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Glutamat: Was ist dran am schlechten Ruf?

Glutamat wird als Geschmacksverstärker nachgesagt, dass es dick macht, die Nerven beleidigt und generell die Gesundheit gefährdet. Was ist dran am Glutamat und wie sicher ist es?

Glutamat hat keinen rasend guten Ruf. Trotzdem nehmen wir jeden Tag gehörige Portionen davon auf. Auch dann, wenn man die Zutatenliste auf den Lebensmittelverpackungen penibel studiert und nicht nur alle Produkte mit den Nummern E 620 bis E 625 auslässt, sondern auch auf jene mit glutamathaltigen Zutaten wie Hefeextrakten, hydroliertem Protein oder Sojaextrakt verzichtet. Warum ist das so? Und ist das okay?

Auch der Körper bildet Glutamat

Glutamat, das Salz der Glutaminsäure, ist ein Eiweißbaustein, eine Aminosäure. Die am häufigsten vorkommende noch dazu. »Etwas mehr als ein Drittel der täglichen Eiweißaufnahme macht Glutamat aus«, weiß Eva Derndorfer, selbstständige Ernährungswissenschaftlerin und Expertin für Sensorik. Und es kommt nicht nur natürlich in Nahrungsmitteln vor, sondern auch im menschlichen Organismus. »Etwa 1,6 kg Glutamat trägt eine 70 kg schwere Person in sich«, so Derndorfer. Davon ist einiges der Eigenproduktion zuzuschreiben. Denn Glutaminsäure ist keine essenzielle Aminosäure, wir müssen sie nicht zwingend zuführen, der Körper bildet sie auch selbst. Schließlich übernimmt der Eiweißbaustein wichtige Funktionen, etwa bei der Übermittlung, Speicherung und Verarbeitung von Informationen im Gehirn. Es handelt sich um einen wesentlichen Nervenbotenstoff. Neben dem Gehirn enthalten zudem die Nieren und die Leber hohe Mengen. Auch die Muttermilch enthält Glutamat. In ihr findet man ungefähr zehn Mal so viel wie in Kuhmilch. Das ist auch gut so. Denn Glutamat schmeckt nicht nur, es scheint auch das Belohnungszentrum im Gehirn zu stimulieren. Ebenso wie das bei Süßem der Fall ist. »Doppelt hält besser«, ist wohl die Strategie der Evolution.

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Der fünfte Geschmack: Umami

Am Gaumen sorgt Glutamat für die fünfte Grundgeschmacksrichtung: umami. Das kommt aus dem Japanischen und kann mit »köstlich«, »fleischartig«, »bouillonartig« beschrieben werden.  Am besten aber erkennt man umami dann, wenn es nicht vorhanden ist. Dann schmeckt das Essen nach nichts, fad und uninteressant.

Ganz oben auf der Liste der Lebensmittel mit dem meisten freien Glutamat steht roher Seetang. Traditionell frei von Algen, aber dennoch als köstlich etabliert ist die italienische Küche. »Machen Sie eine Pizza mit Tomaten, Pilzen und Schinken und reiben Sie ordentlich Parmesan darüber – dann haben Sie einen wahren Glutamat-Cocktail, und das Wasser läuft Ihnen im Mund zusammen«, sagt Andreas Kadi von SRA Consult. Dass die italienische Küche so gut schmeckt, liegt eben wahrscheinlich auch am massenhaften Vorkommen von Glutamat. Denn unter den Gemüsen zählen reife Tomaten, Erbsen, Spargel, Linsen, Spinat, Kohl und Kartoffeln zu den Spitzenreitern. Auch Pilze liegen in der Top-Liga. Wesentlich für den Geschmack ist, dass Glutamat ungebunden vorliegt. Das ist bei den genannten Lebensmitteln der Fall, ebenso wie bei Fisch oder Mais. Andere wiederum enthalten peptid­gebundenes Glutamat. Das bedeutet, es braucht Abbauprozesse, die sich dann auch sensorisch bemerkbar machen.  Das gilt insbesondere für Käse. Denn Kuhmilch enthält kaum freies, aber relevante Mengen gebundenes Glutamat. Zwar kann der Gehalt durch die Aktivität von Mikroorganismen wieder sinken, aber grundsätzlich gilt: je älter, desto mehr Glutamat – und desto mehr umami. »Einen Monat alter Cheddar hat etwa 22 mg freies Glutamat pro 100 g Käse, ein acht Monate gereifter 182 mg«, zählt Derndorfer auf. Schinken kommt übrigens auf gut 340 mg, Parmesan auf 1200 mg freies Glutamat pro 100 g.

Immer wieder in der Diskussion

Viele Stoffe kommen in der Natur vor und sind gleichzeitig – wie Glutamat – als Zusatzstoff zugelassen. Ein berühmtes Beispiel dafür ist etwa auch das Antioxidans Ascorbinsäure, besser bekannt als Vitamin C. Als Zusatzstoff kann der jeweilige Stoff in höheren Dosen und in einer anderen Lebensmittelmatrix als von der Natur vorgesehen zum Einsatz kommen. Daher kann es potenziell auch zu anderen Effekten kommen. Wie alle vor 2009 in der EU bereits zugelassenen Zusatzstoffe wurde auch Glutamat von der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) erneut genau unter die Lupe genommen. Bei dieser neuerlichen Risikobewertung wurde die Sicherheit der Lebensmittelzusatzstoffe bestätigt, und es wurden keine großen gesundheitlichen Bedenken, wie etwa Gentoxizität oder Krebsentstehung, erfasst. Allerdings hat die EFSA festgestellt, dass manche Konsumenten mitunter Dosen erreichen, die mit ungünstigen Effekten wie Kopfschmerzen oder Blutdruckanstieg verbunden sein können. Welchen Lebensmitteln wird also am häufigsten Glutamat zugesetzt? Das sind Instantnudeln, Trockensuppen und -brühen, Mais- und Kartoffelsnacks. Die Europäische Kommission will nun die Verwendungsmengen von Glutamat und die technologische Notwendigkeit generell erneut erfassen und überlegt, anhand der aktualisierten Daten die maximal erlaubten Konzentrationen für einzelne Lebensmittelgruppen zu adaptieren.


Erschienen in
Falstaff Nr. 06/2019

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Marlies Gruber
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