Jahrgangsfruchtsäfte bieten eine gute Wein-Alternative und werden im passenden Glas serviert.

Jahrgangsfruchtsäfte bieten eine gute Wein-Alternative und werden im passenden Glas serviert.
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Gastro-Trend: Alkoholfreie Speisenbegleiter

Ob Frucht- und Gemüsesäfte, Shrubs oder Fermentiertes – die Bandbreite an alkoholfreien Alternativen zur klassischen Weinbegleitung ist groß. Falstaff stellt die besten Produzenten vor.

Es ist eine klare Ansage, und sie lautet: »Ohne ist das neue Mit.« Dieser eingängige Slogan zu einem der facettenreichsten neuen Kulinarik-Trends stammt von der deutschen Gastro-Beraterin, Autorin und Foodbloggerin Nicole Klauß, die in ihrem Erfolgsbuch »Die neue Trinkkultur« das Thema Genuss ohne Alkohol auslotet.

Vorbei die Zeiten, in denen all jene, die keinen Alkohol trinken wollten, in der Top-Gastronomie mit Mineralwasser, Orangensaft oder ein paar Standardlimos samt dazugehörigen scheelen Blicken abgespeist wurden. »Schwanger? Muslim? Trockener Alkoho­liker? Autofahrer? Alles auf einmal? Auf jeden Fall: Spaßbremse!« lauteten – in Nicole Klauß’ Worten – die Botschaften, die in diesen Blicken enthalten waren und das Restaurant-Personal viel zu oft zu berechtigen schienen, die Nicht-Trinker links liegen zu lassen. 

Facettenreiches Angebot

Viel bunter präsentiert sich das Bild heute. Die Top-Gastronomie mitsamt Sommeliers hat darauf reagiert, dass Alkoholfreies wichtiger wird: durch den Trend zu gesünderer Naturkost, durch strengere Promille-Regeln im Straßenverkehr, durch mehr Gäste aus Weltgegenden, in denen kein oder weniger Alkohol getrunken wird, und durch immer mehr überzeugte No-Alk-Genießer.

Die Palette des Angebotenen wird immer reicher: Shrubs und Säfte, Tees und Auszüge, Extrakte und Molken, Sirupe und Bio-Limos, Kräuter­essenzen und Fermentiertes, Trinkessige, Frucht- und Gemüsesäfte sowie eine stetig wachsende Zahl an alkoholfreien Bieren und sogar Spirituosen. Da stehen etablierte alkoholfreie Klassiker wie Jörg Geigers spritzige »PriSeccos«, Thomas Kohls reinsortige Bergapfelsäfte aus Südtirol oder die Frucht-Seccos und Direktsäfte von van Nahmen neben Newcomer-Produkten wie dem roten und weißen Weintraubenkombucha »Native Grape« aus Chardonnay- und Pinot-Noir-Trauben.

»Menschen, die in Restaurants keinen Alkohol zu sich nahmen, wurden als Genießer einfach nicht ernst genommen. Wer Bier und Wein verweigerte, landete bei Wasser oder süßen Kinderlimonaden«, so der Jungwinzer Markus Weiss aus Gols im Burgenland. Mit Getränken wie »Native Grape« habe sich das geändert, zeigt sich Weiss überzeugt, der »Native Grape« gemeinsam mit seinen Brüdern David und Christian erfunden hat. »Kombucha­kulturen wandeln den natürlichen Traubenzucker in organische Säuren um. Dabei entsteht das facettenreiche weinähnliche Fermentationsaroma«, erläutert Weiss. 

Gut gekühlt – bei etwa 8 bis 12 Grad Celsius – und aus dem Stielglas getrunken, entfalten die Kohl-Apfelsäfte ihr Aroma am besten.
© Kohl/Foto beigestellt
Gut gekühlt – bei etwa 8 bis 12 Grad Celsius – und aus dem Stielglas getrunken, entfalten die Kohl-Apfelsäfte ihr Aroma am besten.

Vom Neuland zum Trend

»Native Grape« ist eines der Produkte, die den Bereich der alkoholfreien Speisebegleitung zum florierenden Entwicklungsgebiet gemacht haben, auf dem sich einige der innovativsten, leidenschaftlichsten und experimentierfreudigsten Köpfe der Branche tummeln, um Neues, nie Da­gewesenes, Verfeinertes oder ganz und gar Innovatives rund um das Thema alkoholfreier Trinkgenuss auf den Weg zu bringen. Wie so oft haben auch hier die nordischen Spitzenrestaurants dem Trend den Weg geebnet. Die Nachfrage wächst stetig. Es muss längst nicht immer Alkohol im Glas sein – auch nicht beim Sechs-Gänge-Menü im Sterne-Restaurant. Hauptsache, das Glas und das Produkt stimmen. Wer hätte das noch vor wenigen Jahren gedacht?

»Vor 25 Jahren war das Höchste der Gefühle ein gespritzter Apfelsaft«, sagt Werner Retter und lacht. Der steirische Bio-Pionier und »Obst-Magier«, dessen Pöllauer Obsthof auf Basis einer 130-jährigen Familientradition ein umfassendes Repertoire an exzellenten Frucht- und Beerensäften, Elixieren und Edelbränden hervorgebracht hat, hat gut lachen. Erneut nämlich hat Retter mit einer alkoholfreien Produkt­reihe einen Trend innerhalb des Trends angestoßen und echtes Neuland betreten: »Edition Sommelier WILD« bzw. »WELL« heißen die High-End-Direktsäfte, die Natur-Aficionado Retter seit fast zehn Jahren  – wie er sagt – »aus Jux und Tollerei« und jeder Menge Forschergeist entwickelt und die inzwischen ihren fixen Platz als Menübegleiter in der Spitzen­gastronomie zwischen Salzburg und Zürich eingenommen haben: schonend gepresst aus von Hand gesammelten Wildpreisel­beeren aus Lappland, Wild­heidelbeeren aus den Karpaten oder wilden Weintrauben aus chilenischer Hochlage, um nur drei Beispiele zu nennen, in schlanke Weinflaschen abgefüllt, bis zur Trinkreife bei kon­s­tanten Temperaturen hinter den dicken Mauern des Pöllauer Schlosskellers gelagert. 

Was ihre Besonderheit ausmacht? »Hochwertige, in der Natur gesammelte Wildfrüchte und -beeren stellen die Ideallösung für den alkoholfreien Bereich dar«, erklärt Retter. Bei ihnen ist die Balance aus Säure und Frucht eine andere als bei Kulturfrüchten, die Inhaltsstoffe höher konzentriert: »Wildfrüchte haben um die Hälfte weniger Fruchtzucker als Kulturfrüchte und viel mehr Säure.« Die Säure bringt Geschmack und Haltbarkeit. Der geringere Zucker­gehalt löst eines der zentralen Probleme, die viele Fruchtsäfte in der Speisebegleitung haben: Sie sind einfach zu süß und zu reichhaltig. Nicht so bei Retters »Edition Sommelier«. 18 Punkte hat etwa die »Edition Sommelier WILD Preiselbeere 2015« bei der VINUM-Verkostung 2018 eingefahren: ein verdienter Stockerlplatz für einen Jahrgangsgourmetfruchtsaft von so komplexem Geschmacksreichtum, dass »man ihn genießen kann wie den höchsten Bordeaux«. Womit wir auch schon bei der Präsentation wären: Ja nicht mischen! Nicht als Durstlöscher ansetzen, sondern »in kleinen Einheiten, im richtigen Weinglas, bei der richtigen Temperatur«, wie Retter sagt, mit dem Ziel, »die Fruchtaromen der Edition optimal zu den Speisen zu kombinieren«. Der Erfolg gibt Werner Retter recht – nicht nur weil er einen Großteil seiner »Edition Sommelier« an die Schweizer Fünf-Sterne-Hotelgastronomie liefert.

Sauer statt süß: Für die »Edition Sommelier WILD« und »WELL« verwendet Werner Retter ausschließlich hochwertige Wildfrüchte und -beeren, die den Säften komplexe Säurearomen verleihen.
© Helmut Schweighofer
Sauer statt süß: Für die »Edition Sommelier WILD« und »WELL« verwendet Werner Retter ausschließlich hochwertige Wildfrüchte und -beeren, die den Säften komplexe Säurearomen verleihen.

Einen eng verwandten Ansatz verfolgt auch seit drei Jahren die steirische Winzerfamilie Gross & Gross mit sortenreinen Traubensäften der Marke »Flein«. »Ich habe mich gefragt, ob reinsortiger Traubensaft mit der gleichen Wertschätzung wie Wein erzeugt werden kann: mit Leidenschaft, geprägt von Jahrgang und Rebsorte. Es klingt naheliegend, ist aber ein komplett neuer Zugang«, sagt »Flein«-Erfinderin Veronika Mitteregger. Ihr ging es um den Traubengeschmack »frisch aus der Presse, wie ihn sonst nur der Winzer erlebt«. Der Unterschied zwischen »Flein« und herkömmlichen Traubensäften liege vor allem in der kompromisslosen Erzeugung. Denn die Trauben für »Flein-Saft vom Sauvignon Blanc«, »Flein-Saft vom Gelben Muskateller« und den sprudelnden »Flein Fizz« wachsen in Gross’schen Weingärten, »die eigens für die Saftproduktion nach biologischen Grundsätzen gepflegt werden. Sanfte Pressung, wie sie in der Champagner-Erzeugung üblich ist, und neueste Pasteurisierungstechnologie tun den Rest, um Traubensäfte zu erzeugen, deren Geschmack vom »Terroir« erzählt und die, im Weinglas serviert, als echte Wein-Alternative punkten können. Ganz neu ist die »Flein«-Kooperation mit zwei befreundeten Weingütern: Die Südtiroler Kellerei Kurtatsch hat kürzlich ihren »Flein-Saft vom Sauvignon Blanc« präsentiert. Im Herbst 2021 wird auch das Weingut Schmidt am Bodensee seinen ersten »Flein« ausschenken: eine transalpine, antialkoholische Kooperation sozusagen. »Meine Winzerfamilie und ich haben einen Weg gefunden, sortentypische Aromen in einem frischen, lebhaften Traubensaft einzufangen«, freut sich Veronika Mitteregger. »Und dass aus der simplen Alternative zu einem Glas Wein, die ich während meiner Schwangerschaft gesucht habe, eine internationale Zusammenarbeit entstanden ist, macht mich einfach nur glücklich.«

Die steirische Winzerfamile Gross erzeugt auf dem Weingut »Gross & Gross« die Wein-Alternative »Flein« von Veronika Mitteregger.
© Peter Hack
Die steirische Winzerfamile Gross erzeugt auf dem Weingut »Gross & Gross« die Wein-Alternative »Flein« von Veronika Mitteregger.

Die besten Produzenten

  • Flein – Weingut Gross & Gross
    Um einen besonders sortentypischen Geschmack zu erhalten, werden die Trauben für Veronika Mittereggers »Flein« wie in der Champagnerherstellung sanft gepresst und schonend pasteurisiert.
    flein.at
     
  • PriSecco Manufaktur Jörg Geiger
    Jörg Geiger bietet eine ganze Palette an PriSeccos an, die er in seiner Manufaktur in Baden-Württemberg herstellt.
    shop.manufaktur-joerg-geiger.de
     
  • Bergapfelsäfte – Kohl 
    Die naturreinen Bergapfelsäfte von Thomas Kohl werden auf fast 1.000 Meter Seehöhe am Ritten in Südtirol produziert.
    kohl.bz.it
     
  • Edition Sommelier WILD und WELL Obsthof Retter
    Die High-End-Direktsäfte von Werner Retter werden schonend aus von Hand gesammelten Wildfrüchten gepresst.
    obsthof-retter.com
     
  • Gegenbauer Trinkessige
    Erwin Gegenbauers »edelsaure Trinkessige« werden aus Trockenbeerenauslesen vergoren. Sie reifen bis zu zwölf Jahren in Eichenfässern.
    gegenbauer.at
     
  • Van Nahmen Privatkellerei
    Das Sortiment reicht von Direktsäften über Nektare und Frucht-Seccos bis hin zu Juicy-Tea-Variationen.
    vannahmen.de
     
  • Secco – Sekthaus Raumland
    Für die Herstellung der Seccos aus Trauben und Wildäpfeln achtet Volker Raumland penibel auf die Qualität der verwendeten Früchte.
    raumland.de
     
  • Gimber – The Original
    Aus 38 Prozent Ingwer besteht Dimitri Oosterlyncks Ingweressenz, die pur ebenso genossen werden kann wie mit kaltem oder heißem Wasser oder auch in Mocktails gemixt.
    gimber.com
     
  • Native Grape
    Gemeinsam mit seinen Brüdern David und Christian entwickelte Jungwinzer Markus Weiss das rote und weiße Wein-traubenkombucha aus Chardonnay- und Pinot-Noir-Trauben.
    nativegrape.at

Spirits ohne Alkohol im Check

Den Geist aus der Flasche lassen und dabei nüchtern bleiben? Darum geht es bei den neuen alkoholfreien Spirits. Der Trend dazu heißt »sober curious« und steht für die neue Neugier auf eine Nüchternheit, die trotzdem keine Abstriche beim Trinkerlebnis machen will.

Der Zeitgeist setzt auf Alternativen zu Gin, Rum & Co. mit vollem Geschmack, aber null Alkohol. »Rick Free« aus der Manufaktur des preisgekrönten Bio-Ginmachers Patrick Marchl ist ein heimisches Produkt, das den Spirit jener stetig wachsenden Gruppe von Menschen einfängt, die zwar keinen oder weniger Alkohol trinken, deswegen aber nicht auf den Geschmack der Spirituosenklassiker verzichten wollen. In »Rick Free« finden Freunde des Alkoholfreien die Aromenvielfalt von Gin, ohne davon trunken zu werden. Die Zutaten sind alle bio, Zucker oder künstliche Aromastoffe – Fehlanzeige. Stattdessen sind es Kräuter- und Gewürzdestillate bzw. -extrakte aus Wacholder, Ingwer, Orange, Grapefruit oder Kubebenpfeffer, aus denen sich hier das Geschmackserlebnis zusammensetzt.

Bereits seit 2017 gibt es auch mit der Marke »Ceder’s« alkoholfreie Gin-Alternativen, in denen sich die Aromen von südafrikanischen Botanicals wie Rooibos mit Gin-Klassikern wie Wacholder oder Koriander zu neuen Gin-Ersatzspirits mischen – in mittlerweile vier Geschmackskombinationen von »Ceder’s Classic« bis »Ceder’s Pink Rose« mit einem Hauch Rose.

Eine breite Palette alkoholfreier Spirits bietet auch das australische Unternehmen »Lyre’s«: Gin, Whisky, Rum, Absinth oder Amaretto sind nur einige der Geschmacksrichtungen, die hier vollkommen ohne Promille angeboten werden.

Nachmixen: Drinks ohne Alkohol


Erschienen in
Falstaff Nr. 01/2021

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Julia Kospach
Julia Kospach
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