»Es geht um Trinkfreudigkeit«

Falstaff-Herausgeber Wolfgang Rosam und Weinchefredakteur Peter Moser sprachen mit Marchese Piero Antinori in Wien.

Antinori wird heute von Marchese Piero Antinori geleitet, unterstützt von den drei Töchtern Albiera, Allegra und Alessia, die für unterschiedliche Unternehmensbereiche verantwortlich sind.

FALSTAFF: Alle Wein exportierenden Länder träumen heute vom »Reich der Mitte«. Ist China der Markt der Zukunft?
Piero Antinori: Ohne Zweifel darf man die Bedeutung Chinas als Weinmarkt nicht unterschätzen. Aber klar ist auch: Man muss den Chinesen noch Zeit geben. Was Weine aus Italien angeht, so läuft es im Moment noch nicht so gut, unsere Exporte werden sich wohl erst mittelfristig entwickeln. Derzeit sind die USA unser wichtigster Exportmarkt, Deutschland liegt auf Rang zwei, selbst Russland auf Platz sieben liegt noch weit vor China.

Heute ist viel von Bio-Wein, von Orange und Natural Wines die Rede, wie stellt sich das für Sie dar?
Das Thema Bio wird zunehmend wichtiger, das ist unübersehbar. Das Bewusstsein für Bio-Produkte steigt. Jahrzehntelang wurde in der Landwirtschaft mit Dünger und Pflanzenschutzmitteln übertrieben, jetzt schlägt das Pendel in die andere Richtung zurück. Auch die Art des Weinmachens ändert sich. Das Postulat lautet: Wein soll ein total natürliches Produkt sein. Klingt logisch, da wird aber viel gefordert.

Ihr Haus erzeugt eine große Bandbreite von Weinen; gibt es so etwas wie Modeweine?
Wir können feststellen, dass der Geschmack der Konsumenten einem ständigen Wandel unterliegt. Die Weißweine meiner Jugend waren dunkelgelb, lange gereift und oxidiert, mit einer neuen Kellerwirtschaft wurden sie hell, frisch und fruchtbetont. Früher waren die Rotweine fast schwarz und schwer, heute sucht der Weinfreund nach Balance, Eleganz und Finesse. Es geht um Trinkfreudigkeit.

Robert Parker hat viele Winzer beeinflusst, ihre Rotweine in eine Richtung zu lenken, von der sie sich höhere Bewertungen versprachen.
Richtig, das haben ohne Zweifel viele probiert. Tatsächlich entspricht das nicht dem Geschmack des größeren Teils der Konsumenten. Grundsätzlich stehe ich aber Weinbewertungen positiv gegenüber, denn viele Konsumenten brauchen eine professionelle Bestätigung für ihren Einkauf.

Sie sind der Schöpfer des legendären Tignanello und damit einer der Väter des Erfolgskonzepts der »Super Tuscans«. Wie kam es eigentlich dazu?
Bereits mein Vater Niccolò hatte in den Dreißigerjahren einige Cabernet-Sauvignon-Rebstöcke im Tignanello-Rebberg ausgepflanzt, der Wein namens Villa Antinori war in jener Zeit sehr erfolgreich. Der Cabernet wurde nach dem Weltkrieg wieder ausgerissen, in einem klassischen Chianti war er nicht erlaubt. Nachdem ich bei Professor Émile Peynaud in Bordeaux studiert hatte, beschloss ich, an die Erfolgsgeschichte meines Vaters anzuknüpfen und erneut Cabernet Sauvignon auszupflanzen, denn die Sorte verträgt sich ausgezeichnet mit unserem regionaltypischen Sangiovese. Da diese Cuvée nicht dem Chianti-Classico-Statut entsprach, wurde dieser Wein kurzerhand als Tafelwein deklassiert. Doch der Vino di Tavola mit der Lagenbezeichnung »Tignanello« sollte sich als ein wichtiger Turning Point für Antinori erweisen. Heute erzeugen wir in guten Jahren immerhin etwa 25.000 Kisten dieses Klassikers.

Das Interview führten Wolfgang Rosam und Peter Moser
Aus Falstaff Nr. 01/2015 bzw. Falstaff Detuschland Nr. 02/2015