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Ginial: Best of Gin aus Österreich

Noch vor 20 Jahren waren Gin-Brenner in Österreich so selten wie Palmen im Hochgebirge. Inzwischen ist ein wahrer Gin-Hype ausgebrochen.

Wie viel Gin aus Österreich gibt es auf dem Markt? Stellt man diese Frage einigen Passanten, bekommt man meist eine Schätzung zwischen 10 und 20, doch das ist weit gefehlt. Recherchen haben ergeben, dass es in Österreich derzeit rund 130 verschiedene Hersteller von Gin geben muss, wobei auch diese Zahl noch nichts über die Gesamtmenge an Gin-Produkten aussagt. Bedenkt man, dass viele Hersteller mehrere Ginsorten in ihrem Programm haben, so ist die Zahl der einzelnen Varianten um einiges höher.
Gin gibt es in allen Bundesländern, die Herangehensweisen an das Produkt sind vielfältig, kreativ und voller Innovationskraft. Doch kurz zurück zum Beginn des Hypes. Noch Ende der 1990er-Jahre war man als österreichischer Gin-Brenner ein Exot.

Einer der Vorreiter für Wacholderspirituosen war wieder einmal Hans Reisetbauer, der sich auch unter den ersten Whisky-Brennern des Landes findet. Sein Blue Gin ist geschmacklich klassisch angelegt, denn Reisetbauers Ziel war es nicht, primär nur die heimische Gastroszene zu beliefern. Und so zählt er heute zu den international ausgerichteten Marken, die auch auf dem amerikanischen Markt anzutreffen sind.

Pionier Hans Reisetbauer: einer der ersten Gin-Brenner in Österreich.
© Helge Kirchberger Photography
Pionier Hans Reisetbauer: einer der ersten Gin-Brenner in Österreich.

Etwas kleiner, aber ebenso lange ist Hermann Rogner mit seinen Ginversionen Nord-Süd und W4 vertreten. Er erfuhr internationale Anerkennung, als er beauftragt wurde, eigens zum 90. Geburtstag von Queen Elizabeth II. ein Rezept zu entwickeln. Der »Gin for the Queen« wurde sogar vom britischen Botschafter als Geburtstagsgeschenk für Ihre Majestät in Empfang genommen.
Und auch Josef Farthofers Gin der O-Serie, die aus Wodka, Rum und Gin besteht, hat schon lange einen Fixplatz unter den Austro-Spirits, ebenso wie der Gin Alpin des Guglhofs aus Hallein.

Verstärkt kommen seit etwa 2010 jedes Jahr viele Abfüllungen hinzu, die teils von alteingesessenen Brennern, teils von einer jungen Brennergeneration entwickelt wurden. Ein neues Phänomen ist seit ungefähr zwei Jahren zu beobachten: Immer mehr Quereinsteiger, die teils als Gastronomen ein eigenes Produkt anbieten wollen, teils aus Interesse am Thema den Schritt in die Produktion getan haben, wagen sich auf den Gin-Markt.
Die meisten der Hersteller haben eine konkrete Story zu ihrem Produkt zu erzählen, wie etwa Richard Dietrich mit der Herstellungsgeschichte seines Nr. 10 oder Andre Christon von der ältesten privaten Schnapsbrennerei Österreichs. Histörchen, die die Gin-Hersteller gern bei diversen Märkten und Messen erzählen, während der jeweilige Gin zur Verkostung bereitsteht. Das Interesse der Kundschaft ist enorm, was nicht zuletzt die Tatsache zeigt, dass im Frühjahr 2018 das Vienna Gin Festival seine erste Ausgabe ausverkauft über die Bühne gebracht hat.

Hermann Rogner, Destillerie Rogner: Brenner mit Erfahrung.
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Hermann Rogner, Destillerie Rogner: Brenner mit Erfahrung.

Auch das im Herbst zum dritten Mal stattfindende Vienna Rum Festival wird wie im vorigen Jahr einen eigenen Gin Market mit vielen österreichischen Teilnehmern haben. Zudem findet sich in vielen Bars und Restaurants, die Gin im Fokus haben, oftmals eine beeindruckende Anzahl an heimischen Abfüllungen. Eine richtige Gin-Region kristallisiert sich in Österreich eigentlich nicht heraus. Von Salzburg über Ober- und Niederösterreich bis ins Burgenland sind rund die Hälfte der Brennereien zu finden, im Burgenland und in der Steiermark noch mal um die dreißig Betriebe. Aber auch Vorarlberg lässt mit wenigstens acht Gin-Produzenten aufhorchen.
Regionalität ist bei vielen Produzenten in Bezug auf die Entwicklung ihres Rezeptes und die Auswahl der Botanicals enorm wichtig, was sich manchmal schon am Namen ableiten lässt. Wien Gin ist hier natürlich geradezu plakativ, aber auch bei der Namenskreation Stin kommt man leicht auf das Herkunftsbundesland der Marke. Beim 5020 London Dry Gin muss man schon das Postleitzahl-System Österreichs im Kopf haben, um den Salzburg­-Bezug wahrzunehmen. Auch weniger verklausuliert kommen diese Bezeichnungen vor, wie zum Beispiel Sammerhofs Traunstein Gin, allerdings lassen sie keinen Rückschluss auf die Herstellungsweise der Ginsorten zu – anders als bei der Bezeichnung London Dry, die einen bestimmten Stil beschreibt, der in Österreich regelmäßig vorkommt. Hersteller wie Harald Keckeis oder die Steinhorn Bros. möchten damit meist ausdrücken, dass sie die strengeren Kriterien des LDG als Maßstab ihrer Arbeit heranziehen.
Andere verwenden die Bezeichnung Classic, um innerhalb des Portfolios auf ein traditionelles Vorbild zu verweisen, wie etwa Wiesers Uuahouua Classic oder der 1542 Old Classic des Hödl Hofs.

Der Gin von Markus Wieser kommt aus der Wachau.
Foto beigestellt
Der Gin von Markus Wieser kommt aus der Wachau.

Die Freiheit in der Zusammenstellung der Aromatisierungskomponenten, die in den Regularien zur Herstellung ja schier unendlich ist, wird in Österreich voll ausgelebt. Dabei sind die Anzahl und die Beschaffenheit der pflanzlichen Rohstoffe höchst unterschiedlich. Viele Rezepte erzählen auch ein Stück weit von den Erfahrungen, den Werten und den persönlichen Anliegen der Produzenten. Gin Bien verwendet Honig und Wachs, Entrepreneur Rick verwendet für seine verschiedenen Abfüllungen internationale Zutaten, die er auf zahlreichen Reisen kennengelernt hat.
Zeitweise erlangt man den Eindruck, dass die Anzahl der Botanicals pro Rezept immer weiter steigt, Hansi Schneeberger verwendet nicht weniger als 27 Pflanzen. Der junge David Gölles hingegen hat sein Rezept für Hands On Gin bewusst auf fünf Botanicals reduziert.
Ebenso vielfältig ist die Auswahl der Basisalkohole. Getreide macht hier, wie auch international, das Gros aus, allerdings sind auch Kartoffeln (Kartoff Gin), Apfel­trester (Kaiser Gin) und sogar Zuckerrohrmelasse (Hands On Gin) zu finden.

Wo man Ö-Gin kaufen kann

Die Verfügbarkeit österreichischer Ginsorten ist schon recht gut, vor allem, wenn man sich bei Getränkefachhändlern erkundigt, die durchaus gerne heimischen Gin listen, wenn sie eine entsprechende Menge davon bekommen können. Manche Brenner haben es allerdings etwas schwerer, da sie vom Gesetz her nur direkt vermarkten dürfen und dadurch der Weiterverkauf nicht möglich ist.
Andere Betriebe haben das Problem, dass ihre Gesamtproduktionsmenge eingeschränkt ist und somit nicht nach Belieben große Mengen hergestellt werden können, vor allem, da die Brenner meist auch noch andere Produkte im Programm haben. Alles in allem findet man Gin oft bei diversen Märkten im ganzen Land, wo Brenner oder regionale Händler einen Stand betreiben, sonst kann man bei den meisten Herstellern problemlos direkt bestellen. Austro-Gin probieren kann man bei Verkostungsabenden, die in der Gastronomie oder von Anbietern professioneller Verkostungen veranstaltet werden. Bars und Restaurants freuen sich über immer neue Abfüllungen, um ihren Gästen einen perfekten Austro-Gin- & Tonic anbieten zu können. Apropos Tonic: Rund ein halbes Dutzend Tonic-Marken aus heimischer Produktion ist inzwischen zu haben, wie etwa Organics Tonic (Red Bull), das Vorarlberger Franz von Durst Tonic, Sens, Stonic (NÖ) oder Lobsters aus Salzburg.

Erschienen in
Gin Special 2018

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Erhard Ruthner
Erhard Ruthner
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