© Viktoria Mandl

Food Truck, Pop-up, Shop im Shop

»Und irgendwann mach ich mein eigenes Ding . . .« Wer sich mit dem Gedanken spielt, die große Freiheit zu wagen, ist gut beraten, sein ­Konzept vorab zu ­testen. Nur wie und wo? PROFI ­öffnet ein paar Türen.

Verkostungslokal/Shop im Shop

»SauguataGin« oder »Paella Gewürz Lola« – kleine Hersteller, die ihre oft regional gefertigten Produkte auf den Markt – gleich ob Handel und/oder Gastro – bringen möchten, haben es bekanntermaßen selten einfach. Eine Möglichkeit: das Wiener Verkostungslokal »Tastery«. Bis zu 44 Trocken-Food-Produkte werden hier in eigenen Präsentationsboxen präsentiert. Die Konsumenten kosten und geben ihr Urteil über einen Abstimmungsbutton ab. Der Unternehmer bekommt somit ganz ohne Personaufwand wertvolles Feedback – und im Falle den gesamten Verkaufserlös. Im ersten Jahr des Bestehens waren es im Schnitt 60 Besucher am Tag, die neun Produkte getestet haben. Für die Hersteller bietet die »Tastery« ein Smart- und ein Premium-Package an – Preise auf Anfrage. Die meisten Produzenten sind drei Monate im Shop zu finden. Clever: in der »Tastery« gibt es auch ein kleines Café, dadurch wird ein Publikum angezogen, das eher zufällig zu Testern wird.

Ein ähnliches Konzept: das »s’Fachl«, der »Kreativ-Design-Schmankerlshop«, in dem einzelne Regale gemietet werden. Zehn Filialen gibt es mittlerweile in Österreich und für viele ist das »s’Fachl« eine gute Anlaufstelle für kleine, ungewöhnliche Geschenke. Thomas Schauer, Gründer von »Juliberg – Premium Chilisalz« hat das »s’Fachl« genutzt – zusätzlich zum unermüdlichen persönlichen Einsatz wie »telefonieren, hinfahren, beraten und verkaufen.« Schauer hat sein regionales Produkt in »100 Prozent Bio-Qualität« in Gastro und Handel platzieren können, die Präsentation via Mietregal hat durchaus geholfen. »Wir haben die Mühlen verkleinert und den Preis gesenkt«, resümiert der Neuling in der Lebensmittelbranche, der zuvor 20 Jahre eine IT-Firma geführt hatte.

Mietrestaurant/Pop-Up

In Köln gibt es das »Laden ein«, in Leipzig das »Gastgeber«: Restaurants, die schon vom Naming her klarmachen, worum es geht. Die Betreiber bieten Start-ups die Möglichkeit, sich – und ihr Konzept – einmal unter echten Bedingungen auszuprobieren. Zwei Wochen sind hierbei der übliche Zeitrahmen, es können aber auch schon mal drei werden, wie Michael Bauß vom »Gastgeber« berichtet. Prinzipiell sei der Testbetrieb mit zwei Wochen aber ausreichend, seien hier ja zumeist Rookies am Werk, für die »zwei Wochen lang sechs Tage in der Küche unter Umständen hart genug ist«. Viele der Gastgeber machen das Ganze zudem in ihrem Urlaub.

Bewerben kann sich jeder, »ob jemand ‚geeignet’ ist spüren wir im persönlichen Gespräch«, so Bauß, der selbst ­gelernter Koch ist. »Wir begleiten unsere Gastgeber bereits in der Planung, also etwa bei der Erstellung der Speisekarte, der Kalkulation der Gerichte bis hin zur Organisation in der Küche. Wir drucken Karten, plotten Logos, im Notfall stehen wir auch mit in der Küche.« Das Ganze basiert auf einem Beteiligungs­modell und selbst wenn er wolle, könne er hier keine genauen Zahlen nennen, so der Gründervater, weil es unter anderem darauf ankomme, wie viel Unterstützung benötigt werde. »Die Gastgeber bringen ihre Ware oder ihr Produkt selbst mit. Die Basis der Beteiligung deckt diese Kosten, also einen durchschnitt­lichen Wareneinsatz.« Die Unternehmer auf Probe stellen dann den Restaurantbesitzern eine Rechnung über ihre Anteile, »mehr Bürokratie« habe man nicht. Während des Betriebs fährt das Team ein gemischtes Selbstbedienungs-Konzept. Die Gäste bestellen am Tresen, nehmen Getränke mit und bezahlen direkt. Das Essen wird serviert und die Teller werden abgeräumt. »Hier legen wir den Gastgebern nahe mitzuarbeiten, um den Kontakt zum Publikum zu bekommen.« Und wenn ein temporärer Gastgeber kurzfristig erkrankt: Dann springen Bauß und sein Partner eben selbst ein. Gelernt ist gelernt.

© Viktoria Mandl

Food Truck

»Pâtisserie auf drei Rädern« – das ist Lea ­Nüsgens Leidenschaft. Die Bielefelderin liebt die Flexibilität, die ihr der Verkauf auf der Straße bringt. Das muss man mögen, ganz klar. »Wer bei jedem kleinen Windhauch ein Halstuch benötigt, ist sicher nicht für dieses Geschäftsmodell gemacht«, räumt Nüsgen ein. Verkauft wird nicht auf Events, wie es bei den meisten Foodtrucks der Fall ist, sondern auf Wochenmärkten. Dazu kommt das Catering. Die Konditorin über die Vorteile: »Ich muss meinen ‚Laden’ nicht von Montag bis Sonntag öffnen, sondern dann, wenn es sich rechnet oder es wichtig ist, Präsenz zu zeigen.

Ich kann in Ruhe – quasi backstage – meiner Arbeit nachgehen und am Ende der Woche konzentriert verkaufen, ausliefern und catern.« Immer wieder kommt es natürlich vor, dass sich Foodtruck-­Betreiber ein fixes Ladenlokal suchen, das Leben auf der Straße hat vor allem oft auch bürokratische Hürden. Nicht selten bleibt es aber bei einem ­kurzen Ausflug in die Sesshaftigkeit. Wie sieht die junge Pâtissière das? »Natürlich kann es sein, dass ich mir irgendwann einen festen Standort suche, um nicht als ›kurzfristiges Phänomen‹ zu gelten. Den freien Verkauf würde ich allerdings nie aufgeben!«

Nicola Afchar-Negad
Autor
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