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Fasten: Hunger oder Hölle?

Gefastet wird längst nicht nur mehr aus traditionell religiösen ­Motiven. Vielmehr geht es um die Gesundheit.

Zeitweiliges Fasten ist in allen Weltreligionen fest verankert. Ob zu vorgegebenen Zeiten wie mit der 40-tägigen Fastenzeit vor Ostern im Christentum, dem Ramadan im Islam oder der individuellen Gestaltung im Hinduismus – bei allen dient der Verzicht der Buße, der Reinigung der Seele und der spirituellen Einkehr. 
Auch das aus gesundheitlichen Motiven entstandene Heilfasten ist nicht mehr ganz neu. Pionier des medizinischen Fastens war der Arzt und Philosoph Otto Buchinger, der 1935 sein Buch »Das Heilfasten« veröffentlichte und damit einen Grundstein für noch heute aktuelles Fasten legte. Er verstand Fasten als ein Stimulans für menschliche Selbstheilungskräfte und als Einstiegsphase in eine vollwertige Ernährung. Sein drei- bis vierwöchiges Heilfasten ist ein ganzheitliches Konzept und umfasst eine Anamnese ebenso wie die Einschulung in Fastengrundsätze, Rituale, regelmäßige Darmreinigung, ausreichend Bewegung und Entspannung, Stille sowie die klassische Behandlung vorliegender individueller Krankheiten.
Kritikpunkt ist jedoch: Die »Schlacken«, wie sie bereits von Buchinger beschrieben wurden, entbehren jeglicher wissenschaftlicher Evidenz. Sie manifestierten sich aber als Bild, wonach man den Körper in regelmäßigen Abständen »entschlacken« müsste. Das aktuell gehypte Detoxifying – oder zu Deutsch: Entgiftung – bedient sich ebenso eingängiger Bilder: Der Körper von gesunden Menschen sei von Stoffwechselprodukten, Umweltgiften, Alkohol, »ungesunden« Nahrungsmitteln und durch Tabakkonsum belastet. Er gehört daher von diesen Giften befreit. Saftkuren werden dazu häufig angeboten. Während dieser sollen ausschließlich Gemüse- und Fruchtsäfte sowie Gemüsebrühen, Tee und reichlich Wasser getrunken werden. Man nimmt etwa 150 bis 300 kcal pro Tag zu sich. Feste Lebensmittel sind verboten. 

Die Selbstreinigung des Körpers

Sowohl beim Konzept der »Entschlackung« als auch bei Detox-Kuren wird ignoriert, dass der Körper seine Abbauprodukte effizient über die Ausscheidungsorgane wie Niere, Leber oder Haut selbst entsorgt. In der konventionellen Medizin existiert das Konzept der Entschlackung oder Entgiftung nicht, sie versteht unter Entgiftung entweder die Blutreinigung via Dialyse bei Nierenversagen oder die Entwöhnung von alkohol- und drogenabhängigen Menschen. Experten von der Donau-Universität Krems halten Detox daher für eine »eingebildete Lösung für ein nicht existierendes Problem«. Im Rahmen ihrer Recherche haben sie »keine Studien gefunden, die einen gesundheitlichen Vorteil von Detox-Kuren nachweisen«. Das Fasten hat sich also im Profanen ebenso verankert wie für viele die Gesundheit generell als Religionsersatz.

© Gina Müller

Was ist Intervallfasten?

Klar abzugrenzen vom religiösen Fasten und vom Heilfasten ist das boomende Intervallfasten, auch intermittierendes Fasten genannt. Letzteres ist eher mit Diäten zu vergleichen, und darum geht es beim Fasten eigentlich nicht. Dass Körpergewicht abgebaut wird, ist beim Fasten bloß ein Nebeneffekt. Selbstverständlich kann längerer Nahrungsverzicht einen Bruch mit bisherigen Gewohnheiten auslösen und einen bewussten Lebensstil initialisieren. Steht beim Fasten jedoch nur die Gewichtsreduktion im Vordergrund, wird der Erfolg nur von kurzer Dauer sein und der berühmte Jo-Jo-Effekt folgen. Dieser soll beim Intervallfasten angeblich ausbleiben, weil man zwischen den Fastenintervallen normal essen darf. Großes Plus bei diesem Konzept ist eben, dass es sich mit dem gewohnten Lebensstil besser vereinbaren lässt und deshalb – auch langfristig – mehr akzeptiert wird.
Wie der Name schon sagt, gibt es beim Intervallfasten Phasen des Verzichts und Phasen, in denen gegessen wird. Im Wesentlichen sind derzeit drei Varianten verbreitet: 1:1, 5:2 oder 16:8. Bei 1:1 (Alternate Day Fasting) wird abwechselnd an einem Tag gegessen und am nächsten Tag gefastet. Bei 5:2 handelt es sich um die von der Ernährungsmedizinerin Michelle Harvie entwickelte Variante. Fünf Tage lang kann frei wählbar gegessen werden, an den zwei folgenden Tagen wird gefastet. Bei 16:8 (Leangains-Methode) springt das Intervall auf Stunden. Acht Stunden lang darf nach Lust und Laune gegessen werden, dann folgt eine Zeit der Karenz für 16 Stunden.
Etliche gesundheitliche Vorteile wie ein längeres Leben, ein reduziertes Risiko für Diabetes Typ 2 oder eine bessere Gehirnleistung im Alter werden dem intermittierenden Fasten zugesprochen. Die Aussagen stützen sich jedoch lediglich auf Tierversuche. Studien mit Menschen gibt es nur wenige, und wenn, dann mit sehr geringer Probandenzahl. Daher sind Fragen zu Nebenwirkungen, Folgen des Fastens oder optimaler Dauer der Fastentage derzeit ungeklärt.
Intermittierendes Fasten wird auch mit Gewichtsverlust verbunden. Da an einem oder zwei Tagen weniger bzw. gar nichts gegessen wird, kommt es über einen längeren Zeitraum zu einer geringeren Kalorienaufnahme. Übergewichtige Menschen profitieren vom Intervallfasten meist mehr als Normalgewichtige. Durch die mehr oder weniger langen Nahrungspausen sinkt der Blutzuckerspiegel, wodurch es zu Schwindelanfällen und Unwohlsein kommen kann. Deshalb wird Kranken, Schwangeren, Stillenden, Älteren und Personen mit Essstörungen vom Intervallfasten abgeraten.

Erschienen in
Falstaff Nr. 01/2018

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Marlies Gruber
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