Hanni Rützler auf Recherche in Tel Aviv

Hanni Rützler auf Recherche in Tel Aviv
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Food Report 2018: Küche macht Politik

Der aktuelle Bericht offenbart, dass Essen nicht nur Nahrungszufuhr und Genuss-Sache ist, sondern auch aktive Gestaltung unserer Welt.

Das Motto für 2018 lautet: Shalom, Salam, Salut und Servus. Zumindest wenn man sich nach dem neuesten, erst dieser Tage publizierten Food Report 2018 orientiert. Das im Auftrag des »Zukunftsinstituts« und unter der Federführung der Ernährungswissenschafterin Hanni Rützler verfasste 100-seitige Schriftstück prognostiziert die orientalische Küche als die prägende für die nächsten Jahre und Tel Aviv als den Hotspot für trendbewusste Foodies. Was dort passiert, was woanders ausbleibt? Das Leben pulsiert hier stärker als anderswo. »It’s a Kitchen of Conflict«, schreibt die israelische Food-Journalistin Ronit Vered. Eine Küche als Spiegelbild unserer ebenso spannenden wie schwierigen Zeit: Gleichzeit strikt und offen – strikt in ihren Besitzansprüche (sind Falafel oder Humus nun israelisch oder palästinensisch?) und offen für äußere Einflüsse (Falafel und Humus sind israelisch und palästinensisch!). Einerseits puristisch, wenn es um die Regionalität der Produkte geht, andererseits vielseitig-verspielt bei deren Zubereitung. Mit einem hohen Anspruch an Frische, Alltagstauglichkeit und Flexibilität. Und als Gericht nicht immer einordenbar in Frühstück, Lunch und Abendessen. 

Folgende Megatrends lassen sich aus dem Food Report 2018 herauslesen:

  • Hallo, Essen – »Meet Food«. Immer mehr Konsumenten verlangen nach lokaler Nähe zum Produkt. Sie wollen wissen, woher Gemüse, Fleisch oder Käse auf ihrem Teller stammen – und gegebenenfalls sogar dorthin fahren. Die gläserne Manufaktur ist Bestandteil von Inspiration und Orientierung.
  • Von der Nebensache zur Hauptsache: Gemüse. Der Veggie-Trend hat noch nicht den Zenit erreicht. Trendsetter wie der israelisch-britische Koche Yotam Ottolenghi zeigen, wie man mit reiner Pflanzen-Küche Gourmet-Kreationen vollbringt. Die Aufwertung von Gemüse als eigenes Ganzes hängt auch stark mit Gesundheitsbewusstsein zusammen.
  • »Female Connoisseurs«: Frauen an den Herd! Die Spitzengastronomie war jahrhundertelang reine Männersache, jetzt greifen immer mehr Frauen nach den Sternen. Die Modernisierung der Profiküchen, der Hang zur bewussten Ernährung, die weiblich dominierte Food-Blogger-Szene führen dazu, dass in der Top-Szene immer mehr Kenner- und Könnerinnen das Sagen haben.
  • Das Ende der fixen Essenszeiten. Globalisierung und Digitalisierung haben uns in ein 24/7-Welt katapultiert; Erwerbsarbeit findet rund um die Uhr statt. Der Nachtarbeiter macht aus seinem Frühstück ein »Spät-Stück«, das sich bis in den Nachmittag hineinziehen kann. Umgekehrt ist für den Frühaufsteher der späte Lunch ein frühes Abendessen.
  • Gastronomie: Die Eklektik des Levantinischen. Mezze – frisch zubereitete, vielfältige, kleine Gerichte an denen gemeinschaftlich gegessen wird, erobern die Speisekarten. Das macht unsere Esskultur gesünder, legerer und weltoffener. Oder wie es Meir Adoni, Küchenchef in mehreren In-Restaurants in Tel Aviv sagt: »For me, I have no rules, no limits. I don’t cook inside a box«.
Michaela Ernst
Michaela Ernst
Chefredakteurin Falstaff Magazin
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