Falstaff Produkttest: Osterschinken

Er gilt als kulinarischer Höhepunkt der Feierlichkeiten nach der Fastenzeit. Das Falstaff-Team hat die besten Schinken geprüft: Selcharoma, Fettrandl und Preis waren ausschlaggebende Faktoren.

Egal ob man sich in der Fastenzeit Entbehrungen auferlegt oder sie weitgehend ignoriert: Auf den ­Osterschinken freuen sich alle, die nicht der Neigungsgruppe Vegetarier angehören. Welcher Schinken zu Ostern aufgetischt wird, ist von Region zu Region unterschiedlich. In Salzburg wird der Selchroller bevorzugt, in Kärnten packt man eher Schinken von der Nuss – ein besonders mageres und zartes Teilstück der Keule – in den Korb. Als Kernland des Osterschinkens gilt aber die ­Steiermark, und wenn man einen steirischen Dorffleischhauer fragt, dann bekommt man umgehend zur Antwort, dass es sich dabei um Frikandeau – ein weiteres Teilstück der Keule – handeln muss. Wir haben uns in der Verkos­tung an den Ausschreibungskriterien der Landwirtschaftskammer Steiermark orientiert, die bereits zum 15. Mal eine Osterschinkenprämierung durchgeführt hat: Kochschinken vom Schwein, Teilstück Frikandeau, geräuchert und gebrüht, mit Speckrand und Schwarte.

Authentischer Osterschinken
Da die Verkostung aus produktionstechnischen Gründen bereits Ende Februar statt­gefunden hat, war das Angebot an Osterschinken in den heimischen Supermärkten ­enden ­wollend. Zur Verkostung beim »Mayer am Pfarrplatz« wurden die besten Produkte der steirischen Osterschinkenprämierung sowie eine Auswahl an vergleichbaren Produkten aus dem Fachhandel gereicht. Aufgabe der Verkos­ter war es, einen möglichst authentischen Osterschinken zu finden, weshalb ­Ersatzprodukte wie klassischer Beinschinken einen gewissen Startnachteil hatten.

Gemütliches Verkos­tungsambiente beim »Mayer am Pfarrplatz« / Foto: © Philipp Tomsich
Gemütliches Verkos­tungsambiente beim »Mayer am Pfarrplatz«

Die Kriterien
Die Verkostung erfolgte durch Prüfung der Kriterien Optik, Geruch, Konsistenz und Geschmack, wobei Letzteres in der Auswertung am stärksten gewichtet wurde. Zur Prüfung der Optik wurde ein ganzes Stück herangezogen, wobei bei der Schnittfläche Wert auf feine Maserung, leicht durchzogenes Fleisch und eine homogene, frische Farbe gelegt wurde. ­Außen soll das Schinkenstück möglichst eben zugeputzt sein und keine Schwülste oder Vertiefungen haben. Keinesfalls darf es zu dunkel sein oder Grautöne aufweisen.

Direktvermarkter im Vorteil
Zur geschmacklichen Bewertung wurden die Schinken in kompakte Scheiben aufgeschnitten. Idealerweise stellt sich bei der Geruchsprobe ein typisches Selch- bzw. Raucharoma ein, das nicht zu aufdringlich sein darf. Die ideale Konsistenz besteht, wenn der Schinken am Gaumen als schön schmelzig wahrgenommen wird, eine zu trockene oder schmierige Beschaffenheit brachte Abzüge. Bei einem perfekten Osterschinken findet das Selcharoma am Gaumen eine stimmige Fortsetzung. Obwohl manche Produkte der Beigabe von Geschmacksver­stärkern verdächtigt wurden (»riecht nach Krakauer«, »wurs­tig«), war das Qualitätsniveau wirklich anständig, was auch dadurch dokumentiert wird, dass kein Schinken in der Endwertung weniger als zwei Punkte erreicht hat. Resümee: Die kleinen Direktvermarkter sind gegenüber größeren Händlern im Vorteil, ­sowohl geschmacklich als auch das Preis-Leistungs-­Verhältnis betreffend.

BEST OF SCHINKEN
Die besten sechs der Falstaff-Schinkenverkos­tung sind Direktvermarkter, bei denen man beispielsweise telefonisch bestellen kann. Produkte aus Supermärkten oder von Großvermarktern sind im Ranking eher im hinteren Bereich anzutreffen. Der Fairness halber muss dazugesagt werden, dass die Kleinproduzenten die Schinken mit dem Bewusstsein auswählen konnten, dass sie bei einer Verkostung eingereicht werden, während die Händler nicht eingeweiht waren. An der Spitze ergab sich ein Ex-aequo-Sieg mit fast identen Bewertungen: Der Schinken der Familie Trettan ist etwas günstiger, jener der Familie Hatzl wurde im Geschmack um einen Hauch höher bewertet.

Die Ergebnisse des Tests sehen Sie in der Bilderstrecke.

Margareta Reichsthaler / Foto: © Philipp Tomsich

»Obwohl man schon die besten Schinken verkostet, gibt es noch erstaunlich viele Unterschiede. Diese Individualität ist zu begrüßen!«
Margareta Reichsthaler
Obfrau Genuss Region Österreich und ­Geschäftsführerin des ­Marketingvereins »Gutes vom Bauernhof«. www.gutes.at

Alexander Jakabb / Foto: © Philipp Tomsich


»Ein spannender Geschmacksbogen, aber an der Spitze gibt es nur wenige, die eine wirklich hervorragende Qualität haben.«

Alexander Jakabb
Gourmetjournalist, Restaurantkritiker und Autor von »Weinkaufen im Supermarkt«. www.weinkaufen.at

Peter Simonischek / Foto: © Philipp Tomsich

»Es waren zwei bis drei wirkliche Osterschinken dabei, die nicht mehr können, als sie können sollen. Ich erwarte mir rus­tikalen Charakter.«
Peter Simonischek
Theater- und Fernsehschauspieler und bekennender Feinschmecker. Zurzeit als Hofreiter in Schnitzlers »Weitem Land« im Burgtheater zu sehen.

Johannes Lingenhel / Foto: © Philipp Tomsich

»Ich bin sehr froh, dass die Produzenten wieder zu einem Fettrandl zurückgekehrt sind!«
Johannes Lingenhel
Geschäftsführer und Einkäufer des Feinkost­paradebetriebs »Pöhl am Naschmarkt«.
www.poehlamnaschmarkt.at

Gerhard Lobner / Foto: © Philipp Tomsich

»Es gab ganz wenige, die mich an meine Kindheit erinnerten. Ein verführerischer Geruch, wie wenn man hungrig die ­Fleischerei betritt.«
Gerhard Lobner
Geschäftsführer von »Mayer am Pfarrplatz«, Weingut und Heuriger. Genussaffiner ­Gastgeber der Verkostung. www.pfarrplatz.at

Bernhard Degen / Foto: © Philipp Tomsich

»Neben dem ­Selchen scheint die optimale Kochdauer ein Erfolgsgeheimnis zu sein.«
Bernhard Degen
Falstaff-Chefredakteur Neue Medien und Organisator der ­regelmäßigen Fachverkostungen

Text von Bernhard Degen
Aus Falstaff Nr. 02/2012

Bernhard Degen
Autor
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