© Gina Mueller/Shutterstock/Udo Titz

Essay: Oberösterreich – mit Wind in den Segeln

Früher mag Oberösterreich ein langsamer Schoner gewesen sein. Doch inzwischen ist das Land längst ein modernes und wendiges Schiff, das erfolgreich auf den Weltmeeren vorankommt.

Es ist ein besonderes Gefühl, das Steuer zu halten. Es ist nicht mehr und nicht weniger als einfach cool, die Pinne des Segelbootes in der Hand zu haben und den Kurs des Bootes zu bestimmen. Mit dem Wissen, dass nicht alles, was kommt, vorhersehbar ist, aber gleichzeitig mit dem Gefühl, auch das Unvorhersehbare gut meistern zu können. Es ist mit Sicherheit eines der größten Bedürfnisse des Menschen, den Kurs seines Lebens möglichst selbst bestimmen zu können. Und wenn man uns nur lässt, dann können wir es ja auch. Der Mensch ist schließlich das vernunftbegabteste, sozialste und lösungsbegabteste Wesen auf dem Planeten Erde. Er muss sich nur auch stets darauf besinnen und seine Karten ausspielen wollen und können.

Die Hand fest am Ruder

Was hat der Homo sapiens nicht schon alles vollbracht? Wie viele künstlerische Leistungen, wie viele Entdeckungen und Innovationen hat die Menschheit hervorgebracht? Ja, es ist noch viel Luft nach oben, noch viel zu tun. Aber es ist und bleibt gleichermaßen beeindruckend und spannend, wie sehr die letzten etwas mehr als 50 Jahre, die meine Lebenszeit mittlerweile schon überspannt, von Veränderungen, Erneuerungen und Verbesserungen geprägt waren. Das erhebende Gefühl, die Pinne eines Segelbootes in der Hand zu halten, erlebe ich jedes Jahr aufs Neue beim Segeln am Attersee. Und man wird dabei auch immer wieder daran erinnert, dass ohne Wind in den Segeln selbst der noch so motivierte Steuermann nur wenig ausrichten kann.

Aus der jüngsten Geschichte lässt sich gut belegen, dass Oberösterreich ein Land ist, dass seinen Bewohnerinnen und Bewohnern viel Wind in die Segel bläst. Als ich 1968 in Linz geboren wurde, war die Welt eine andere – und sie war in Aufbruchsstimmung. Veränderung lag in der Luft. Bürgerrechtsbewegungen in den USA, der »Prager Frühling« oder Studentenbewegungen in vielen europäischen Ländern – die Menschen, die Bürgerinnen und Bürger wollten mehr Rechte, mehr Selbstbestimmung, mehr Chancen, die Pinne ihres Lebens selbst in der Hand halten zu können. Und Linz war damals ein Industriezentrum, eine Stahlstadt – vielleicht auch mit der dazu passenden Gemütslage. Gefühle, die Jahre später die legendäre Linzer Band Willi Warma zu ihrem Song »Stahlstadtkinder« animierten.

Aber auch wenn der Slogan »In Linz beginnt’s« erst viele Jahre nach 1966 aufkam, so war dieses Jahr mit der Gründung der Johannes Kepler Universität zweifelsohne für die weitere Entwicklung von Oberösterreich von größter Bedeutung. Die Segel waren gesetzt und die nötige Brise war im Kommen. Und es wurde der richtige Kurs eingeschlagen. Von da an war klar, das Schiff steuert in Richtung Bildung, Forschung, Talentförderung und Innovation. Es galt den gleichermaßen wichtigsten und nachhaltigsten Rohstoff Oberösterreichs zu heben: das kreative Potential und die Ideen der Menschen, die in Oberösterreich leben. Und wie hätte man diese Idee besser weiterführen können, als im Jahr 1973 dann die Universität für künstlerische und industrielle Gestaltung aus der Taufe zu heben.

Der Kurs stimmt

Hoch am Wind der Zeit wurden in Folge laufend wichtige strategische Manöver und das Setzen innovativer Kurse bei voller Fahrt ermöglicht: Die ersten Informatikvorlesungen Österreichs wurden in Linz gehalten, seit 1993 komplettieren die oberösterreichischen Fachhochschulen das Bildungssystem des Landes, mit der Einführung eines universitären Mechatronik-Studiums war man weltweit vorne dabei. 2014 kam die Fakultät für Humanmedizin dazu und 2020 setzte man mit dem Studium der Artificial Intelligence einmal mehr die Segel in Richtung Innovation. Und am Horizont erscheint schon die nächste Böe, durch die das Schiff noch mehr Fahrt aufnehmen wird: die bereits beschlossene Gründung einer Technischen Hochschule mit Schwerpunkt auf Digitales.

Heute steht Oberösterreich für Kreativität und Innovation, gepaart mit einer tiefen Verwurzelung.

Von innovativen Lehrlingsausbildungskonzepten über das künstlerische Renommee der Anton Bruckner Privatuniversität bis hin zur weltweiten Bedeutung der Ars Electronica – der Kraft der Diversität scheinen in Oberösterreich keine Grenzen gesetzt zu sein. Heute steht das Land für Kreativität und Innovation. Komponenten, ohne die es unmöglich wäre, dass Unternehmen im Land in ihrer Branche oder Sparte zu Weltmarkführern geworden sind, die globale Veränderungen nicht nur meistern konnten, sondern die entsprechenden Herausforderungen für sich nutzbar gemacht haben. Die Interaktion von Forschung und Wirtschaft, die zu einer besonders hohen Rate an Patent­anmeldungen führt, gepaart mit der Weltmarktorientierung innovativer Unternehmerinnen und Unternehmer prägen die wirtschaftliche Entwicklung des Landes. Und bei all dem gibt eine tiefe Verwurzelung die nötige Kraft. Wer auf einem oberösterreichischen See segelt oder einen Berggipfel erklimmt, weiß, wo diese Kraft zu Hause ist.

Natürlich wird sich der Wind auch in Zukunft immer wieder drehen. Es wird notwendig sein, Kurs und Segel anzupassen. Gerade aber die Kombination aus solider Basis – dem heimischen Holz, aus dem die oberösterreichischen Schiffe geschnitzt sind – mit der Kreativität, Flexibilität und Individualität der Menschen im Land, kann jeden zuversichtlich stimmen, dass Oberösterreich auch weiterhin den guten Wind für sich nutzen wird und der rauhen See trotzen kann. Denn was letztlich noch dazu kommt: die Menschen in Oberösterreich meistern Herausforderungen immer auch mit Handschlagqualität und Humor.

Erschienen in
Oberösterreich Spezial 2021

Zum Magazin

Markus Hengstschläger
Mehr zum Thema