Flüssiges Obst aus dem Genussland Österreich
© Steiermark Tourismus Ikarus

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Wir haben hinter die Kulissen einiger »AMA GENUSS REGION«-zertifizierter Betriebe geblickt und uns die fruchtige Sortenvielfalt genauer angesehen. Stolze 100 verschiedene Obstsorten hat Leopold Boden in St. Peter am Ottersbach kultiviert. Doch der Steirer relativiert diesen Sortenreichtum: »Damit spiegelt sich die Artenvielfalt der heimischen Natur nur ansatzweise wider«. Boden greift als Baumschulbetrieb von Berufswegen auf viele Sträucher und Bäume zurück. Doch Österreichs Angebot in diesem landwirtschaftlichen Bereich ist auch so besonders groß:
Der Reichtum an kleinklimatischen Gegebenheiten lässt Beeren, die es kalt mögen, ebenso sprießen wie langsam wachsende Obstbäume, die in raueren Zonen keine verwertbare Frucht bringen. Die klassische Form dafür war die so genannte »Streuobstwiese«.
Streuobst: vergoren und gebrannt
Vor allem für Mostobst – Äpfel und Birnen – stellte diese von vielen, teils historischen Sorten gebildete Wuchsform lange den Regelfall dar. So schön sie die Landschaft mit duftenden Blüten und leuchtenden Früchten auch macht – heute sind die Streuwiesen arg dezimiert. Doch die eingeschworene Gruppe der »Mostler« hält an dieser bewährten Form fest. Denn sie ist elementar für die Qualität ihres leicht alkoholischen Getränks. Beim Genuss sind die Oberösterreicher Spitzenreiter, die 35 Liter Most pro Kopf und Jahr konsumieren (gegenüber 1,28 Liter im nationalen Schnitt). Die hohe Zahl der Most-Keltern im Alpenvorland ist eine Konstante – von der Buckligen Welt bis ins Lavanttal, von der bayrischen Grenze bis ins Rheintal. Kein Wunder, dass Brenner Hans Reisetbauer genau in dieser Zone 1990 mit Äpfeln von seinem Kirchdorfergut durchstartete.
Der bei »Falstaff« höchst prämierte Brand des Axbergers wiederum ist bis heute das Williams Christ-Destillat. Eine eigene Linie rund um das Mostobst hat Franz Lauritsch gefunden. Der Kärntner steht in einer elf Generationen zurückreichenden Tradition am Mischelle-Hof in St. Egyden. Auf den »Mostini«, eine Art Frucht-Wermut, und den »Moseco«, Birnen-Cider mit Holunderblüten, kam aber erst »Bauer Franz«, wie sich Lauritsch selbst vermarktet.

© Netzwerk Kulinarik/ Martina Siebenhandl
Die Vielfältigkeit einer Frucht
Most wird man bei Christine und Bertram Nachbaur am »Peter Hof« in Vorarlberg zwar auch finden, doch auf 900 Meter Seehöhe regiert die Süßkirsche »Kriasi«. Sie wird von den Nachbaurs in Facetten verarbeitet, die leidenschaftlichen Marmelade-Konsumenten vielleicht noch unbekannt sind: zu reinsortigen und Misch-Säften, etwa »Kriasi-Essig«, oder zu einem Tee-Aufguss aus den aromatischen Kirschenstielen. Auf Schritt und Tritt trifft man auch »Früchtchen in Arbeit«-Schilder, die das ganze Jahr auf die Kirschbäume hinweisen, die seit Generationen zum Ort gehören. Deutlich jünger sind hingegen die Zimmer, mit denen man am »Peter Hof« diese Köstlichkeiten – und den Blick ins obere Rheintal bis zum Rätikon – den Gästen nahebringt.
Im Osten Österreichs gehört die Wiesener Erdbeere, die Feinschmecker jedes Jahr sehnsüchtig erwarten, zu den fixen Kündern des Sommers. Wenn die »Steigerl« von den Produzenten wie der Familie Habeler im Direktverkauf oder bei Genusspartnern verfügbar sind, lachen Fans jeden Alters mit dem satten Rot der »Ananaserdbeere« um die Wette. Entsprechend vielseitig ist auch die Produktpalette der Habelers – von Beerenaufstrichen bis zum Erdbeer-Likör.
Eine andere Nische hingegen nutzen Andrea und Erich Hirmann, auch wenn bei ihnen Erdbeeren ebenfalls eine Rolle spielen. Doch an der Adresse »Pußta 5« im südburgenländischen Rudersdorf beherrscht das saure Obst die Produktion. Gut 30 Essigsorten haben die Spezialisten im Angebot, die Früchte variieren von Birne über die besagten Beeren-Essige und Zwetschge bis hin zu Pfirsich und Weichsel.

© Niederösterreich Werbung/ Robert Herbst
Regionales ist nicht austauschbar
Während viele Winzer gern das Generationen-alte Handwerk ausloben, erkennt man beim Obst das oft weit länger tradierte Produzenten-Wissen nicht immer sofort. Doch gerade die Brenntradition, in der Familien lange nichts Anderes als eine nachhaltige Konservierung der Früchte sahen, zeigt, wie glücklich sich Österreich mit den alten Sorten und Anlagen schätzen kann.
Denn der Edelbrand, dessen Maische ausschließlich aus der namens-gebenden Frucht stammen darf, ist etwas ganz Besonderes. Im Zuge der Hinwendung zu regionalen Zutaten und Saisonalität hat auch die Bar-Szene diesen Schatz wieder schätzen gelernt. Mit alkoholfreien Menü-Begleitungen blickt die Spitzengastronomie immer häufiger auf die jahrzehntelange Erfahrung heimischer Saft-Erzeuger. So entdeckte man etwa das Traisental in Niederösterreich, wo 150 Obstsorten den Rohstoff für Fruchtsäfte geben. Erich Altenriederers Raritäten wie seinen »Erdbeer-Frizzante« oder »Weingartenpfirsich-Nektar« findet man seither in etlichen Lokalen. »Die sortentypischen Fruchtaromen, der natürliche Fruchtzucker und die prickelnde Fruchtsäure prägen den einzigartigen Geschmack«, schwärmt der Herr der 150 Sorten vom besonderen Trinkerlebnis.

© Michael Haberler
Beerenstarker Tourismus-Motor
Schon früh begann man in der Steiermark, diesen Schatz auf den Bäumen auch über-regional zu bewerben. Die »Apfelstraße« wurde so beliebt, dass Gäste statt zum Stubenbergsee lieber zu den 40 Höfen, die sich mit der Obstveredelung beschäftigen, fuhren. Bei den Knallers in Puch etwa ist der Apfel allgegenwärtig – selbst die Sitzbank vor dem schmucken, alten Holzhaus hat die Form eines Apfels. Für Wanderer gibt es hier nicht nur den Direktverkauf von Apfelsaft, -wein oder -schnaps, auch ein Selbstbedienungsladen sorgt für gekühlte Äpfel.
Die Wildfrucht des Pielachtals, offiziell Kornelkirsche genannt, wird mit Hingabe von den Einheimischen in allen Varianten gepflegt. Im Gegensatz zu vielen süßen Früchten ist diese spät reifende kleine Frucht eher »hantig«. Das Aroma bietet viele Verarbeitungsmöglichkeiten, wie die Produktpalette der Familie Fuxsteiner beweist: Dirndlsenf und Brände bis hin zum Barrique-gelagerten Kornelkirschen-Destillat finden sich am Hof. Senior Josef Fuxsteiner war der Pionier des Dirndltals, Melanie fungierte 2004 als erste Pielachtaler »Dirndlkönigin« und feilte kräftig an der überregional bekannten Marke mit.

© Vlad Siaber/ Shutterstock
Traditionelle Sorten, neue Fans
»Immer wieder werden wir positiv von neuen Anwendungsmöglichkeiten unserer Dirndln überrascht«, kennen aber selbst die Fuxsteiners längst nicht alle Vorteile der alten Pflanze. Dass man nämlich mit den gerbstoffreichen Kernen Leder ganz ohne Chemie gerben kann, entdeckte erst Maßschuhmacherin Doris Pfaffenlehner. Das Dirndl-Wildleder war geboren – und seine Erfindung wohl einen Schluck vom Dirndlbrand wert! Dabei hat der Obstbau nicht nur eine lange Vergangenheit als bäuerlicher »Nebenverdienst«, sondern auch eine lebendige Gegenwart.
Den Umstieg von der gemischten Landwirtschaft mit Viehhaltung auf Ackerbau mit klarer Spezialisierung trägt der »Biobeerengarten Hummel« bereits im Namen. 1985 begann Johannes Hummel Senior mit den Vorarbeiten, aus denen heute ein »beeriges« Paradies wurde: Himbeeren, Heidelbeeren, Goji-Beeren, Goldbeeren (Physalis), aber auch Mini-Kiwis locken nach Loosdorf bei Mistelbach. Die Weinviertler bieten Himbeeren zum Selberpflücken – stets ein Erlebnis! – an und produzieren aus den Früchten ihrer sechs Hektar umfassenden Anlage kreative Getränke. »Wilde Hummel« nennt sich etwa der Himbeer-Perlwein, und in einem Weinbaugebiet hat man auch den »Sturm« neu erfunden. Dem »Bio-Himbeersturm« der Familie kann man getrost Kult-Status zusprechen.

© Shutterstock
Neuzugänge: Goji, Aronia & Co
Diese Entwicklung neuer Produkte aus den altvertrauten Früchten macht den heimischen Sonderweg aus, der etwa auch bei Claudia und Martin Pratnekar gelebt wird. »Baccazzante« brachte das Paar im Vorjahr auf den Markt und der eigene Gin sorgt für eine regionale Drink-Alternative zu internationalen Likören: »Wir empfehlen den Sommerhit mit einem Teil ›Baccazzante‹, zwei Teilen Soda, Zitrone und einem Minzblatt«. Das Obst stammt am »Petzenlandhof« aus eigenem Anbau oder von umliegenden Höfen. Und die Innovationskraft der Brenner macht sich bezahlt: 2020 wurden die Pratnekars zum »Produzent des Jahres« in Kärnten gewählt.
Spezialisierungen müssen also nicht Jahrhunderte alt sein, wenn Klima, Boden und vor allem die Leidenschaft für das Obst stimmen. Vor zehn Jahren etwa startete im steirischen St. Ruprecht/Raab das Aronia-Zeitalter. Mit Unterstützung der ganzen Familie widmen sich Angelika und Martin Köck der »Apfelbeere«, einem Rosengewächs mit bemerkenswerten Gesundheits-aspekten – vor allem die Radikalfänger machen das Strauchgewächs begehrt. Oder, wie es die Köcks formulieren: »Das ist Superfood vom Gartenacker«.
Falstaff Special »Genussland Österreich«
Ein Falstaff Spezial, welches der österreichischen Kulinarik gewidmet ist. Das Magazin enstand in Kooperation mit AMA GENUSS REGION und der Österreich Werbung.
Alle genannten Betriebe sind mit dem Gütesiegel »AMA GENUSS REGION« zertifiziert. Mehr Infos und alle Betriebe unter genussregionen.at