Joachim Wissler

Joachim Wissler
© Helge Kirchberger Photography / Red Bull Hangar-7

Gastkoch im Hangar 7: Joachim Wissler

Die kulinarischen Notizen zum »Ikarus«-Gastkoch des Monats April 2019: Joachim Wissler, »Vendȏme«, Bergisch-Gladbach.

Ein Poet am Herd

Joachim Wissler sieht sich selbst als eine Art kulinarischer Poet und das Kochen ist stets der Mittelpunkt seines Lebens. Dass er einmal Koch werden würde, war ihm schon sehr früh klar und so hilft er schon als Kind in der Gastwirtschaft seiner Eltern. Vom Elternhaus geht es in den Schwarzwald und das ist für ihn eine harte, aber gute Lehrzeit. »Ich hatte nicht geahnt, worauf ich mich da einließ«, sagt er später. Die Arbeit macht ihm aber trotz allem viel Spaß und er bleibt dabei. Gut für die Genießer, die nun seit dem Jahr 2004 beim 3-Sternekoch im »Vendȏme« in Bergisch Gladbach seine komponierten Degustationsmenüs kosten dürfen.

In dem mit edlem Zebranoholz und bedrucktem Gipsbruch ausgestatteten Restaurant serviert Joachim Wissler kreativ-moderne Gerichte, die auch und man muss fast sagen, immer noch, Elemente der Molekularküche beinhalten. Ihm gebührt ein Platz in den Annalen des deutschen Küchenwunders als der Koch Deutschlands, vielleicht derzeit einer der besten, der sich endgültig von der klassischen, französischen Haute Cuisine emanzipierte, zum Doyen der Neuen Deutschen Küche wurde und damit eine Zeitenwende in der kulinarischen Hochkultur einläutete. Und vor allem immer wieder Neues auf die Teller bringt.

Neue deutsche (Koch-)Schule in Perfektion

Seine Menüs sind Mischungen aus Schäumen, kontrastreich Heiß und Kalt, knusprig oder geleeartig. Und er setzt IMMER seine Werte, die in der Wahrung der Tradition bestehen, gleichzeitig viel Experimentierfreude zeigen mit Perfektion in seinen Gerichten um. Sein Stil ist die Kochkunst der »Neuen deutschen Schule«, die auch Ausdruck in seinem Kochbuch findet, das er 2010 unter dem Titel »JW4« auf den Markt gebracht hat. »In meinem Kochbuch finden sich Rezepte für rund 150 verschiedene Geschmackserlebnisse. Unterteilt sind die Gerichte in fünf Kategorien: vier davon orientieren sich an den saisonalen Zutaten der vier Jahreszeiten und eine bildet die »neuen Klassiker«, sagt er. Die detaillierten Rezepte finden sich auf einer dynamischen Website mit persönlichem Zugangscode. Dieser außergewöhnliche Ansatz des »JW« wurde mit dem »Red Dot Award: Communication Design 2010« gekrönt. Neben den drei Sternen des Guide Michelin, 19,5 Gault Millau-Punkten und vielen weiteren Auszeichnungen, erhielt er 2010 als erster deutscher Koch den internationalen Köche-Preis beim Kongress Lo Mejor de la Gastronomia in Alicante.

Das Menü im Monat April als PDF

Geschmack-Sache. Das Menü. Kochkunst mit einer Prise Provokation

Joachim Wissler geht es nicht darum, Heimatküche zur Hochküche zu nobilitieren. Und er hat keine Scheu, auch Zutaten aus der Welt in seine Menüs einzubauen. Wenn er regionale Produkte nimmt, dann nur, weil z.B. der Saibling aus dem bayerischen Lechtal, mindestens genauso gut schmeckt wie entferntere Verwandte, wenn nicht oft sogar viel besser.

Der Saibling ist dann auch ein Gang beim Menü im Restaurant »Ikarus« und wird in Wacholderbutter mit Lauch und Fichtenaromen serviert. Vorher aber delektiert man sich schon an hervorragenden Rote Bete Macarons gefüllt mit einem Wagyu Tartar, feinen »Veeses« mit Gänseleber und einem Lachs mit Ginger Ale Vinaigrette. Originell sind die Olivencracker, die ein Oreo Ziegenkäse bedeckt. Ja, man liest richtig, der Käse ist mit dem Stempel der Kekse gebrandet. Die Kombination von Jakobsmuschel und Gänseleber huldigt nicht nur mit dem Namen »Vive la France« dem Kochland Frankreich, sondern ist Hochküche pur. Sehr fein sind auch die Langoustine mit zweierlei Rouille und das Landei Miso mit Parmesan und Spargel. Das ist der Gang für jene, die das gegrillte Kalbsherz mit Trüffel, Spargel und Kalbsbries nicht mögen.

Immer wieder lässt Wissler in Vergessenheit geratene regionale Produkte und Gerichte mit innovativen Einflüssen eine Renaissance erleben, so zum Beispiel mit den Alpenlinsen, die zum Klosterschwein Spare Rib mit Salzpflaume auf den Tisch kommen. Das Mieral Perlhuhn Curry wird in zwei Teilen serviert, einmal als Brust mit Pak Choi und Macadamia Nuss und dazu im Schälchen als Curry aus den Hühnerhaxen. Der Käsegang ist sehr typisch für die Kochkunst von Joachim Wissler. In einen Buchweizenkrapfen wird Fourme D’Ambert gefüllt und warm serviert, den kalten Part liefert derselbe Käse nur dehydriert und sehr kühl mit einem Birneneis und kandierten Pomeranzen serviert. Schön anzuschauen ist das Dessert, das den poetischen Namen »Waldspaziergang im Frühling« trägt. Wisslers »Neue Deutsche Küche« ist nie provinziell, sondern sehr weltläufig und der hohe küchentechnische Aufwand nie Hokuspokus, sondern immer ein Werkzeug, um den besten Geschmack herzustellen.

Ausblick

Im Mai ist der Elsässer Spitzenkoch Olivier Nasti Gastkoch im »Ikarus«. Er kocht im »La Table d’Olivier Nasti« in Kayserberg und wir dürfen gespannt sein, was er an besonderen Gerichten auf die Ikarus-Tafel bringt.

Neue Öffnungszeiten im »Ikarus«
Montag bis Donnerstag: 19-22 Uhr
Freitag bis Sonntag: 12-14 Uhr & 19-22 Uhr
Am Ersten jedes Monats ist mittags geschlossen. In dieser kurzen Zeit gelingt es dem Küchenteam des Restaurant Ikarus, sich auf die Feinheiten des neuen Gastkochs einzustellen.
An diesen Tagen öffnet das Restaurant Ikarus um 19.30 Uhr.
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Ilse Fischer
Ilse Fischer
Autorin
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