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Gin: Die verschiedenen Arten und Stile

Gin ist nicht gleich Gin. Die bekannteste Gin-Art ist der London (Dry) Gin. Es gibt aber noch andere Arten und Stile wie etwa Aged Gin, Gin Rosé und Sloe Gin. Eine Übersicht.

Die Grundregel ist einfach: Alle Ginsorten müssen aus einem destillierten Basis­alkohol bestehen, der mit Wacholder und anderen pflanzlichen Rohstoffen – im Fachjargon als Botanicals bezeichnet – aromatisiert wird. Dabei wird als Beschreibung dieser Basis der Begriff »Ethylalkohol aus landwirtschaftlichen Produkten« verwendet, hinter dem sich die Aussage verbirgt, dass jede Art von Basis (Getreide, Früchte, Kartoffeln etc.) verwendet werden kann.
Tatsächlich wird für die meisten Gin­sorten Getreidealkohol verwendet, doch es gibt auch Alternativen wie etwa Wein (G’vine), Äpfel (Kaiser Gin) oder sogar Zuckerrohr (Gölles Hands On).
Für die Aromatisierung ist Wacholder als einzige Pflanze absolute Pflicht, im Lebensmittelbuch wird ausdrücklich Juniperus communis (Gemeiner Wacholder) erwähnt, obwohl es um die 50 weitere Arten gibt. Alle anderen Botanicals können in der Art und Anzahl völlig frei gewählt werden. Auffallend ist, dass traditionelle Rezepte meist mit wenigen Zutaten auskommen: Der berühmte Beefeater London Dry Gin etwa hat nur neun Botanicals.
Moderne Varianten warten meist mit deutlich mehr auf, teils ist die Anzahl aus dem Markennamen ersichtlich, wie etwa beim Monkey 47. Grundsätzlich ist kein Hersteller verpflichtet anzugeben, wie viele oder welche Pflanzen in seinem Gin Verwendung finden. Viele tun es dennoch, da die Wahl und Zusammenstellung oft zu den entscheidenden Merkmalen des jeweiligen Gins gehören.

Die drei wichtigsten Ginstile

Wie eingangs erwähnt, ist der Begriff Gin sehr weit gefasst. Der Gesetzgeber verlangt lediglich, dass der Wacholder bei einem Mindestalkoholgehalt von 37,5 Vol.-% (in den USA 40 Vol.-%) geschmacklich vorherrschend bleiben muss.
Alle anderen Unterscheidungen beziehen sich vor allem auf die Herstellung. Die erste Form ist »Gin«, auch als »Cold Compound Gin« bezeichnet. Danach werden die Pflanzen in Alkohol ausgelaugt, die soliden Teile anschließend herausgefiltert und das Produkt in Trinkstärke abgefüllt – fertig!
»Distilled Gin« hat einen Produktionsschritt mehr, der eingehalten werden muss. Die Pflanzenauszüge werden noch einmal destilliert, wodurch eine Konzentration der Geschmäcker erreicht wird. Anschließend dürfen weitere Aromatisierungen erfolgen, um den Gin zu perfektionieren. Hendrick’s Gin etwa bringt sein Produkt mit Hilfe von Rosen- und Gurkenwasser auf Trinkstärke. Auch Ginsorten, die in der Flasche eine Farbe aufweisen, sind sicher nach der Destillation behandelt worden.
Der bekannteste Ginstil überhaupt ist »London (Dry) Gin«. Hier werden höhere Anforderungen an die Produktion gestellt. Er tauchte nach 1830 in London auf, darf aber überall auf der Welt produziert werden. Zunächst ist festzuhalten, dass er re­destilliert werden muss, wobei der Basis­alkohol von hoher Qualität sein muss. Das Destillat muss mindestens 70 Vol.-% Alkohol aufweisen, nach der Destillation ist eine weitere Aromatisierung nicht zulässig, also wird nur mit Wasser die Trinkstärke eingestellt.
Interessanterweise kommt das Wort »Dry«, das sehr oft auf Gin-Etiketten zu lesen ist, in keiner Definition vor. Allerdings soll es auf Ginsorten hinweisen, die sehr wenig oder gar nicht gesüßt sind.

Alte und neue Ginstile

Der Begriff »Old Tom Gin« entzieht sich einer genauen Definition. Dieser immer gesüßte Stil wurde fast vollständig von anderen Gin-Arten verdrängt, ehe in den 2000er-Jahren die Nachfrage im Zuge der Rückbesinnung auf alte Drinks anstieg. Daher haben einige – meist englische – Produzenten wie Hayman’s oder Tanqueray einen Old Tom im Programm, der oft nach alten Rezepten gemacht und leicht gesüßt wird. 2008 erhielt »Plymouth Gin« eine Anerkennung der EU als geografisch geschützter Gin. Eigentlich skurril, da »Plymouth Gin« seit Langem von der Black Friars Distillery als geschützte Marke eingetragen ist. Nach dieser Regelung darf er nur in der englischen Stadt Plymouth erzeugt werden, muss vorwiegend nach Wacholder schmecken und einen Minimumgehalt von 37,5 Vol.-% aufweisen – technisch gesehen also ein Distilled Gin.
Mit der zunehmenden Anzahl von Ginsorten, die sich teils deutlich von den klassischen Geschmäckern unterscheiden, wurde versucht, dieser Entwicklung mit neuen Begriffen Rechnung zu tragen.
Der Begriff »New Western Dry Gin« wird dem Amerikaner Ryan Magarian zugeschrieben und wurde Anfang der 2000er-Jahre geprägt. Er soll Gin-Arten zusammenfassen, die nicht in erster Linie den Wacholdergeschmack verfolgen, sondern andere, oft regionale Eigenheiten in den Vordergrund rücken.
Eine zwingende Bezeichnung ist er definitiv nicht, ebenso sind Termini wie »Mediterranean Gin« oder »New Style Gin« nur dazu geeignet herauszustreichen, dass die Grenze der klassischen Ginsorten immer weiter verschoben werden.
Beliebt sind auch geografische Bezeichnungen, wie Munich, Schwarzwald oder Waldviertel. Diese geben zwar einen Hinweis auf die Herkunft der Hersteller, haben aber mit der Produktionsweise oder gar dem zu erwartenden Geschmack absolut nichts zu tun.

Aged Gin, Gin Rosé und Sloe Gin

Eine Entwicklung, die eine enorme Erweiterung der Ginlandschaft sein könnte, stellen die Versuche dar, Gin in Holzfässern reifen zu lassen. Wie bei anderen Spirituosenkategorien werden mit dem Holz ganz eigene Geschmäcker zugefügt, die sonst nicht erreicht werden könnten. Die große Herausforderung für den Hersteller ist es, trotz des Holzeinsatzes das Wesen des Gins zu erhalten. Meist spricht man hier von »Aged Gin«, oder es prangen Begriffe wie »Cask rested«, oder »Reserve« auf den Etiketten.
»Gin Rosé«, der manchmal auch als »Pink Gin« bezeichnet wird, ist die neueste Entwicklung, die erst seit kurzer Zeit verstärkt wahrnehmbar ist. Es handelt sich um Abfüllungen, die oft stark mit Beerenfrüchten (Erdbeere, Himbeere) aromatisiert werden und daher süßlich wirken und eine rosa Farbe aufweisen. Eine genaue Definition fehlt bislang. Als Basis von sommerlichen und trendigen Spritz-Cocktail-Varianten, die mit Soda oder Tonic aufgegossen werden, erfreuen sie sich jedenfalls zunehmender Beliebtheit.
»Sloe Gin« ist hingegen ein Klassiker, der bei vielen Herstellern eine regelrechte Wiederauferstehung feiert. Der Gin wird hier mit Schlehen und anderen Zutaten aromatisiert, mit circa 20 bis 35 Vol.-% abgefüllt und als fruchtig-süßliche Likörvariante verwendet. Auch das kann Gin sein.

Erschienen in
Gin Special 2018

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Erhard Ruthner
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