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FRAG DEN KNIGGE! Wann ist Trinkgeld obsolet?

Falstaff-Leser Ludwig Killermann gibt gerne. Auch wenn er einmal nicht zufrieden war. Wie hält das der Knigge?

»Es soll ja manche geben, die einen Igel im Sack haben. Für mich ist Trinkgeld eine Selbstverständlichkeit. Dennoch gibt es manchmal Situationen, in denen man mit dem Service nicht zufrieden war. Was muss passieren, dass Sie kein Trinkgeld geben?«
Ludwig R. Killermann, Bülach in der Schweiz

Ja, ich kenne Menschen mit Igel im Sack. Und manchmal grinst gerade aus dem tiefsten Beutel das frechste Stachelschwein. Eine Freundin hat eine rote Handtasche mit einem kleinen grünen Kaktus drin. Ich mag sie aber trotzdem. Deshalb lade ich sie einfach ein. Ich lebe lieber stachelfrei. Ich beschwere mich ungern, denn das beschwert mich. Und ich gebe gutes Trinkgeld. Ich weiß, dass es bei den Richtigen ankommt und bleibe gerne in guter Erinnerung. Vielleicht, weil ich früher selbst gekellnert habe. In guter Gesellschaft will ich auch gut aussehen. Kleinzügigkeit kleidet wie ein Anzug von Donald Trump.
Großzügiges Trinkgeld ist mein bescheidener Beitrag zum Wohlbefinden der Menschen, die freundlich, aufmerksam, souverän und versiert ihren bescheidenen Beitrag zu meinem Wohlbefinden geleistet haben. Ich versuche, Geben und Nehmen nicht aus der Balance zu bringen. Kommt der Schweinebraten nicht im Schweinsgalopp, erinnere ich mich, dass jeder tut, was er kann. Bleibt mein Glas trocken, genieße ich das seltene Glück, einmal kurz von der Welt vergessen worden zu sein. Können zählt. Ich kann unterscheiden, ob mir etwas nicht schmeckt oder ob es misslungen ist. Und ich mag stolzen Service, der den Wunsch nach Durchbraten von Entrecotes, Thunas oder Tauben auch mal abschlagen kann.

Moritz Freiherr Knigge
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Moritz Freiherr Knigge

Service ist nicht jedermanns Sache. Jeder war im Leben schon zur falschen Zeit am falschen Platz. Also dürfen selbst schwermütige Irrläufer oder Nervenbündel mit zwei linken Daumen auf anständiges Trinkgeld von mir hoffen. Dem jungen Herrn, der mir vor ein paar Wochen mein Bier in den Hemdkragen gegossen hat, habe ich noch einen Euro draufgelegt, damit er endlich aufhört, sein Missgeschick zu beklagen. Einmal aber habe ich kein Trinkgeld gegeben, sondern das Lokal verlassen. Das war 1999 in einem Brauhaus in Köln. Ich hatte »Himmel&Ähd«. Das Kartoffelpüree war kalt. Als ich den Köbes darauf hinwies, so nennt der Rheinländer den Kellner, steckte der seinen Finger in das Püree und machte mir den Unterschied zwischen Himmel und Erde begreiflich: »Körperwarm. Spezialität des Hauses. Also lasst es Euch schmecken, Majestät.«

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