Gefährliches Essen

Der EHEC-Skandal hat in Deutschland und Österreich Konsumenten verunsichert. Welche Lebensmittel können wir noch sicher genießen?

Eine Grillparty an einem lauen Spätsommerabend irgendwo in Deutschland. Die ersten braunen Würstel und saftigen Koteletts werden auf einem großen Holzbrett auf den Tisch gestellt. Die Gastgeberin bringt eine große Schüssel mit Gurkensalat dazu. Prompt fällt einem Gast dazu ein: »Kennt ihr schon den? Ein spanischer Autohersteller bietet sein ­neuestes Modell jetzt in drei Varianten an: Stufenheck, Fließheck, EHEC.« Niemand lacht. Obwohl den Deutschen das Lachen sonst recht locker sitzt, gelten Witze über den vermeintlich durch spanische Gurken ausge­lösten Lebensmittel­skandal als geschmacklos. Kein Wunder bei mehr als 50 Todesfällen
und über 4000 an EHEC erkrankten Bundesbürgern.

Eine Grillparty an einem kühlen Spätsommerabend zur gleichen Zeit irgendwo in Österreich. Der Gurkensalat kommt auf den Tisch, und das Einzige, worüber die Gäste reden, ist der verregnete Sommer. Kein Wunder: In Österreich gab es nicht einmal eine Handvoll an EHEC Erkrankter, und die meisten davon waren deutsche Urlauber. Dafür sind die Tage, an denen man eine Grillparty an einem trockenen Tag abhalten konnte, an einer Hand gezählt.

Pistole / Foto: Eisenhut & Mayer, Foodstyling: Eisenhut & Mayer, Bildbearbeitung: Fabian Morak/Farbantrieb

Wachsende Gefahr
Der EHEC-Keim – wissenschaftlich: enterohämorrhagische Escherichia coli oder einfach: Kolibakterium – ist seit 1982 bekannt. Doch noch nie hat dieser Erreger, der im menschlichen Organismus zu blutigen Durchfällen führt, derart dramatische Folgen verursacht. Mit seinem jüngsten Auftreten hat sich gezeigt, dass Lebensmittel zunehmend gefährlich werden können. Bereits zu Jahresbeginn 2011 gab es beispielsweise Deutschlands größten Dioxinskandal. Mehr als 150.000 Tonnen mit Dioxin belastetes Tierfutter wurde an Landwirte ausgeliefert. Eier, Geflügel und Schweinefleisch wurden vergiftet. Rund 5000 Bauernhöfe wurden in Deutschland geschlossen.

Sind Lebensmittel besonders in Deutschland gefährdet? Österreich ist zwar diesmal weitgehend verschont geblieben, wenn man aber die Chronologie von Europas größten Lebensmittelskandalen durchforstet, muss man nicht weit zurückblättern, um zu ähnlichen Ereignissen in Österreich zu kommen: Nach dem Genuss von  Quargelkäse der steirischen Firma Prolactal kam es Ende 2009 zu neun Todesfällen. In Deutschland kamen durch den aus Österreich stammenden Käse zwei Menschen ums Leben.

Lebensmittelskandale in der Vergangenheit
Die Liste der Lebensmittelskandale in Europa ist lang. Wohl einer der schwerwiegendsten war 1985 der Weinskandal in Österreich, bei dem das Frostschutzmittel Glykol beigemengt wurde, um dem Wein einen süßeren Geschmack zu verleihen. Doch während es in Österreich zu keinen bedeutenden gesundheitlichen Folgen kam, starben in Italien 1986 durch mit Methylalkohol vermischten Rotwein 26 Menschen. Um den weitaus dramatischsten Lebensmitteskandal handelt es sich zweifelsohne bei der Rinderseuche BSE, die in England ihren Ausgang nahm. Und 1981 wurden in Spanien 25.000 Menschen mit gepanschtem Olivenöl vergiftet – mehr als 750 davon starben.

Wettbewerb
Was ist los mit unseren Lebensmitteln? Was können wir noch essen? Ist bio eine tödliche Sackgasse? Sind Bauern geldgierige Verbrecher? Ist die Lebensmittelindustrie eine Menschenleben verachtende Maschinerie? Der österreichische Lebensminister Nikolaus Berlakovich (siehe Interview, Link unten) meint zu den aktuellen Vorfällen: »Das sind keine Skandale der Bauern allein. Das alles ist auf den beinharten Wettbewerb, der zwischen Produzenten, verarbeitender Industrie und Handel herrscht, zurückzuführen.« Eine stimmig klingende Analyse. Doch ist es tatsächlich so, dass beinharte Marktmechanismen das Essen und uns den Appetit verderben?

Warndreieck / Foto: Eisenhut & Mayer, Foodstyling: Eisenhut & Mayer, Bildbearbeitung: Fabian Morak/Farbantrieb

Im Fall von EHEC dürfte es die Folge einer Verunreinigung gewesen sein, die zu den dramatischen Konsequenzen geführt hat. Der EHEC-Keim wird von Wiederkäuern ausgeschieden, die zwar Träger der Bakterien sind, aber selbst daran nicht erkranken. Der auf Kuhweiden liegende Fäkalkeim wird von anderen Tieren aufgenommen und weitergetragen. Über Kot und verschmutzte Euter können Bakterien beispielsweise in die Milch ­geraten oder auf Gemüse in angrenzenden Feldern. Der Umstand, dass andere EHEC-Erreger, die gar nicht Auslöser der Erkrankungswelle waren, auf spanischen Biogurken entdeckt wurden, war ein purer Zufall – jedoch mit fatalen Folgen für die Bioszene.

Gefährliche Gurke?
In Österreich mussten in zahlreichen Bioläden Gurken aus dem Sortiment genommen werden. In Deutschland wurde vor dem Verzehr von Gurken und Tomaten gewarnt. »Wir wissen im Moment, dass ganz bestimmte Produkte unsicher sind«, sagte der Präsident des deutschen Bundesinstitutes für Risikobewertung, Andreas Hensel. Die Biogurke wurde zum Symbol des Unheil bringenden Bösen – zu Unrecht, wie man jetzt weiß. Denn die Kontamination mit EHEC-Keimen ist kein Produktions-, sondern ein Hygieneproblem. »Die Ursache kann überall dort sein, wo mangelndes Hygienebewusstsein vorhanden ist«, sagt Rudi Vierbauch, Obmann des Vereins Bio Austria. Doch das in die Köpfe der Konsumenten zu bringen, die besonders bei kleineren Bioläden eine urtümliche Art der Warenpräsentation mit der ­Sauberkeit der Produkte assoziieren, wird wahrscheinlich ­einige Zeit dauern. Obwohl biologisch ­wirtschaftende Betriebe strengen Hygiene­vorschriften unterliegen, deren Einhaltung ­regelmäßig überprüft wird.

Bombe / / Foto: Eisenhut & Mayer, Foodstyling: Eisenhut & Mayer, Bildbearbeitung: Fabian Morak/Farbantrieb

Böses Bio?
Gerade Produkte aus biologischem ­Anbau haben auch im Lebensmittel­handel die Regalflächen erobert. Hofer, Rewe, Spar machen bereits ­einen bedeutenden Teil ihres Umsatzes mit Bioprodukten. Durch strenge Kontrollen bei bio­logisch produzierten Lebensmitteln sind die ­Folgen des Skandals bei den großen Supermarktketten in Österreich kaum spürbar gewesen. Vom Hofer-Management heißt es dazu: »Es hat sich gezeigt, dass die Kontrollen in Österreich und insbesondere bei Hofer ausgezeichnet funktionieren. Gerade bei Obst und Gemüse arbeitet Hofer mit einer Vielzahl von Lieferanten zusammen, die sich den strengen Kontrollen der Hofer KG verpflichten.« Auch die Zentrale der Spar AG meint: »Bioprodukte sind schon per Gesetz sehr gut kontrollierte Lebensmittel, und wir haben für unsere Biolinie ein noch darüber hinausgehendes Kontrollsystem. Bioprodukte sind also wirklich gut überprüft.«

In Deutschland waren die Folgen für Handel und Produzenten weitaus schlimmer. Deutsche Bauern sollen für ihren Einnahmenausfall 50 Millionen Euro aus EU-Mitteln erhalten.

Schlechtes Krisenmanagement
Die renommierte österreichische Ernährungswissenschaftlerin Hanni Rützler hält die durch den EHEC-Skandal ausgelöste Diskussion über Biolebensmittel jedenfalls für weit überzogen: »Bei der Hysterie, die EHEC ausgelöst hat, hat das Krisenmanagement ganz klar versagt. Noch bevor klar war, woher der Verursacher kommt, hat man die Biogurke als Schuldigen angeklagt. Aber bio ist kein Trend mehr, bio ist keine Nische. Bio hat bereits die Welt erobert.«

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»Manche kommen eben auf Irrwege« - Lebensminister Nikolaus Berlakovich über Ursachen und Folgen der Lebens­mittelskandale.


Text von Thomas Martinek
Aus Falstaff Nr. 6/2011

Thomas Martinek
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