Für Fritz Miesbauer gibt es keine halbe Sachen, im Gegenteil: Statt einem leitet er seit 15 Jahren gleich zwei Spitzenweingüter.

Für Fritz Miesbauer gibt es keine halbe Sachen, im Gegenteil: Statt einem leitet er seit 15 Jahren gleich zwei Spitzenweingüter.
© Raphaela Pröll

Fritz Miesbauer ist Winzer des Jahres 2020

Er prägt mit den zwei traditionsreichen Spitzenweingütern Stadt Krems und Stift Göttweig das Angebot der Weinbauregion Kremstal. Dafür wurde er nun von Falstaff ausgezeichnet.

Im Jahr 2020 ist so manches anders – auch die Winzerpersönlichkeit, die von der Falstaff-Weinredaktion mit dem Titel »Falstaff-Winzer des Jahres 2020« ausgezeichnet wird, fällt ein wenig aus dem üblichen Rahmen. Denn Fritz Miesbauer ist nicht der Eigentümer eines Weinguts, aber er ist der, der die volle Verantwortung trägt.

Geschäftsführer und Mastermind

Er steht auch nicht einem, sondern gleich zwei für österreichische Verhältnisse in ihrer Größe bedeutenden Weingütern als Geschäftsführer und Mastermind vor. Und beide Betriebe gehören genau genommen seit vielen Jahrhunderten einer wechselnden Gruppe von Personen: den Bürgern der Stadt Krems und der Ordensgemeinschaft der Benediktiner von Stift Göttweig, das genau gegenüber der Stadt Krems am rechten Donauufer thront.

Beste Lagen

Beide Weingüter verfügen über Spitzenlagen im Weinbaugebiet Kremstal, die vom Steiner Pfaffenberg im Westen bis zum Weinzierlberg im Osten von Krems reichen, die Böden bilden mit der Trilogie von Urgestein über Konglomerat bis zu reinen Lössböden das Terroir des Kremstals optimal ab. Die Weine beider Betriebe werden in einer gemeinsamen Kellerei direkt in der Altstadt von Krems vinifiziert, genauer gesagt im Stadtgraben, wo Fritz Miesbauer sein önologisches Hauptquartier eingerichtet hat. Hier reifen Weißweine von Weltklasseformat heran, im Vordergrund stehen der Grüne Veltliner und der Riesling.

Blick über die Ried Altenberg auf die Doppelstädte Krems und Stein an der Donau.
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Blick über die Ried Altenberg auf die Doppelstädte Krems und Stein an der Donau.

Wachauer Blut

Dem gebürtigen Wachauer wurde der Wein bereits in die Wiege gelegt. »Meine Eltern besitzen etwa drei Hektar Weingärten in Joching, und es hat mir schon als Kind Spaß gemacht, meiner Mutter im Weinberg zu helfen«, erinnert sich Fritz Miesbauer. »Als ich nach den ersten vier Jahren im Gymnasium in Krems dann nach Klosterneuburg wechseln wollte, hat mich mein Vater dazu ermuntert.«

Leidenschaft für Qualität

Während seiner Schulzeit absolvierte Fritz Miesbauer seine Praktika beim Winzer-Doyen der Wachau, Josef Jamek, in seinem Heimatdorf Joching. Jameks Geduld und Enthusiasmus für höchste Qualität imponierte dem angehenden Önologen sehr. Beim berühmten deutschen Riesling-Weingut Bassermann-Jordan in der Pfalz sammelte er weitere wichtige Erfahrungen.

Start bei den Freien Weingärtnern Wachau

Nach Abschluss der Weinbauschule begann Miesbauer seine Karriere zunächst bei den Winzern Krems. Schon 1991 holte der legendäre Direktor Wilhelm Schwengler Fritz Miesbauer als Betriebsleiter zu den Freien Weingärtnern Wachau nach Dürnstein. Dort fungierte er zunächst neben dem gleichzeitig eingetre­tenen Johann Donabaum auch als Kellermeister. Ab Jänner 1996 bildete Miesbauer gemeinsam mit Willi Klinger, der damals von Wein & Co in die Produktion wechselte und als Verkaufsleiter des größten Wachauer Betriebs fungierte, eine Doppelspitze.

Drei Millionen Flaschen pro Jahr

Mit viel Elan machte sich das junge Team daran, die Genossenschaft zukunftstauglich zu machen: Die berühmten Einzellagen von Kellerberg bis Singerriedel wurden deutlicher »in die Auslage« gestellt, die Optik der Flaschen einem Facelifting unterzogen und der Export erfolgreich forciert. Mit dem Wechsel von Willi Klinger zu Angelo Gaja ins Piemont stand Miesbauer mit Rainer Wess ab dem Jahr 2000 ein neuer Partner in der Geschäftsführung zur Seite, seit dem Jahrgang 2001 firmiert man nun unter dem Namen Domäne Wachau. Zu diesem Zeitpunkt galt der Betrieb längst als eine der besten Weißwein-Winzergenossenschaften der Welt mit einer Produktion von drei Millionen Flaschen Wein jährlich.

Der Kremser Stadtweinchef

Im Juli 2003 verließ Miesbauer Dürnstein, um kurz vor der Ernte einen anderen, allerdings wesentlich kleiner dimensionierten Traditionsbetrieb zu übernehmen. Er wurde Chef des Weinguts Stadt Krems, das über rund 30 Hektar verfügte und damals etwa 120.000 Flaschen auf den Markt brachte. Eigentümer dieses historisch bedeutenden Weinguts ist die Stadt Krems, heute werden 43 Hektar innerhalb der Stadtgrenzen von Krems und Stein bewirtschaftet. Darunter befinden sich Spitzenrieden wie Schreck und Grillenparz in Stein oder Wachtberg und Weinzierlberg in Krems.

550 Jahre Weinbautradition

Die Geschichte des Weinbaus in Krems ist so alt wie die Stadt selbst, im Mittelalter fungierte Krems gemeinsam mit Wien und Falkenstein im Weinviertel als einer der wenigen »Vororte« in Sachen Weinbau im Land unter der Enns. Nicht weniger als 42 Klöster hatten Lesehöfe in der Stadt. Bereits im Jahr 1210 schenkte Herzog ­Leopold VI. dem Kremser Bürgerspital Weingärten. Aus dieser Stiftung und großzügigen Legaten des kaiserlichen Burggrafen Ulrich von Dachsberg im Jahre 1452 formte sich das Weingut der Stadt Krems, das so auf eine über 550-jährige, ununterbrochene Weinbautradition zurückblicken kann.

Bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts befand sich der Keller samt Presshaus direkt unter dem Rathaus, später im Keller der Corporis-Christi-Bruderschaft mit Sitz in der Stöhrgasse. Seit dem Jahr 1915 befindet sich die Stadtkellerei im Stadtgraben, die Kelleranlagen wurden dort nach dem Einsturz der Kellerröhre am 27. Juni 2010 wiederaufgebaut, erweitert und durch zahlreiche Maßnahmen auf den technisch modernsten Stand gebracht.

Fritz Miesbauers Handschrift ist in all seinen Weinen klar zu erkennen: Sie sind präzise, terroirbezogen und ausdrucksstark.

950 Jahre Weinkultur

2006 pachtete eine weinverliebte Inves­torengruppe das Weingut von Stift Göttweig, das gegenüber von Krems thront. Fritz Miesbauer wurde auch hier die Verantwortung für eine Rebfläche von rund 26 Hektar übertragen, und er erkannte schnell das Potenzial der Toplagen wie der Ried Gottschelle für Grünen Veltliner und der Ried Silberbichl für Riesling. Mit der Übertragung der Leitung des Stiftweinguts ging fast unmittelbar auch die Aufnahme des Betriebs in den elitären Kreis der Österreichischen Traditionsweingüter einher, was mit einem weiteren Bekanntheitsschub für das Weingut verbunden war.

Ein Gründungsdatum für den Weinbau des Stifts kann man mit jenem des Klosters selbst ansetzen, denn schon im Gründungsjahr 1083 sind Weingärten als wesentliche wirtschaftliche Grundlage urkundlich belegt. Durch Schenkungen und Erbschaften wuchs der Weingartenbesitz stetig an, im 14. Jahrhundert standen bereits sämtliche Weinhauer des Mauterner Feldes in Beziehung oder Abhängigkeit zum Stift. Der zentrale Keller befand sich in Furth, wo Abt Bessel um 1740 von Baumeister Pilgram den »Neuen Lesehof« in repräsentativem Barockstil errichten ließ. Der gigantische Barockneubau des Stifts Göttweig, der bis heute seine Besucher beeindruckt, wurde zu einem nicht geringen Teil durch die Einnahmen des Kelleramts mitfinanziert.

Zwei Güter, Top-Qualitäten

Das Sortiment des Stiftweinguts Göttweig ist sehr straff und klar gehalten:

  • Den leichtfüßigen Einstieg bildet der ­Grüne Veltliner Messwein, naturbelassen nach dem kirchlichen Reinheitsgebot,
  • dann Grüner Veltliner Ortswein aus Furth
  • und schließlich der Lagenwein Grüner Veltliner Kremstal DAC Ried Gottschelle. Der Name dieser tollen Lösslage ist urkundlich bereits 1341 als »Gotschalich« nachweisbar, wohl von Gottschalk, was so viel wie Gottesdiener bedeutet.

Die Rieslinge kommen als Ortswein wieder aus Furth sowie als Lagenwein von der Ried Silberbichl und von der berühmten Ried Steiner Pfaffenberg am linken Donauufer, beides 1-ÖTW-Lagen. Ein Messwein Rosé, ein Pinot Noir vom Göttweiger Berg und ein Blanc de Blancs Zero Dosage runden das Sortiment ab.

Spitzenweine in Weiß

Das Weingut der Stadt Krems kultiviert mit Grünem Veltliner und Riesling die beiden DAC-Sorten, hat daneben aber auch die weißen Burgundersorten Pinot Blanc und Chardonnay sowie Blauen Zweigelt im Sortiment. Mit den Ortsweinen aus Krems und Stein werden Riesling und Veltliner im Mittelsortiment dargestellt, darüber sitzen die ausdrucksstarken Riedweine. Der ­Grüne Veltliner kommt aus den Kremser Lagen Ried Wachtberg 1 ÖTW und Ried Weinzierlberg, der Riesling aus den Steiner Urgesteinsterrassen der Ried Grillenparz 1 ÖTW und in den letzten Jahren auch aus der Ried Schreck.

Da geht noch mehr

Dank seiner Mannschaft gelingt es Miesbauer Jahr für Jahr, die Qualitätslatte immer höher zu legen: »Wir sind in jeder Hinsicht auf dem richtigen Weg, und wenn ich mir das Potenzial unserer Weinrieden vor Augen rufe, weiß ich, dass noch mehr möglich ist!« Wer die Weine der Traditionsweingüter kennenlernen will, kann dies im modernen Verkostungsraum des Weinguts der Stadt Krems (Stadtgraben 11) tun. Allerdings nur montags bis freitags; am Wochenende hat das Stadtweingut wie alle Stadtbetriebe geschlossen. »Das hat Vor- und Nachteile«, schmunzelt der Winzer des Jahres, »im Stift Göttweig gibt es schließlich auch tolle Weine!«


Erschienen in
Falstaff Nr. 06/2020

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Peter Moser
Peter Moser
Wein-Chefredakteur Österreich
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