Gold im Schilf

Willi Opitz aus Illmitz im Seewinkel ist im Weinbusiness ein bekennender Einzelgänger. Mit der Entwicklung eines ganz speziellen Dessert­weines, der »Schilfwein« heißt, hat er eine Hommage an seine Heimatregion kreiert.

Willi Opitz ist ein Quereinsteiger im klassischen Sinne. Achtzehn Jahre lang arbeitete der gelernte Ingenieur für Maschinenbau fulltime beim Lebensmittelkonzern Master Foods in der Planung und Entwicklung von Geräten und Anlagen.

Willi Opitz begann als Hobby selbst etwas zu keltern – als Illmitzer lag das Thema Süßwein auf der Hand. Die dunklen Wolken des Wein­skandal-Gewitters von 1985 begannen sich nur sehr langsam zu verziehen, und in dieser Phase war es eine Gruppe ambitionierter junger Winzer, die mit bester Qualität auf die hervorragenden Möglichkeiten für Süßweine im See­winkel aufmerksam machen wollten. Der junge Illmitzer Alois Kracher entschloss sich 1991, seinen gut bezahlten Job in der Pharmaindustrie an den Nagel zu hängen, weil er das Potenzial des edelsüßen Weines erkannt hatte, und übernahm den elterlichen Betrieb. Willi Opitz liebäugelte ebenfalls mit dem Gedanken, aus dem Hobby einen Beruf zu machen, denn ihm war mit dem Jahrgang ein ganz besonderer Coup gelungen. Er hatte eine spezielle Art von Süßwein erfunden, indem er eine traditionelle Verarbeitungsmethode, den Strohwein, verbesserte. Sein Grundgedanke dabei war folgen­der: Will man edelsüße Weine produzieren, dann ist man einerseits auf das Auftreten der klassischen Edelfäule (Botrytis cinerea) ­an­gewiesen, andererseits sollte man über eine ­gewisse Weingartenfläche verfügen.

Strohwein
Für den Strohwein werden völlig gesunde Trauben relativ früh geerntet und in finsteren Scheunen oder Dachböden auf Stroh etwa drei Monate lang getrocknet. Dadurch konzentrieren sich Zucker, Säure und natürlich auch die Mostwerte. Diese Methode bie­tet den Vorteil, dass man einen großen Anteil der geernteten Trauben mit einiger Sicherheit in einen Süßwein verwandeln kann. Leider waren die hygienischen Bedingungen von Stroh und stickigen, schlecht durchlüfteten Dachböden nicht das optimale Umfeld, um wirklich feine Strohweine zu erzeugen – oft blieb ihnen als einziges Attribut die Süße, nicht aber Finesse oder klare, sortentypische Aromatik. 

Der Techniker Opitz hatte nach kurzem Überlegen die Antwort. Blauer-Zweigelt-Trauben auf SchilfmattenUm herauszufinden, ob er mit seiner Idee auch rich­tig lag, setzte er seine neue Verarbeitungsmethode 1989 in die Tat um. Er errichtete einen langen Gemüse-Tunnel, in dem er lange Holzregale mit Fächern aufstellte. Statt der Fachbretter verwendete Opitz meterlange Schilfmatten, auf denen die gesunden Trauben locker aufgebreitet wurden. Im vorne und hinten offenen Tunnel zirkulierte ständig Frischluft, durch die Sonneneinstrahlung war es im Herbst und im Winter warm genug, um die Trauben trocknen zu lassen. Das Schilf förderte im Gegensatz zu einem auf dem Boden liegenden Strohbelag eine gute Durchlüftung, und so präsentierten sich die Trauben nach Ablauf der vorgeschriebenen drei Monate in einem so op­timalen Zustand, dass man sie sogar darüber ­hinaus ruhen lassen konnte.

Heute produziert Opitz Schilfweine aus ­Trauben, die sogar länger als sechs Monate auf ih­rer gemütlichen Schilfhängematte verbracht haben. Als der erfinderische Hobbywinzer seinen »Schilfwein« verkosten ließ, waren auch die Kollegen rasch von diesem Verfahren überzeugt. Das Schilf ist einerseits eines der natürlichen Wahrzeichen rund um den Neusiedler See und eine unverwechselbare Komponente, Korbpresseandererseits ist das Material viel sauberer als Stroh. Da es den Begriff »Schilfwein« aber im Weingesetz nicht gab, nannte Opitz sein Produkt »Schilfmandl« – und das gab es bald in Weiß wie Rot. Von den 300 Litern des allerersten Jahrgangs 1989 war bald nichts mehr übrig, und als sich der Kleinwinzer Opitz – »so gesehen war ich auch einer der Garagenwinzer« – erstmals bei der London Wine Trade Fair beteiligte, hatte er gerade einmal 20 Stifterln Wein mit im Gepäck. Die Tatsache, dass diese Menge nicht annähernd für eine Messe ersten Ranges reichte, erschütterte Opitz wenig. »Ich dachte, das würde ohnehin niemanden interessieren, aber siehe da, die Leute waren echt begeistert.«

Erfolgsweg
Unter den Glücklichen, die ein Gläschen Schilfmandl erwischten, war auch eine junge Weinjournalistin namens Jancis Robinson, die gerade den Auftrag erhalten hatte, für die BBC eine Weinserie zu produzieren, in der die spannendsten Weine der Welt vorgestellt werden sollten. Nur wenige Monate später tauchte das Filmteam auch in Illmitz auf, wo die heute längst zu Weltruhm gekommene Weinspezialistin und »Financial Times«-Kolumnistin einerseits Alois Kracher für die edelsüßen Weine und andererseits den Hobbywinzer Opitz als Erfinder des Schilfweines (»reed wine«) porträtierte. Zahlreiche vorangegangene ermuntern­de Ergebnisse und das zunehmende internationale Interesse ließen 1995, also fünf Jahre nach der Füllung des ersten Schilfweines, den Entschluss reifen, aus der Leidenschaft einen Beruf zu machen. Der önologische Autodidakt wagte den Sprung in die Selbstständigkeit und gründete das Weingut Willi Opitz. Wie bei vielen Süßweinspezialisten führte der Erfolgsweg von Opitz auch über das Ausland, speziell in England sind seine Weine stark platziert, der Exportanteil liegt bei mehr als 60 Prozent der Ernte.

»Opitz One 2005«Opitz One
Aktuell wird der 2005er angeboten – hier die Beschreibung des im »Falstaff-Weinguide« mit stattlichen 97 Punkten bewerteten Weines: Dunkles Bernstein, rote Reflexe, Orangerand. In der Nase kräftige Dörrobstaromen, tabakig unterlegte Feigennote, getrocknete Kräuter, kandierte Orangenschalen, sehr vielschichtiges, facettenreiches Bukett, würzige Nuancen. Komplexer Gaumen mit Noten von Schokolade und gebrannten Nüssen, saftig und gut strukturiert, von einer vitalen Säure getragen, Orangenfrucht, zart nach Nougat und Marzipan, mineralischer Nachhall, vermittelt große Frische, bereits sehr gut antrinkbar.

»Weißer Schilfmandl«
Der Schilfwein vom Muskat-Ottonel trägt den Namen »Weißer Schilfmandl« und ist ein einzigartiges Trinkdessert: Nase nach Rosenblüten, Honig und Zitrus. Im Mund entfalten sich exotische Früchte wie Mango, Litschi und Ananas, die in einem eleganten langen Honig-Zitrus-Finish enden. Mit Weinen wie diesen hat Willi Opitz das Herz vieler prominenter Kunden gewonnen, darunter das McLaren-F1-Team oder Ex-US-­Präsident Bill Clinton. Feinste Ad­ressen wie das noble Harrod’s in London bieten Opitz-Weine an. Bei British Airways dürfen seine edlen Tropfem längst first class fliegen.

von Peter Moser

Weingut Willi opitz
St.-Bartholomäus-Gasse 18 A-7142 Illmitz
T: +43/(0)2175/20 84, F: DW 6
winery@willi-opitz.at
www.willi-opitz.at

Die vollständige Story lesen Sie in Falstaff 05/10