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Gemüse: Neue Farben für den Grill

Unbestrittener Star auf dem Grillrost war bislang Fleisch – Spargel, Brokkoli & Co. spielten nur die Nebenrolle. Seit einiger Zeit ist Gemüse jedoch beim Grillen zu Hause stärker in den Fokus gerückt.

Gemüse war das ungeliebte Stiefkind unter dem Grillgut. Begeisterte Aufschreie à la »Oh mein Gott, wie gut ist diese Tomate!« hörte man eher selten, wenn etwas vom Rost geholt wurde. Fleisch-Abstinenzler, die ihre mitgebrachten Zucchini auf den Grill legten und die meist verkohlten Scheiben dann leise aßen, hatten häufig etwas Trauriges im Vergleich zu bestens gelaunten Steak-Fanatikern. Was diesen willkürlich gewählten Beispielen gemein ist? Die Betonung liegt auf der Vergangenheitsform, denn in den letzten Jahren haben sich Karfiol, Topinambur und Co. in der Spitzenküche zu heimlichen Stars entwickelt – immer häufiger steht Gemüse im Vordergrund und stiehlt Entrecote, Wolfsbarsch oder Kaisergranat die Show.
Einer, der Gemüsegenuss routinemäßig auf ein neues Level hebt, ist Sebastian Mattis. Der Küchenchef des Restaurants »Fritz & Felix« in Baden-Baden greift auf einen einzigartigen Grill zurück, der eigentlich prädestiniert für schwere Fleischbrocken wäre. Doch nur auf Fleisch zu setzen, das sei ihm zu langweilig, sagt Mattis. Im Laufe seiner Karriere hat er sich gern mit den vermeintlich sekundären Beilagen beschäftigt und als Entremetier an Ideen zur perfekten Inszenierung getüftelt. Oft lässt er sich dabei von Kindheitserinnerungen leiten. »Die letzten Salatreste in einer Schüssel habe ich geliebt«, sagt Mattis, »am liebsten mit einem Schlag Bratensud.« So kam er auf die Idee, einen Salat im Ganzen zu marinieren, bis er weich und schlotzig wie der Rest aus der Schüssel war. In der Marinade steckt auch ein Teil Geflügelbrühe, das gibt Aroma. Am Ende wird der Salat überm Grill geröstet – fertig ist ein Gericht, das nur als Beilage viel zu schade wäre. Das exklusiv für Falstaff entwickelte Rezept (siehe unten) steckt ebenfalls voller Kniffe. Für diese Ausgabe hat Mattis in seiner Trickkiste gekramt und er gibt Tipps, wie man Gemüse schmackhaft machen kann.

Top 5 Tipps für das richtige Grillen von Gemüse

  1. Grillen heißt mehr als große Hitze. Klar, ein lange mariniertes Gemüse am Ende mit Röstaromen verfeinern, das geht am besten bei hohen Temperaturen. Aber nutzen Sie Ihren Grill wie einen Backofen – man kann auch mal Gemüse nur bei 100 Grad garen oder mit Räucherchips aromatisieren.
  2. Nutzen Sie das ganze Gemüse. Warum nicht die Schalen und Abschnitte pürieren und mit in eine Marinade geben? Das erweitert und vertieft die Aromen. Wer eine Karotte oder Brokkoli bloß in heißem Wasser gart, bevor sie auf den Rost kommen, entzieht Geschmack.
  3. Öl ist nicht alles – nutzen Sie die komplette Bandbreite für Marinaden. Säfte, kurz gezogener Tee oder Fleischbrühe sind ungewöhnlichere Zutaten, die Ihre Gäste mit neuen Geschmackskomponenten überraschen. Immens wichtig sind gute Essige, die mit ihrem Süße-Säure-Spiel jedes Gericht verfeinern.
  4. Fügen Sie Zutaten erst ganz am Schluss hinzu. Hochwertiger Balsamico oder gerösteter Buchweizen würden bei einer längeren Marinierung untergehen, geben als finale Würzung aber einen Extra-Kick.
  5. Seien Sie neugierig und trauen Sie sich auszuprobieren. Sie trinken gern Gin Tonic mit Gurke? Wechseln Sie die Perspektive und geben Sie einen Likör oder anderen Alkohol ins Gemüse, bevor es auf den Grill kommt. Gerade mit Obst verfeinert schmeckt das oft überraschend gut.

Erschienen in
Falstaff Nr. 04/2019

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Philipp Elsbrock
Philipp Elsbrock
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Sebastian Mattis aus dem »Fritz&Felix« in Baden-Baden inszeniert die Karotte mit Grillaromen.
Von Sebastian Mattis
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