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Frost: Der Horror geht weiter

Nach den schweren Schäden in Deutschland, in der Schweiz, in der Champagne und im Burgund hat der Frost nun auch Bordeaux erreicht.

Erst der frühe Austrieb, dann Temperaturen bis minus 7 Grad: In Deutschland blieb fast kein Anbaugebiet von Frostschäden verschont. Regionen, die in den ersten Frostnächten von 18. bis 20. April noch glimpflich davon gekommen waren, erwischte es in der Nacht von 23. auf 24. April: Richard Grosche vom Weingut Reichsrat von Buhl zieht in seiner E-Mail an Falstaff einen Vergleich zu einem Boxkampf, in dem Runde eins noch gut ausgegangen sei. »Doch Herausforderer Frost kam mitten in der Ringpause von Sonntag auf Montag aus seinem Eck gesprungen und hat auf den noch sitzenden Reichsrat eingedroschen. Ruppertsberg, Friedelsheim und Niederkirchen hat es doch sehr deutlich erwischt :-( «

Minus vier Grad im Bordelais

In Frankreich sind die Champagne, das Loiretal und Burgund schwer getroffen, ebenso Elsaß und Jura, Cognac und das Heurault. Inzwischen kommen die Hiobsbotschaften auch aus Bordeaux: In der Nacht von 26. auf 27. April fiel das Thermometer in dem rund 120 auf 80 Kilometer messenden Anbaugebiet fast flächendeckend auf Temperaturen um die minus 4 Grad. Saint-Émilion, Médoc, Pomerol, Pessac-Léognan, Entre-deux-Mers, Castillon, Côtes de Bourg, Blaye und Sauternes: Kaum eine Region wurde verschont. Obwohl die Präfektur eilig eine Sondergenehmigung zum Entflammen von Feuern in den Weinbergen erteilt hatte, scheinen auch solche Gegenmaßnahmen nur wenig bewirkt zu haben. Erste Schätzungen sprechen von Schäden zwischen 20 und 100 Prozent. In Bordeaux’ Tageszeitung Sud Ouest wird der Frost bereits mit jenem des Jahres 1991 verglichen. Damals brachten die Winzer im Herbst ein gutes Drittel weniger als üblich ein, und auch qualitativ ist das Jahr als eines der kleineren bekannt.

Totalschaden in zahlreichen Weingärten

Erste Stimmen deuten darauf hin, dass es 2017 sogar noch schlimmer werden könnte: Claire Laval vom Pomerol-Weingut Gombaude Guillot meldet »mindestens 40 Prozent« Ausfall, Anabelle Cruse vom Château Corbin aus Saint-Émilion befürchtet gar auf zehn ihrer 13 Hektar einen Totalverlust. Auch Stephan Graf Neipperg rechnet mit großen Einbußen: Zwar sei La Mondotte wie die meisten Güter auf Saint-Émilions Kalkplateau unbeschadet durch die kalten Nächte gekommen, aber auf d’Aiguilhe, Canon la Gaffelière, und teils auch im Clos de l’Oratoire werde es herbe Einbußen geben.

Das Zittern geht weiter

Am linken Ufer scheinen Pauillac und Saint-Estèphe am besten weggekommen zu sein. Je weiter weg vom Ästuar und je weiter landeinwärts, desto größer sind die Schäden. Listrac und Moulis sind besonders hart getroffen. So berichtet Bruno Borie, der neben Château Ducru-Beaucaillou auch das Château Fourcas-Borie in Listrac besitzt, dass dort einzelne Parzellen komplett zerstört worden seien, insgesamt rechne er mit 35-40 Prozent Ausfall. In Saint-Julien seien die Schäden geringer und lägen bei etwa 10-15 Prozent. Schlimmer scheint die Situation in Pessac-Léognan zu sein. So berichtet etwa Séverine Bonnie von Château Malartic Lagravière, dass zwei Drittel ihrer Reben erfroren seien. Und noch könnte der Frost jederzeit zurückkommen, bekanntlich ist die Frostgefahr erst nach den »Eisheiligen« von Mitte Mai gebannt.

Ulrich Sautter
Ulrich Sautter
Wein-Chefredakteur Deutschland
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