Die Küchencrew im »Magdas Hotel« ist ein eingespieltes Team.

Die Küchencrew im »Magdas Hotel« ist ein eingespieltes Team.
© Peter Barci

Freunderl-Wirtschaft in Wiener Küchen

Im »Magdas Hotel« und »Habibi & Hawara« gibt es nicht nur Großartiges zu essen. Die Betriebe zeigen auch vor, wie man nachhaltig Gutes tut. Wiener Gastro-Profis und Flüchtlinge arbeiten hier Hand in Hand.

Es ist zwölf Uhr, und das neue Mittagsbuffet im »Habibi & Hawara« findet sichtlich Zuspruch. Die Teller der Gäste leeren sich quasi im Minutentakt, und vor dem dampfenden Couscous, der einen unwiderstehlichen Korianderduft verströmt, bildet sich schon eine kleine Warteschlange. Geschäftsmänner besprechen ihren nächsten Deal, Studentinnen am Nebentisch unterhalten sich über ihren Lehrplan. Indes läuft der Küchenbetrieb auf Hochtouren. Jetzt muss jeder Handgriff stimmen, Teamwork ist gefragt.
Eigentlich ist das »Habibi & Hawara« ein Restaurant wie jedes andere. Aber in einem wichtigen Punkt unterscheidet es sich von ihnen: Die Mitarbeiter kommen aus den verschiedensten Ländern und Kulturen – sie alle mussten aus ihrer Heimat fliehen und haben in Österreich Asyl erhalten. Das Restaurant »Habibi & Hawara« ermöglicht ihnen, in der Arbeitswelt Fuß zu fassen. Es ist aber auch ein Ort der Begegnung, an dem die Gäste mit den Flüchtlingen in Kontakt kommen und wo  schon so manches Vorurteil abgebaut werden konnte.

Qual der Wahl: Das Mittagsbuffet im »Habibi & Hawara« bietet eine große Auswahl.
© Benedikt Muxel
Qual der Wahl: Das Mittagsbuffet im »Habibi & Hawara« bietet eine große Auswahl.

»Social Business« steht als großes Schlagwort über dem »Habibi & Hawara«. Das Unternehmenskonzept vom Friedensnobelpreisträger Muhammad Yunus schließt neben dem ökonomischen Erfolg auch stets die soziale Verantwortung mit ein. Auf Spenden verzichten diese Betriebe. Sie streben nach Gewinn, nutzen diesen aber zur Lösung gesellschaftlicher Probleme.
»Wir wollten nicht nur etwas Gutes tun«, erinnert sich »Habibi & Hawara«-Initiatorin Katha Schinkinger an den Anfang, »wir wollten auch beweisen, dass unternehmerisch viel brachliegt und Talente ungenützt bleiben.« 

Die Ideen gehen dem Team rund um Unternehmer Martin Rohla nicht aus: Im Sommer soll es einen Foodtruck als Take-away-Ableger geben, der von einem Mitarbeiter mit Fluchtgeschichte selbstständig geführt werden soll. Weitere Niederlassungen und Kooperationen, etwa zum Catering des Lifeballs 2017, sind in Planung. Die Initialzündung für das Restaurant mit sozialem Mehrwert gab es im Rahmen einer Hilfsaktion der »Stadtflucht Bergmühle«, einem Verein im Weinviertel.

Auch Süßes aus den Heimatländern der Flüchtlinge gibt es im »Habibi & Hawara«.
© Benedikt Muxel
Auch Süßes aus den Heimatländern der Flüchtlinge gibt es im »Habibi & Hawara«.

»Das war im Sommer 2015«, erinnert sich Teilhaberin Katha Schinkinger, »wir haben die Initiative ›Hosten statt Posten‹ ins Leben gerufen, bei der wir Flüchtlingen auf dem ›Stadtflucht Bergmühle‹-Grundstück ein paar schöne Stunden mit Kulinarik und Wellness schenkten. Aus diesem Moment heraus wollten wir etwas wirklich Nachhaltiges schaffen.« Seit der Eröffnung am 4. Mai 2016 konnte sich das Restaurant einen guten Ruf bei Gourmets erarbeiten. »Das soziale Konzept zieht natürlich Interessierte an – aber wirklich überzeugen musst du mit dem Essen. Nur deswegen kommen die Gäste wieder«, sagt Schinkinger. 

Beim »Familiy Dinner« servieren die Mitarbeiter vom »Habibi & Hawara« orientalische Köstlichkeiten.
© Doris Heinrich
Beim »Familiy Dinner« servieren die Mitarbeiter vom »Habibi & Hawara« orientalische Köstlichkeiten.

Besonders begehrt ist im »Habibi & Hawara« das »Family Dinner«, bei dem unterschiedliche orientalische Speisen auf Platten und in Töpfen am Tisch aufgetragen werden – und das reichlich. Von Hummus über Taboulé, Schawarma und Makrele nach syrischer Art – die Rezepte stammen vornehmlich aus den Heimatländern der Flüchtlinge. Aber auch österreichische Küche findet immer wieder Einzug, etwa beim scharf-orientalisch gewürzten Gulasch.

Chefkoch Edgardo Mendoza (Bildmitte) mit seinem »Habibi & Hawara«-Team.
© Doris Heinrich
Chefkoch Edgardo Mendoza (Bildmitte) mit seinem »Habibi & Hawara«-Team.

Weltumspannend

Das »Habibi & Hawara« ist nicht das einzige gastronomische »Social Business« in Wien, das von Flüchtlingen betrieben wird. Auch die Caritas hat das Konzept mit ihrem »Magdas Hotel« erfolgreich umgesetzt.

Das bunte Interieur spiegelt die Grundwerte im »Habibi & Hawara« wider.
© Benedikt Muxel
Das bunte Interieur spiegelt die Grundwerte im »Habibi & Hawara« wider.

Geradezu idyllisch im Prater gelegen, wird der Hotelbetrieb von dreißig Flüchtlingen am Laufen gehalten. Unterstützt und aus-gebildet werden sie dabei von einheimischen Branchen-Profis. 
»Wir sind ein Hotel wie jedes andere. Aber wir schaffen Chancen für Menschen, die sonst wenige haben«, erklärt Marketing-Managerin Sarah Bárci, während sie durch das Hotel führt, das früher ein Seniorenheim war. Jedes der 88 Zimmer ist mit modernen Upcycling-Designstücken individuell eingerichtet. Am Aufbau und der Gestaltung beteiligten sich auch viele ehrenamtliche Helfer, erzählt Bárci. 
Einige der Flüchtlinge haben bereits in ihrem Heimatland in der Gastronomie oder Hotellerie gearbeitet, etwa die Rezeptionistin, die in Damaskus im »Four Seasons« tätig war, bevor sie aus dem vom Bürgerkrieg erschütterten Syrien flüchten musste. Ihre Team-Mitglieder sind im Iran, in Bangladesch, Pakistan, Afghanistan und verschiedenen afrikanischen Ländern geboren. Insgesamt 23 Sprachen beherrscht das »Magdas«-Team – für ein Hotel ist das natürlich ein großes Service-Plus. 
Nicht nur Gäste aus aller Welt gehen in »Magdas Hotel« ein und aus. Die Küche zieht auch Wiener an, vor allem zum »Flying Dinner«, das jeden Donnerstagabend angeboten wird. Zehn Gänge werden vom internationalen Küchenteam rund um Reinhard Kroiss serviert, jeden richten sie mit einer unglaublichen Detailverliebtheit an. 

Auf eine Karte wird verzichtet. Stattdessen liegen auf dem Tisch zahlreiche kleine Zettel, auf denen die Zutaten vermerkt sind, die bei den Speisen kombiniert werden. Schon die puristischen Aufzählungen machen Appetit, etwa »Fischtatar, Melone, Algen«, »Kalb, Afila, Kartoffel«, »Tee, Pilze, Ei« oder »Saibling, Goldrübe, Rote Rübe«. Wie im »Habibi & Hawara« überzeugt hier nicht nur das soziale Konzept, sondern auch die Gerichte, die auf den Teller kommen. Die Kreationen sind auf den Punkt abgeschmeckt, von überraschender Kreativität und großer Produktqualität.

Nachahmer erwünscht

»Magdas Hotel« wurde im Februar 2015 eröffnet – ein paar Monate vor der großen Solidaritätsbewegung, die sich im Sommer desselben Jahres formierte. Mehrere tausend Flüchtlinge suchten in Europa Zuflucht, Politiker wirkten mit der Situation zuweilen überfordert. Kompensiert wurde die politische Ratlosigkeit durch unzählige Privatinitiativen, die den Flüchtlingen in diesen Monaten mit Unterkünften und Gratis-Integrationsangeboten halfen. 
Auch die Idee zu »Habibi & Hawara« entstand in diesen Sommertagen des Jahres 2015. Heute, kritisieren viele, sei die Welle an Hilfsbereitschaft für Flüchtlinge verebbt. Initiator Martin Rohla schüttelt energisch seinen Kopf. »Sie ist nach wie vor groß«, ist er überzeugt. Die positive Stimmung erlebe er jeden Tag im »Habibi & Hawara«. »Projekte wie ›Habibi & Hawara‹ haben eine enorme Sogkraft. Sie regen auch andere dazu an, aktiv zu werden«, sagt seine Kollegin Katha Schinkinger und ergänzt: »Liebe geht durch den Magen. Die Gäste fühlen sich hier ebenso wie die Mitarbeiter wohl. Und das merkt man.«

Festwochenthema: Flucht

»Traiskirchen. Das Musical.« bringt Geschichten rund um das im Sommer 2015 überfüllte Flüchtlingslager auf die Bühne. Premiere: 9. Juni 2017.

Hier geht's zum Programm

Aus dem Falstaff Wiener Festwochen Spezial 2017

Julia Staller-Niederhammer
Autor
Mehr entdecken
Mehr zum Thema
Kreation aus dem »Mochi«: Wolfsbarsch in einem japanischen Muschelsud.
Wiener Festwochen 2017
Wien isst multikulti
Ramen ist eigentlich eine Kreation aus China und die Wiener Küche ein osteuropäisches...
Von Tobias Müller
Im Gespräch: Schauspielerin Ursula Strauss und Peter Simonischek
Wiener Festwochen 2017
Zwischen Lust und Laster
Prominente Persönlichkeiten erinnern sich an ihre kulinarischen Höhepunkte und erzählen von den...
Von Verena Bierling, Alex. Hesse
Auf den steilen Terrassen rund um den Ätna stellt Frank Cornelissen einen der außergewöhnlichsten Weine Europas her.
Wiener Festwochen 2017
Die Rebstock-Rebellen
Ihre Methoden sind oft eigenartig, und auch ihre Weine schmecken so gar nicht nach Mainstream. In...
Von Herbert Hacker
Stars wie Sammy Davis Junior waren in den 1970ern von Werner Matts Neuer Wiener Küche begeistert. 
Wiener Festwochen 2017
Ein Fisch namens Beuschel
Die Wiener Küche ist ein geniales und grandioses Sammel­surium verschiedenster Lokalküchen der...
Von Manfred Klimek