Der moderne Weinkeller heute: eine Symbiose aus Weinbereitung und durchdesignter Architektur.

Der moderne Weinkeller heute: eine Symbiose aus Weinbereitung und durchdesignter Architektur.
© Gerard Uferas

Geschichte des Weinmachens: Qualitativer Quantensprung

Ein Querschnitt durch die Höhen und Tiefen des Österreichischen Weinbaus. Inklusive der besten Weine aus Österreich.

Zwanzig Weißweine, die exemplarisch für die Zukunft des heimischen Weins stehen, wurden in der allerersten Falstaff-Ausgabe im Herbst 1980 präsentiert. Die Liste lässt uns staunen. Denn auch 35 Jahre später zählen die präsentierten, noch existierenden Betriebe zu den allerbesten Weißweinerzeugern des Landes: aus der Wachau Jamek, Nikolaihof, WG Wachau, Prager, aus Krems Salomon, aus dem Kamptal Bründlmayer und Hiedler, das Freigut Thallern, die Malteser aus Mailberg, der Pfarrplatz-Mayer aus Wien, Kollwentz, und Klosterkeller Siegendorf aus dem Burgenland, E. & M. Müller aus der Steiermark. Der Erfolg der Rotweine sollte erst einige Zeit später einsetzen.

Der Doyen und Vater der trockenen Linie: Josef Jamek aus Joching.
Foto beigestellt
Der Doyen und Vater der trockenen Linie: Josef Jamek aus Joching.

Von der ersten Falstaff-Ausgabe an wurde den Lesern das Postulat nach trockenen Weißweinen aus Österreich wie ein Mantra vorgebetet. Harmonische, perfekt balancierte Weißweine, die im Idealfall weniger als vier Gramm Restzucker aufweisen, war die Parole der Qualitätswinzer. Wie die Ergebnisse der Bundesweinmessen aus den 1980er-Jahren zeigen, war die Praxis des Aufzuckerns, die man als »Verbesserung« betrachtete, gang und gäbe. Und das führte in der Regel auch zu hohen Alkoholwerten. Falstaff-Gründer Helmut Romé prangerte das mit deutlichen Worten an – und damals verstand man unter hohem Alkohol schon alles, was mehr als 13 Prozent erreichte. Bei den Grünen Veltlinern aus 1979 erreichten die »Alkoholbomben« mit 9,4 Prozent der Einreichungen einen laut Falstaff »erschütternden« Anteil. In der Falstaff-Liste der zwanzig zukunftsweisenden Weißweine war der leichteste übrigens ein Welschriesling aus Donnerskirchen mit ganzen 9,5 Prozent ­Alkohol, an dem die Redaktion lediglich der Name am Etikett störte: Autofahrerwein, ­extrem leicht – kalorienarm.

Leicht ist gefragt

Der Gedanke, die besonders leichten und bekömmlichen Weißweine zu bewerben, stammte also nicht erst aus der Zeit nach dem Weinskandal. Die Vinea Wachau hatte ihre Leichtweinmarke »Steinfeder« bereits im Jahr 1983 aus der Taufe gehoben und damit große Erfolge gefeiert. Der heute weltweit gefragte »Smaragd« kam erst mit dem Jahrgang 1987 auf den Markt, »Federspiel« im Jahr danach. Der große Erfolg dieser ­Wachauer Weinkategorien fand natürlich Nachahmer, was zugleich auch zu einem verstärkten Absatz der Weißweine in der Bouteille führte.

Für Kenner

Vor 1990 war es eine Seltenheit, dass jemand bei einem Heurigen eine Flasche bestellt hätte, dafür brauchte es schon einen besonderen Anlass. Als ab dem Jahrgang 1990 die reinsortigen Spitzenweine, vor allem der Riesling, bei Blindproben Erfolg nach Erfolg einfuhren, schauten die Kenner etwas genauer aufs Etikett. Ein Schütt vom Knoll, ein Kellerberg vom F. X. Pichler oder ein Singerriedel vom Hirtzberger musste es sein. Und als beim Heurigen Pichler – ja, auch wenn es jüngere Zeitgenossen vielleicht kaum glauben können, der F. X. hatte einen Heurigen – Anfang der 1990er für den hoch­prämierten Riesling Smaragd Kellerberg ein Preis von 100 Schilling auf der Weinkarte stand, wurde der Winzer von so einigen ­Gästen für größenwahnsinnig gehalten. Die echten Weinkenner haben nur geschmunzelt – und bestellt.

Albert Gesellmann ist Fixstern am Rotweinhimmel
Foto beigestellt
Albert Gesellmann ist Fixstern am Rotweinhimmel

Vom Rötele zum Rotwein

Die zweite Falstaff-Ausgabe: Eine Bestandsaufnahme der heimischen Rotweinszene erscheint, und erstmals werden die »Preise für österreichische Rotweinkultur« verliehen. Die Verkostung von Kreszenzen aus den Jahrgängen 1973 bis 1979 ergab kein allzu rosiges Bild. Das Panel, in dem Importeure von Bordeaux-Weinen wie Bruno Gottardi und Wolfgang Petzl (Vinothek St. Stephan), aber auch Hans Haushofer (Direktor der HLA für Weinbau in Klosterneuburg) saßen, war sich in dem Punkt einig, dass auch bei den Rotweinen die Zukunft den trocken ­ausgebauten gehört. Prämiert wurden ausschließlich Rotweine bis zu einer Obergrenze von vier Gramm Restzucker – das wird bis heute so gehandhabt.

»Die edelsten und reifsten Produkte«

Damals war es üblich, die bescheidenen und extraktarmen Körper mit Restzucker zu schmücken, um recht gut eckige Tannine und Gerbstoffe dahinter verstecken zu können. Erboste Leserbriefe trafen in der Redaktion ein. Falstaff habe »die edelsten und reifsten Produkte österreichischer Rotweinproduktion diskriminiert«. Darüber kann man heute lächeln. Ein anderer Diskussionspunkt der frühen Jahre auf dem Weg zur »Roten Revolution« wog schwerer: Das Reizthema Nummer eins war der biologische Säureabbau. In den 1970ern wurden Rotweine in Österreich, um sie jung konsumfähig zu machen, bereits im Moststadium entsäuert. Das Ergebnis: eine unangenehme, unbalancierte Apfelsäure im Vordergrund und eine »kleine Restsüße«. Auch ­maischeerhitzte und pasteurisierte Rotweine waren keine Seltenheit.

Die roten Weißen

Die »Rotweine« wurden wie Weißweine behandelt, waren also im Grunde rotfärbige Weine, denen Geschmack und Körper fehlten. Daher sprachen sich die Importeure für den biologischen Säureabbau aus, wie er beispielsweise in Bordeaux beste Ergebnisse und langlebige, charaktervolle Rotweine ergibt. In Klosterneuburg wurde der biologische Säureabbau zwar in der Theorie gelehrt, aber empfohlen wurde er keineswegs. HLA Weinbaudirektor Hans Haushofer vertrat die Meinung, dass der biologische Säureabbau selten reintönig gelänge und geschmacksfremde Komponenten entstehen ließe. Außerdem setze der Prozess Histamine frei, und solche Weine wären daher weniger bekömmlich.

Anton Kollwentz: einer der Qualitätspioniere des Burgenlandes.
Foto beigestellt
Anton Kollwentz: einer der Qualitätspioniere des Burgenlandes.

»Barrique ist ein Weinfehler«

Im Jahrgang 1985 wurden schon so viele Weine in kleinem Holz ausgebaut, dass bei der Falstaff-Prämierung eine eigene Gruppe eingerichtet und ein Barrique-Sieger gekürt wurde – der Blaufränkisch des Klosterkellers der Barmherzigen Brüder, vinifiziert von Rudi Krizan. In der Jugend wiesen viele der frühen Barrique-Weine sehr intensive Holzröstnoten auf, auch die Verwendung der Limousin-Eiche, die in Frankreich üblicherweise für den Ausbau von Cognac Verwendung findet, verstärkte den Eichenton. Bei der Prüfnummer flogen anfänglich viele dieser Weine raus. »Barrique ist ein Wein­fehler«, sagten Vertreter der alten Schule. Die Barrique-Pioniere fanden aber Rückhalt bei den Konsumenten und teilweise in der Gastronomie.

Das kleine Fass ganz groß

Im Jahr 1983 ging die Diskussion wieder in Richtung Säureabbau. Man erkannte in einer austrofizierten Form der Verbindung von der Reife im Barrique und später in der Flasche einen neuen Weg, die Komplexität und Ausdruckskraft der heimischen Rotweine zu erhöhen, ohne dabei den originären Herkunftscharakter zu verwischen. Es gab auf diesem Weg bereits erste Anfangserfolge zu verzeichnen: Ein im Barrique aus Limousin-Eiche ausgebauter St. Laurent 1981 von Gerald Malat belegte in der Gruppe der ­reiferen Jahrgänge den ersten Platz. Und schon ging die Debatte munter los. Das Schlossweingut Mailberg baute bereits Pinot Noir und Zweigelt Reserve im Limousin-­Barrique aus, 1978 wurde der erste Merlot abgefüllt, Anton Kollwentz wurde mit den Cabernet Sauvignon 1983 und 1984 Falstaff-Sieger. Der Malteser Merlot 1983 reifte ebenfalls bereits im Barrique heran.

Josef Pöckl (1951 –2011) setzte auf große Rotweine nach Bordelaiser Zuschnitt.
Foto beigestellt
Josef Pöckl (1951 –2011) setzte auf große Rotweine nach Bordelaiser Zuschnitt.

Die Stunde der Cuvée

Das kellertechnische Know-how wuchs mit jedem Jahr der Praxis. Der im kleinen Fass ausgebaute Blaufränkisch 1986 aus der Lage Mariental von Ernst Triebaumer ist der Beweis, dass diese Technik mitnichten ein Fehler war. 1986 wurden Cabernet Sauvignon und Merlot als Qualitätsweinrebsorten zugelassen, und es wurde sofort fleißig ausgesetzt. Bis zum Jahrgang 1993 war durchgängig ein in Barrique ausgebauter Cabernet Sauvignon Sieger der Falstaff-Prämierung, ab dem Jahrgang 1995 prägten neben den sortenreinen Spitzenweinen die Prestige-Cuvées der Rotweinerzeuger die Weinkarten. Namen wie Bela Rex, Admiral, Steinzeiler, Perwolff oder Pannobile machten die Runde.

Lernerfolge

Mit 1997, 1999 und 2000 gab es drei exzellente Jahrgänge für Rotwein, die manche Winzer verleiteten, es mit dem Einsatz von neuem Holz so richtig auf die Spitze zu treiben. Bei vielen Weinen fragten sich die Konsumenten, ob diese jemals diese mächtige Ladung Holz verdauen würden. Es konnten nicht alle. Im folgenden Jahrzehnt hat sich auch dieses Problem gelöst, heute geht der Trend eher weg vom präsenten Holz, der gefühlvolle Umgang mit dem Barrique ist gelernt. Auch für den Ausbau kraftvoller Weiß­weine im Barrique war und ist der biologische Säureabbau ein Muss. Hier ebnete eine Modeerscheinung der modernen Vinifikation den Weg. Viele der jungen Kellermeister hatten Praxiszeiten in Übersee durchlaufen, konnten den Kellermeistern in Australien, Südafrika und Kalifornien auf die Finger schauen.

Viel Neues in den 90ern

Es war die Zeit der »Chardonnitis«. Ein Weißweinstil mit auffälligen Röstaromen kam international in Mode, cremig sollten diese Weine sein, man sprach von buttrigen Noten. Anfang der 1990er-Jahre waren solche Weine auch in Österreich zu finden. Es war eine Zeit, in der die österreichischen Weinfreunde entdeckten, dass auch südlich des Semmerings, in der Steiermark, Weinbau betrieben wird. Und dort legte sich eine Gruppe junger, experimentierfreudiger Winzer mächtig in die Riemen.

Sepp Muster aus der Südsteiermark: wohl der bekannteste Natural-Wine-Macher des Landes.
Foto beigestellt
Sepp Muster aus der Südsteiermark: wohl der bekannteste Natural-Wine-Macher des Landes.

Vorbilder Burgund und Wachau

Mit dem Morillon hatte man in der ­Chardonnay-Welle ein As in der Hand, bald erkannte man auch das Potenzial des Sauvignon Blanc, der lange genug als Muskat-­Sylvaner einen Winterschlaf gehalten hatte. Mit dem Vorbild Burgund und Loire vor Augen entstanden stimmige Weine, und es wiederholte sich, was ein Jahrzehnt zuvor in der Wachau begonnen hatte. Ein spezieller Lagenwein und der Name des Weinguts bildeten eine für das Publikum leicht zu erinnernde Einheit. So stehen seither Zieregg für Tement, Nußberg für Gross, »HG« (i. e. Hochgrassnitzberg) für Polz oder Kranachberg für Sattler.
Unter der Ägide des frankophilen Willi Bründlmayer hat auch Niederösterreich respektable sortenreine Weißweine entwickelt, neues Holz für Chardonnay und Grauburgunder wurde bald auch vom Konsumenten akzeptiert, weniger Anklang fanden hingegen die Versuche mit Grünem Veltliner und schon gar nicht mit Riesling.

Die Väter des »Weinwunders«

Heute ist der Gedanke der sortenreinen Lagenweine so weit entwickelt wie nie zuvor, in mehreren Regionen wird die Idee einer zukünftigen Klassifikation der einzelnen Lagen nach der Güte ihrer Weine mit Akribie vorbereitet.
Retrospektiv gesehen hat das so genannte »österreichische Weinwunder« viele Väter. Manche davon machten nicht nur großartige Weine sondern zogen auch als eine Art Botschafter in die Welt, um die Weine der Alpenrepublik bekannt zu machen. Dazu gehörte fraglos der 2007 verstorbene Süßweinstar Luis Kracher. Im Lande selbst waren es mitunter Persönlichkeiten wie der »Weinpfarrer« Hans Denk, der vor allem die Wachauer Weine promotete.

Die Grüne Zukunft

Längst hat auch der Aspekt des nachhaltigen Wirtschaftens den Weinbau erreicht, und Österreichs Winzer gehören auch in Sachen biologischer Bewirtschaftung der Weingärten zur Weltspitze. Die Zahl der zertifizierten ­Bio-Winzer steigt jedes Jahr weiter an, das Ausmaß der biologisch bewirtschafteten Weinberge hat heute bereits zehn Prozent erreicht, aber da ist noch viel Luft nach oben. Auch jene Weingüter, die entsprechend den bio-dynamischen Grundsätzen nach Rudolf Steiner arbeiten, werden jährlich mehr. Einer der Vorreiter dieses Genre war Bernhard Ott aus dem Wagram. Wie viele der »Biodynamiker« ist auch Ott überzeugt: »Meine Weine sind dadurch ganz grundsätzlich besser geworden«.

Veltliner-Star Bernie Ott experimentiert auch mit Kvevris (Amphoren).
© Rudi Froese
Veltliner-Star Bernie Ott experimentiert auch mit Kvevris (Amphoren).

Orange Hype

Im Fahrwasser der Biowelle ist zusätzlich eine neue Gruppe von Weinen, die sogenannten Natural Wines entstanden. Der Begriff »Orange Wine« geistert seit einigen Jahren durch die Gazetten und sorgt für heftige Kontroversen. Diese Weine polarisieren, sie werden innig geliebt oder mächtig verteufelt. In Wahrheit handelt es sich hierbei um eine schwer zu kategorisierende Nische, von der durchaus interessante Impulse ausgehen.

Steirische Speerspitze

Jetzt müssen sich plötzlich Generationen von Verkostern, die auf Reintönigkeit und Präzision eingeschossen sind, mit teils bewusst oxidativ gehaltenen und optisch etwas andersartigen Weinen befassen. Es sind jedenfalls Weine, die derzeit in den trendigsten Restaurants der Welt auf den Weinlisten stehen, etwa im Noma in Kopenhagen aber auch in den Top-Restaurants der USA. Zur Speerspitze dieser Bewegung gehören in Österreich vor allem eine Hand voll steirischer Winzer wie etwa Sepp Muster, Andreas Tscheppe oder Franz Strohmeier. Nur langasm werden ihre Weine auch im eigenen Land mehr und mehr geschätzt.

Der Weststeirer Franz Strohmeier: Weine ohne Schwefel.
© Ferdinand Neumüller
Der Weststeirer Franz Strohmeier: Weine ohne Schwefel.

Neue Generationen

Die teils radikale Ablehnung dieser Weine scheint offensichtlich altersbedingt. Die jungen Weinfreunde sind naturgemäß für neue Entwicklungen empfänglicher. Vielfalt ist doch etwas Schönes. Und wie schnell sich manch anfänglich heiß debattierte Neuerung durchsetzen kann, ist am Beispiel der Drehverschlüsse zu sehen, deren Einführung von Falstaff fälschlicherweise als Weg in den »Untergang der Weinkultur« bezeichnet ­wurde. Aber auch ein Magazin wie »Falstaff« kann sich mal irren.
Aus der Falstaff Jubiläums-Ausgabe, erschienen im Dezember 2015

Peter Moser
Peter Moser
Wein-Chefredakteur Österreich