rezepte aus verschiedenen Quellen ausprobiert, von italienischen Kochbüchern bis hin zu amerikanischen Blogs – und einen klaren Sieger für beide Pizzastile gefunden. Sie sind grandios einfach – jenes für die neapolitanische Pizza kommt sogar komplett ohne Küchenmaschine oder Kneten aus, muss allerdings etwas länger rasten. Der römische Teig wird etwas schneller fertig.
Die neapolitanische Variante hat eine herrlich grobporige Krume mit großen Luftlöchern und dank der langen Gärung ganz viel Geschmack – der Rand ist hier mitunter das Beste an der Pizza. Die römische Version ist dünner, knuspriger und trotz des Öls leichter: Sie können davon leicht zwei ganze Pizzen allein verdrücken.
REZEPT: Neapolitanischer Teig
REZEPT: Römischer Teig
TIPP: Italienisches Pizzamehl
Die Wiener Greißlerei Kruste & Krume verkauft italienisches Pizzamehl mit hohem Pro­teingehalt.
www.krusteundkrume.at

III. Das Formen

Die vielleicht schwierigste Aufgabe des ­Balkon-Pizzaiolo ist es, seiner Pizza eine schöne Form zu geben. Profis, die das 500 Mal am Tag machen, haben das einfach anders drauf als Gelegenheitsbäcker. Erschwerend kommt hinzu, dass die Pizza nicht immer ganz reibungslos von der Pizzaschaufel auf den heißen Stein gleitet, sondern sich dabei gern noch einmal verformt. Aber nicht ärgern: Auch ovale Pizzen schmecken gut. Die grundlegende Technik: Arbeitsfläche mit viel Hartweizengrieß bestreuen. Teig mit Nudelholz rund ausrollen, dann hochheben und auf die Fingerknöchel legen. In Drehbewegungen hängend langsam größer machen – wer sich das nicht vorstellen kann, schaut am besten eine der vielen Video-Anleitungen auf YouTube an. ­
Die Pizzaschaufel ebenfalls ordentlich mit Hartweizengrieß bestreuen und die Teigflade darauf ziehen. In Form bringen und erst jetzt mit den Zutaten belegen.

IV. Die Auflagen

Hier ist weniger mehr. Damit die Auflagen den guten Teig nicht erschlagen, sollte nicht zu viel Belag auf die Pizza kommen. Für die Tomatensauce empfehlen sich entweder gute passierte Tomaten oder mit einem Stabmixer pürierte geschälte Tomaten aus der Dose. In beiden Fällen keinesfalls das Salzen vergessen.
Wir haben fünf recht klassische Varianten gebacken. Welche auch immer gewählt wird: Es schadet nie, kurz vor und/oder nach dem Backen noch einen Schuss Olivenöl darüber zu gießen.
Margarita
Tomaten, Mozzarella, Basilikum: rot, weiß, grün, die Tricolore der italienischen Flagge. Ein zeitloser Klassiker. Unserer Meinung nach besser mit Fior di Latte, also Kuhmilchmozzarella, statt dem teuren Büffelmozzarella. Der wird beim Schmelzen nämlich mitunter etwas wässrig.

Pizza Bianca ­con ­Patate e Taleggio
Ein Klecks Mascarpone statt Tomatensauce, vorgekochte Kartoffelscheiben, leicht saurer Taleggio-Käse, Salbeiblätter – fertig ist diese prächtige Pizza bianca.
Pizza Roma
Tomatensauce, gute Sardellen, Kapern und Mozzarella: Purismus in köstlicher Perfektion.

Pizza Nord/Sud
Tomatensauce, Taleggio, Nduja, rohe Zwiebel. Norditalienischer Käse trifft auf die scharfe Streichsalami aus dem Süden und vereint sich zu unserer liebsten Kombination des Abends.

Pizza con Prosciutto e Rucola
Tomatensauce, Mozzarella, Rucola, Rohschinken. Gebacken wird nur die Tomatensauce und der Käse, der Salat und der Schinken kommen in dieser Reihenfolge erst nachher auf die heiße Flade. War bei den fünf anwesenden Kindern die gefragteste Pizza des Abends.

V. Die richtige Temperatur

Pizza braucht, um richtig gut zu werden – außen knusprig, innen cremig weich und voller Dampf, der nach frisch Gebackenem duftet –  ziemlich infernalische Hitze. In einem neapolitanischen Holzofen hat es gut und gerne 400 Grad. Das ist zu Hause kaum zu schaffen. Auf einem guten Griller, mit ordentlichen Kohlen angeheizt, sind aber 350 Grad schon machbar – genug, um zumindest ähnliche Ergebnisse zu erbacken.
Allzu heiß muss es aber gar nicht sein: Weil die Hitze hier von unten kommt, besteht die Gefahr, dass die Pizza unten verbrennt, bevor sie oben eine schöne Farbe bekommen hat. Als ideal hat sich bei unseren Versuchen eine Temperatur von etwa 300 Grad erwiesen.

VI. Das Backen

Fast geschafft! Jetzt nur nicht die Nerven verlieren. Die Pizza mithilfe der Schaufel und einer ruckartigen Bewegung auf den Stein befördern – das braucht mitunter ein bisschen Übung, aber spätestens beim zehnten Mal sollte es gut klappen. Deckel schließen und bei 300 Grad etwa drei Minuten backen. Darauf achten, dass der Boden nicht verbrennt. Beim grünen Ei den Hitzeschild unter den Pizzastein legen, bei einem Kugelgriller die Kohlen am besten am Rand des Grillers und nicht direkt unter dem Stein anordnen.
Herausnehmen, portionieren und mit königlichem Stolz servieren – und genießen.


Pizza vom Grill in sechs Schritten

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Erschienen in
Falstaff Rezepte 02/2019

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Tobias Müller
Autor
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