Erich Scheiblhofer erzeugt stoffige Rotweine aus einer Vielzahl von Sorten.

Erich Scheiblhofer erzeugt stoffige Rotweine aus einer Vielzahl von Sorten.
© Rafaela Pröll

Erich Scheiblhofer ist Falstaff Winzer des Jahres 2021

Der sympathische Winzer aus Andau im Burgenland ist Garant für fruchtbetonte Rot- und Weißweine mit kräftiger Statur und steht für einen modernen, internationalen Stil. PLUS: Best of Tasting.

Mitte der 1960er-Jahre übernimmt Johann Scheiblhofer – er wird schon bald »Big John« genannt werden – im zarten Alter von nur 16 Jahren den gemischten landwirtschaftlichen Betrieb in Andau. Der Ort liegt im hintersten Seewinkel im Burgenland, direkt an der Grenze zu Ungarn, direkt am »Eisernen Vorhang«. Wein ist für die Scheiblhofers damals eher noch ein Randthema.

So richtig zum Weingut wird der Betrieb erst ab Anfang der 1980er-Jahre. Johann Scheiblhofer beginnt damals, immer mehr Weingärten zu bewirtschaften, und tauscht Flächen, die ihm für die Auspflanzung von Rebstöcken geeigneter erscheinen. Er erkennt früh, dass die Weinproduktion ein spannendes Zukunftsthema ist. Der Fokus liegt damals noch klar auf den gesuchten Süßweinen. Vom Rotwein, der das Weingut berühmt machen wird, ist aber noch wenig zu sehen.

»Big John« is born

Der ältere Sohn Harald studiert. Man kann es sich leisten und begreift, dass eine moderne Kellerwirtschaft nicht schaden kann. Der jüngere Sohn, Erich, besucht die Weinbauschule und darf seine Praktika in Übersee absolvieren. Auch das leisten sich Johann und seine Frau Maria. Keine Selbstverständlichkeit damals, aber vielleicht die beste Investition, die sie je getätigt haben. Erich saugt die Ansichten seiner Lehrmeister auf wie ein Schwamm. Er ist fasziniert von den Weingütern in Australien und Kalifornien, auch die neuen »Supertuscans« und Bordeaux-Weine sieht er sich genau an. Denn er ist akribisch, jeder einzelne Schritt wird hinterfragt und ein eiserner Wille treibt ihn an. Dabei niemals verbissen, sondern eben leidenschaftlich im besten Sinne.

Mit der süffigen roten Cuvée »Big John« wurde der Grundstein zur Erfolgsgeschichte gelegt.
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Mit der süffigen roten Cuvée »Big John« wurde der Grundstein zur Erfolgsgeschichte gelegt.

Er kommt schließlich wieder nach Hause und das Erste, was er macht, ist, gemeinsam mit seinem Bruder einen Rotwein zu Ehren seines Vaters zu kreieren. »Big John« soll die Cuvée heißen, und sie trifft von Anfang an den Geschmack der Kunden. Was zu diesem Zeitpunkt niemand ahnen kann: Es ent­wickelt sich daraus eine Erfolgsstory, die ihresgleichen sucht.

Schnell macht sich Erich aber auch einen Namen mit seinen reinsortigen Weinen aus internationalen Sorten. Seinen Vorbildern aus der Neuen Welt bleibt er stilistisch verbunden, dort hat er sich schließlich sein Rüstzeug geholt. Immer wieder reüssiert er mit seinem Merlot, dem Cabernet Sauvignon oder auch dem Syrah, den er Shiraz nennt und damit schon erahnen lässt, wohin die Reise auch ­geschmacklich gehen soll.

Potenzial früh erkannt

Der Vater lässt ihn machen, erkennt auch hier schnell das Potenzial seines jüngeren Sohnes und übergibt – selbst gerade erst knapp über 50 – die volle Verantwortung für das Weingut dem damals gerade 22-jährigen Erich. Was weiter passiert, erinnert in der Rückschau ein bisschen an einen Film, den man im Zeitraffer-Modus vorspult.

Eigentlich hat Scheiblhofer damals bereits eine recht ansehnliche Kellerei und auch eigene Weingärten, aber Weinbauern aus der Umgebung liefern ihm trotzdem gerne ihre Trauben zur Verarbeitung, weil Erich sie mit Respekt und mehr als nur fair behandelt. Neben dem »Big John«, der heute wahrscheinlich der bekannteste Rotwein ­Österreichs ist und dessen Rezeptur nie groß verändert wurde, macht sich der junge Winzer auch mit seinen anderen Weinen einen ausgezeichneten Namen. 

Erich, der Baumeister

Das Weingut wächst dank seines organisatorischen Talents, und dies auf wirtschaftlich gesunde Weise. Jetzt zeigt sich Erich Scheiblhofers weitere Begabung. Fast möchte man meinen, sein Traumberuf – wenn er nicht Winzer geworden wäre – müsste Baumeister sein. Er lässt die »Hall of Legends« errichten – eine für Andauer Verhältnisse riesige Multifunktionshalle. Viele wundern sich, aber Erich hat einen Plan, so wie immer, wenn er etwas angeht. Er verwendet die Halle nicht nur zur Lagerung der stetig wach­senden Zahl an Barriques, sondern konzipiert sie so, dass sie auch gleich als Veranstaltungsort dienen kann. Nicht nur für sich und die unzähligen Feste, die er darin schon zelebriert hat – mit toller Musik und feinem Catering, versteht sich –, sondern auch für andere, die in der Gegend nichts Adäquates finden. Legendär sind etwa die Martinigansl-Essen, wo er an einem Tag geladene Gäste bewirtet und am zweiten Tag gefühlt die halbe Bevölkerung der Umgebung einlädt, denn Erich Scheiblhofer ist großzügig.

Ein Spruch, den ihm sicher sein Vater ins Stammbuch geschrieben hat, ist auf der Scheiblhofer-Webseite zu lesen: »Wer mehr besitzt, als er selber braucht, und es nicht verschenkt, ist ein Narr.« Das trifft den Nagel auf den Kopf. Nichts beschreibt die Eigenschaften der Scheiblhofers besser. Es wird hier nicht gejammert, das wünscht man sich übrigens auch von allen Mitarbeitern und Lieferanten. Jeder Einzelne krempelt die Ärmel hoch und packt an. Und zwar jeden Tag. Nur zu Neujahr, den beiden Weihnachtsfeiertagen, am Ostersonntag und bezeichnenderweise auch am Muttertag ist das Weingut geschlossen.

Bei dem Spirit, der hier herrscht, wird schnell klar, dass das gesamte Team Spaß an der Arbeit hat. 2018 gab es dafür sogar die Auszeichnung »Great Place to Work« in der Kategorie der Betriebe bis 100 Mitarbeiter. Was es dafür braucht, ist vielleicht nicht so aufregend, denn viele reden zwar über Fairness, Respekt, Teamgeist und auch Stolz, aber nur wenige leben es.

Vordenker & Vormacher

Aber nicht nur von Mensch zu Mensch herrscht hier ein respektvoller Umgang, auch die Natur ist Erich Scheiblhofer als Bauer sehr wichtig. Schließlich wird für die Zukunft geplant und zwei Kinder hat ihm seine Frau Bettina bereits geschenkt. Gerade in Zeiten, wo die Klimaveränderung spürbarer denn je ist, sind Klimaschutz und Nachhaltigkeit die brennendsten Themen. Es gibt viele Wege, hier aktiv zu sein, Erich Scheiblhofer beschreitet einige davon. Das fängt beim Elektrofuhrpark an, setzt sich fort bei der Ausnutzung erneuerbarer Energien durch eine eigene Photovoltaik­anlage mit einem Megawatt Leistung und endet bei der Regionalität. Im Klartext bedeutet das, nicht nur regional zu kochen, sondern auch seinen Urlaub so zu verbringen. Nur beim Wein von Kollegen drückt Erich beide Augen zu und greift auch zu internationalen Flaschen.

Seine Freizeit verbringt er selbst mit seiner Familie in anderen Bundesländern, am liebsten in den Bergen. Und bald wird er selbst Gäste als Hotelier in Andau in seinem »The Resort« begrüßen. Umgeben von den Andauer Weingärten, entsteht gerade ein »Place to be« mit über 100 Zimmern und einem Spa- und Wellnessbereich mit 3000 Quadratmetern. Hier wird nichts dem Zufall überlassen, sondern wie beim Wein ist auch hier alles durchdacht.

Im Vorjahr hat Scheiblhofer zudem erstmals mit einem Gastronomieprojekt aufhorchen lassen. Sein Pop-up-Heuriger »The Quarter« hat letztes Jahr das Publikum begeistert. Heuer wird der Standort von Grund auf renoviert und ist deshalb kurzerhand in die »Hall of Legends« übersiedelt. Serviert wird neben regionalen Schmankerln natürlich Scheiblhofer-Wein. 

Gemeinsam mit Freunden kreierte Erich Scheiblhofer die Rotwein-Ikone »Batonnage«.
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Gemeinsam mit Freunden kreierte Erich Scheiblhofer die Rotwein-Ikone »Batonnage«.

Hundert Punkte und mehr

Was uns zurück zur Kernkompetenz des sympathischen Andauers bringt, dem auch die Bekömmlichkeit seiner Weine ein großes Anliegen ist. Das Gesetz lässt diese Information auf Erich Scheiblhofers Flaschen nicht zu, aber nahezu jeder Wein seines Sortiments ist histaminarm. Für viele Menschen mit Histamin-Intoleranz ist dies eine erfreuliche Nebenerscheinung. Bei der Qualität kennt er ohnehin wenig Kompromisse. Mit »Batonnage«, einem der kultigsten Weine Österreichs, erzielte er gemeinschaftlich mit seinen Freunden Markus Altenburger, Florian Gayer, Gerhard Kracher und Christian Tschida vor einigen Jahren erstmals 100 Punkte bei einer internationalen, von Falstaff organisierten Verkostungsjury für einen österreichischen Rotwein. Der erste Jahrgang der roten Ikone erschien bereits 2001 und war immer so rar wie gesucht.

Später kamen auch noch andere Projekte wie »Praittenbrunn«, eine Cuvée aus Merlot und Cabernet Sauvignon, »Vom Leithaberg« und »Mordor« aus dem Mittelburgenland mit zusätzlichen Anteilen von Blaufränkisch und Syrah hinzu. Alle drei Weine zieren Sonderetiketten – aber nur, wenn man so will, denn geklebt wird hier schon länger kein Etikett mehr. Auch das ein Zeichen im Sinne der Nachhaltigkeit, denn die Scheiblhofer-Flaschen werden alle im Siebdruckverfahren beschriftet. Zu den Sondereditionen, die in den letzten Jahren noch dazugekommen sind, zählen auch »The Peak of Glory« und »The Great Bustard«, der heute im Sortiment die Stelle des großen Bruders von »Big John« einnimmt.

Ganz sicher ist, dass hier noch viel Neues entstehen wird, auf das man sich freuen darf. Ausgezeichnet wurde das Weingut schon oft und für verschiedenste Aspekte. Unzählige Medaillen auf nationalem wie internationalem Niveau gab es bereits. Zuletzt erhielt Senior Johann Scheiblhofer, so wie auch die Winzerkollegen Engelbert Gesellmann, Anton Kollwentz und Hermann Krutzler, die alle drei auch bereits mit dem Titel »Falstaff Winzer des Jahres« bedacht wurden, vom Land Burgenland in Person von Landeshauptmann Hans Peter Doskozil die höchste Auszeichnung, das Kompturkreuz, für seinen Weitblick, kompromissloses Qualitätsstreben und großen Innovationsgeist. Ein absolutes Highlight für Vater Scheiblhofer. Nun verleiht Falstaff seinem Sohn Erich und allen, die zum Erfolg dieses Weinguts beigetragen haben, den Oscar der österreichischen Weinszene. Herzlichen Glückwunsch, »Falstaff Winzer des Jahres 2021«!



Produktion: Eva Bauer & Anton-Georg Kiener
Styling: Andrea Harich
Grooming: Nicole Pessl-Jaritz
Alle Outfits über Amicis Men

Erschienen in
Falstaff Nr. 06/2021

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Peter Moser
Peter Moser
Wein-Chefredakteur Österreich
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