Eine über 150 Jahre alte Rebanlage von Javier Sanz

Eine über 150 Jahre alte Rebanlage von Javier Sanz
© Falstaff/Degen

Es grünt so grün: Verdejo aus der Rueda

In der Weißwein-Oase Spaniens wird trinkfreudiger Verdejo gekeltert. Einige Weingärten haben die Reblaus überdauert und sind über 150 Jahre alt.

Grün. Schon im Namen der Rebsorte steckt das treffendste Attribut: Die Trauben leuchten hellgrün und auch der Geschmack des Weines ist frisch, grün und zum Teil grasig. Verdejo ist die Hauptsorte der Rueda und der wichtigste Erfolgsparameter der Region, die das Rotweinland Spanien mit erfrischendem Weißwein versorgt. Die Rueda liegt nördlich von Madrid auf einem Hochplateau auf einer Seehöhe von 700 bis 800 Metern. Das Gebiet ist sehr weitläufig und nur sehr dünn besiedelt, weshalb auch nur die Hauptverkehrsverbindungen asphaltiert sind. Moderne Weingüter stehen wie Schuhkartons in der Landschaft und sind produktionstechnisch zweckmäßig geplant. Einzelne Betriebe stechen durch avantgardistische Architektur hervor.

Kühle Nächte, frische Weine

Das Klima ist kontinental mit kalten Wintern und heißen Sommern. Doch in der Nacht wird es auch im Sommer angenehm kühl, zur Erntezeit werden desnächtens verbreitet nur noch einstellige Temperaturen gemessen. Dies macht man sich auch bei der Lese zunutze, die hauptsächlich mit maschinellen Vollerntern erfolgt: Geerntet wird in der Nacht und in den frühen Morgenstunden, damit die Frische der Trauben erhalten bleibt und keine unerwünschte Oxidation erfolgt. Die klassischen Verdejos sind frisch, fruchtig, duften nach Gras, Kräutern und grünem Apfel. Am Gaumen bleiben in der klassischen Variante stets die Säure und unkompliziertes Trinkvergnügen erhalten. Die hochwertigen Weine werden selbstverständlich manuell geerntet. Mehr Tiefe bekommen die Verdejos durch längere Lagerung auf der Hefe oder durch Reifeperioden im Barriquefass.

Prickelnde Freuden

Zweitwichtigste Sorte der Rueda ist die Viura, die man aus anderen Regionen als Macabeo kennt. Viele Winzer setzen aber mittlerweile mehr auf Sauvignon Blanc, der zum Verdejo auch als Verschnittpartner sehr gut passt. Als Relikt gibt es auch noch die Rebsorte Palomino fino, mit der früher auf fortifzierte Weine gesetzt wurde. Heutzutage spielt sie kaum noch eine Rolle. Neben den trockenen Weißweinen werden in der Rueda auch exzellente Schaumweine (Rueda Espumoso) produziert. Der Kontrollrat der Rueda schreibt bei der traditionellen Flaschengärung eine Mindestreifezeit von neun Monaten vor. Führende Betriebe schwören aber auf eine viel längere Lagerung auf der Hefe und planen dafür drei und mehr Jahre ein.

Reblaus-Attacke im Sand verlaufen

Der wahre Schatz der Rueda sind unglaubliche 180 Hektar Weingärten mit wurzelechten Reben, die noch aus der Zeit vor der Reblauskatastrophe stammen. Die Rebstöcke sind somit zumindest 150 Jahre alt. Wobei »Rebstock« in diesem Zusammenhang wohl kaum der passende Begriff ist, es handelt sich vielmehr um massive Knollen, die nicht viel über Kniehöhe hinausgehen. Es waren vermutlich die geringe Pflanzdichte und die sandigen Böden, weshalb die Pflanzen vor dem vernichtenden Schädling gefeit waren. Die Weine von den jahrhundertealten Rebstöcken haben eine unglaubliche Extrakttiefe und spiegeln die Seele des Verdejo am unverfälschtesten wider. Neben der großen Kooperative Cuatro Rayas ist es vor allem Javier Sanz, der sich um den Erhalt der uralten Rebanlagen bemüht. In einem seiner Weingärten stehen einzigartige Rotwein-Reben, die nach über 150 Jahren noch im Ertrag sind. Bei ampelographischen Laboruntersuchungen wurde festgestellt, dass sie mit keiner Rebsorte der Welt verwandt sind. Der Wein davon trägt den treffenden Namen »unknown grape«.

Weintipps

Verdejo Acariciado 2015, Teodoro Recio: Gewinnende Steinobst-Nase, grüner Tee, Kräuter, Zitrusnoten; am Gaumen stoffig mit engmaschiger Tanninstruktur und schöner Länge.
Verdejo Superior 2016, Caserio de Dueñas: Kräftige Röstaromatik, Karamell und Vanille; am Gaumen mit markanter Holzwürze und runden Tanninen, gelbe exotische Früchte; gutes Entwicklungspotenzial.
Cantosan 2016, Grupo Yllera: Verdejo von 50 Jahre alten Reben mit duftigen Aromen nach Pfirsich und Steinobst; am Gaumen Zitruszesten, feine Säurestruktur und zarte Bitternoten.
Yllera Sauvignon Blanc, Grupo Yllera: Feine Graphitnoten, rauchig und gelbfruchtig in der Nase; entsprechend knackig und mineralisch am Gaumen, schön strukturiert und gute Länge.
Montepedroso 2010 (100 % Verdejo), Finca Montepedroso: Intensiver Duft nach gebrannten Mandeln und reifen gelben Früchten, Marille, Grapefruit; straffe Säure, tolle Struktur, reife Exotik. Demonstriert eindrucksvoll das Reifepotenzial von Verdejo.
Montepedroso 2016 (100 % Verdejo), Finca Montepedroso: Aromenspiel mit Golden Delicous Apfel, Fenchel und frischer Zuckermelone; am Gaumen reife Birne, Honigmelone und gelbe Früchte, sehr schön balanciert.
V Malcorta 2016 (100 % Verdejo), Javier Sanz: Ausgeprägte Nase nach frischen grünen Kräutern, Zitrusfrüchten, ätherischer Duft nach Tannennadeln; am Gaumen würzig, frisch und pikant, frische grüne Trauben im Nachhall, noch großes Potenzial. (Anm.: Malcorta ist ein spät-reifender Verdejo-Klon, der seinen Namen bekam, weil er im Handling sehr aufwendig ist – mal corta = schlecht zu schneiden).
»V 1863« 2014 (100 % Verdejo), Javier Sanz: Goldgelb mit grünen Reflexen; in der Nase rauchige Tabaknoten, Fenchel, Orangenzesten und Steinobst; viel Druck am Gaumen, dicht, würzig, konsequente Steinobstnoten, Umami. Noch nicht am Reifehöhepunkt. (Anm.: Die Trauben stammen aus einem Weingarten, der im Jahr 1863 behördlich erfasst wurde, also mindestens 154 Jahre alt ist).
Viñedos Centenarios (100 % Verdejo), Cuatro Rayas: Aromen nach Zitruszesten, Limetten und Grünem Tee; am Gaumen würzig und frisch, mit Anis- und Ingwernoten, extraktreich. Etwas plumper Holzeinsatz, aber große Anlagen!
Verdejo 2016, Oro de Castilla: typischer frisch-fruchtiger Sortenvertreter, intensive Aromatik nach Limetten, Grapefruit und frisch geschnittenem Gras; Säure gut integriert, animierende Würze.
Campo Alegre 2016 (100 % Verdejo), Bodega Burdigala: Zu je einem Drittel in Stahltank, Betonei und Barriquefässern ausgebaut.
Dorado (Non Vintage, 100 % Verdejo), De Alberto: Einer der spannendsten Weine der Reise! Verdejo oxidativ ausgebaut, in Glasballons in der prallen Sonne gereift. Eine leider rar gewordene Art der Vinifikation. Sattes Bernstein im Glas; Aromen nach Trockenfrüchten, Rumfass und Kaffee; am Gaumen dicht, mundfüllend, Umami, tabakige Würze und tolle Länge.

Reisetipps

Wer die Rueda erforschen möchte, ist mit einem Hotel in der zentral gelegenen Stadt Valladolid gut beraten. Doch wer es etwas ländlicher mag, kann rund um Rueda in mehreren Ferienhäusern und Herbergen verweilen, die im Rahmen der Rueda-Weinroute »Ruta del Vino de Rueda« (www.rutadelvinoderueda.com/en) angeboten werden.
Hotel: El Coloquio de los Perros – internationaler Standard, zentrale Lage direkt neben der Kathedrale, schöner Innenhof, Gastgarten am Platz. hotelelcoloquio.es
Tapas: Los Zagales – im Herzen von Valladolid, mehrfach ausgezeichnet für kreative Pinchos (Tapas). Sensationelles Preis-Leistungs-Verhältnis. www.loszagales.com 
Restaurant: La Botica (Die Apotheke) de Matapozuelos – Küchenchef Miguel Angel de la Cruz zaubert hier auf allerhöchstem Niveau. laboticadematapozuelos.com
Sehenswürdigkeiten:

Bernhard Degen
Autor
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