Kommt in Kärnten seit Jahrhunderten auf den Teller: die Kasnudel.

Kommt in Kärnten seit Jahrhunderten auf den Teller: die Kasnudel.
© Kärnten Werbung | Franz Gerdl

Grenzenloser Genuss in der Alpe Adria Region

»Mandi« sagt man zur Begrüßung im Friaul. »Komm herein, nimm Platz und iss mit mir.« Der herzliche Willkommensgruß spiegelt nicht nur Gastfreundschaft, sondern auch eine authentische Küche wider.

Beginnen wir mit der Grande Dame und Vorreiterin der Alpe-Adria-Küche, mit Sissy Sonnleitner vom Restaurant »Kellerwand« in Kötschach-Mauthen. Sie prägte den Begriff der »karnischen Aromen« und hob die kulinarischen Gemeinsamkeiten auf das Podium der Aufmerksamkeit. Die Nähe der drei Kulturräume hat auch in der Küche Spuren hinterlassen – nicht zufällig ähneln Kärntner Kasnudeln den italienischen Cjalsòns und den slowenischen Krapi, beziehungsweise ist der Kärntner Reindling in Friaul als Gubana und in Slowenien als Pohača bekannt.

Die Basis ist bei allen ein reicher Germteig und dessen Familiengeheimnis. Denn eigentlich gibt es, außer beim Teig, kein Rezept: Erlaubt ist, was überliefert wurde. Die Fülle macht den Unterschied in den Ländern, den Regionen und dem Anlass entsprechend. Im Friaul ist die Gubana ein reich gefüllter Germteigkuchen, in Triest gibt es noch eine Spielart, die Presnitz, eine Art Strudel mit Nüssen gefüllt, der vor allem zu Ostern ein Muss ist. Der Kärntner Reindling kommt alltags schlicht mit Zimt und Rosinen daher und wird an hohen Festtagen mit reichlich Nüssen und viel Butter zum perfekten Festbegleiter. Hochsaison haben alle mehrmals im Jahr: zu Ostern in Kärnten als einmalig süß-salziges Geschmacksduett mit Schinken, zu den Kirchtagen haben Reindling oder Pohača die noble Aufgabe, die Saure oder Kirchtagssuppe kulinarisch zu veredeln. Die Pohača ist die Südkärntner Machart eines Kärntner Reindlings. Und der Reindling wiederum ein enger Verwandter der italienischen Gubana. Die Gubana ist der Zwilling der Pogača, der slowenischen Schwester der Südkärntner Pohača. Verwirrung? Nein, Alpe Adria. Die klassische Gubana aus den Natisone-Tälern wird mit einer Masse aus Nüssen, Rosinen, Pinienkernen, Zucker und geriebener Zitronenschale gefüllt und ist heute im gesamten Friaul beheimatet. Die Potica ist in Slowenien die Königin, der Festtagskuchen mit einer Vielfalt an Füllungen – von Walnuss- oder Haselnuss- über Estragon- oder Mohn- bis hin zu Topfen – ist sie ein süßer Botschafter der traditionellen Genusskultur. Man sagt, es gäbe 80 Varianten, die man alle probieren sollte. Potica, Reindling, Gubana: viele Namen für ein und dasselbe Gebäck zu ähnlichen Anlässen – typisch Alpe Adria eben.


Die Kärntner Nudel ist ein dünn ausgewalzter Nudelteig, der zu einer bis zu faustgroßen Tasche geformt und mit verschiedenen Zutaten gefüllt wird. Laut dem Landesarchiv in Klagenfurt stammt die erste urkundliche Erwähnung aus dem Jahr 1753 von der Herrschaft Porcia in Spittal an der Drau. Aber schon Jahrhunderte davor war sie als »gefüllte Nudel« die Kost der bäuerlichen Bevölkerung Kärntens.
Wie sie gefüllt wird, ist zwischen den Regionen ebenso eine Glaubensfrage wie die Frage, ob sie gekrendelt oder geradelt verschlossen werden soll. Offen ist auch, ob sie Kasnudel, Topfennudel, Krapfen oder Kärntner Nudel heißt.
Wie auch immer, das Krendeln hat Tradition. Der Spruch »A Dirndl, dås nit krendln kånn, kriagt kan Månn« zeigt die Bedeutung, die einst einem schön geformten Rand zugemessen wurde. Unter den Kräutern für die Fülle sticht die Braune oder Kärntner Nudelminze hervor, die einen ganz typischen Geschmack hat und eigentlich nur für die Kärntner Nudel verwendet wird. Die berühmten Nudeln sind ein Gericht, das sich in seiner Geschichte fast nicht verändert hat und immer begeistert. Das tun auch ihre italienischen Schwestern, die Cjalsòns. Diese Teigtaschen, deren Fülle süß und salzig vereint, sind vor allem in Karnien eine Festtagsspeise. Die Rezepte für die Füllungen sind Familiengeheimnis und schmecken deshalb in jedem Dorf, jedem Haus ein wenig anders. Grundlage ist immer frischer Ricotta, der alle anderen Zutaten verbindet: Wildsalat oder Spinat, Sultaninen, geriebenen Käse, Trockenobst und Gewürze, abgerundet mit geräuchertem Ricotta. Verwandtschaftliche Beziehungen mit Österreich haben auch die Gnocchi di susine, die den Zwetschgenknödel ähneln, im Friaul aber nicht als Dessert, sondern als Primo serviert werden. Und dann gibt es auch in Slowenien kleine gefüllte Teigtaschen, die Idrijski žlikrofi, ein Nationalgericht von besonderem Rang. Und nur das Rezept aus Idrija ist das echte. Die Žlikrofi aus Idrija sind so berühmt, dass ihnen alljährlich ein Fest gewidmet ist und sie als traditionelle Spezialität von der EU geehrt wurden (TSG).
Alle diese nachbarschaftlichen Teigtaschen zeugen von einer bäuerlich-bodenständigen Küche mit langer lokaler Tradition. Zu den Nudel-Verwandten gesellen sich noch das Frico im Friaul, zubereitet mit Montasio-Käse aus den karnischen Alpen und mit Polenta serviert, das wiederum eine Cousine in Kärnten hat: die Frigga, das traditionelle Holzfäller-Omelette aus Kartoffeln, Speck und Käse, oft ganz ohne Eier. Das ist auch bei der slowenischen Variante Frika so, der Käse ist hier ein Tolminc.

Vom Füllen & Schließen

Kärntner Nudeln. Gekrendelt oder geradelt? Gekrendelt wird in Oberkärnten, in Unterkärnten wird geradelt. Nachdem es kein Originalrezept gibt, variiert das Innenleben hinsichtlich Geschmack, Zutaten und Textur von Ort zu Ort. Süß oder salzig, mit Nudelminze oder Kerbel, mit Kletzen (Dörrbirnen)
oder Fleisch, alles ist möglich.
Cjalsòns. In Karnien erzählt man sich, dass vor langer Zeit der Guriut, ein sehr naschhafter Kobold, beim Stehlen von Rahm erwischt wurde. Der Kobold gab der Hausfrau aus Reue das Rezept der Cjalsòns. Die Fülle variiert von Dorf zu Dorf, von Familie zu Familie. Die Zutaten: Mehl, Eier, Äpfel, Kartoffeln, Spinat, Rosinen, Bergminze und Gewürze. Finaler Touch ist der »scuete fumade e l’ont« (mit geräuchertem Ricotta und zerlassener Butter).
Žlikrofi. Sie heißen auch Hütchen der Mätresse, dieser Name kommt von der charakteristischen Hutform, die an den Dreispitz von Napoleon erinnert. Die Füllung ist aus Kartoffeln und Speck. Ganz wichtig ist das Finish mit Bakalca, einem Ragout aus Hammelfleisch und Gemüse.


Alles ist eigentlich eine Frage der Luft. Die ist einer der Gründe, warum im Gail- und Lesachtal sowie auf der anderen Seite der Karawanken in San Daniele und Sauris der Schinkenspeck so besonders gut ist. Diese Luft ist auch Garant dafür, dass an der südlichen Kärntner Grenze zu Slowenien und Italien ein besonderes Luftgeselchtes die Genießer erfreut. Der Gurktaler Luftgeselchte Speck reift in der frischen Bergluft und mit luftigen Grüßen von der nahen Adria. Man kann daher sagen, der Gurktaler Luftgeselchte ist ein echtes Alpe-Adria-Produkt. Diese »Luftmischung« macht sein einzigartiges Aroma aus, Kräuter, Salz, Ruhe, Zeit und die traditionelle Machart tun ihr Übriges. Die Schweine kommen aus Nord- und Mittelitalien, ihr Fleisch wird nicht geräuchert, sondern luftgeselcht, also nur mithilfe der Luft getrocknet. Damit die Qualität so bleibt, haben sich die Speckerzeuger zur ARGE Gurk­taler Luftgeselchter Speck zusammengeschlossen.
Einen solchen Zusammenschluss gibt es auch in San Daniele, das Consorzio Del Prosciutto di San Daniele, das mit einem Brandzeichen in Schinkenform dafür sorgt, dass nur die echten Keulen sich der geschützten Herkunft (DOP) würdig erweisen. Die Luft ist auch für den Prosciutto di San Daniele und seinen kleinen Bruder, den Speck di Sauris, das Thema. Alpen, Adria und die würzig-salzigen Winde machen aus den heimischen Schweinen den perfekten und berühmten San Daniele mit seinem unverwechselbaren Geschmack, den die ganze Welt wegen seiner Exzellenz liebt. Und da ja auch Slowenien nur einen Steinwurf entfernt ist, ist der Pršut hier das Pendant zum italienischen Verwandten. Und wieder sind es die Luft und der Karstwind, die den Geschmack ausmachen. Im slowenischen Karst, der Hochebene zwischen dem Vipava-Tal und dem Meer, weht die richtige Brise für den feinen Schinken, die Burja. Simo Komel, der Schinken-Meister aus Štanjel, erzählt: »Im Karst haben wir die Faustregel, dass ein Kilo frischer Schinken einen Monat Trockenzeit braucht, um perfekt zu sein.« Für den besonderen Geschmack sind auch hier die Meeresluft und der Karstwind mit seinen würzigen Kräuteraromen wichtig. Und so lassen die Elemente Berge, Meer, Luft und Temperatur die Schinkenfamilie zu Botschaftern der Idee Alpe Adria werden.

Erschienen in
Falstaff Spezial Alpe Adria 2019

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Ilse Fischer
Ilse Fischer
Autorin
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