Ein Hauch Bocuse d'Or in der Brigittenau

In der »Pizzeria Palermo« kocht mit Ante »Toni« Bjelančić weitgehend unbeachtet einer der besten Köche Skandinaviens.

In Österreich und ganz besonders in Wien gibt es zwei Arten von Restaurants. An manchen Standorten wechseln die Besitzer beinahe im Jahrestakt, während andere bereits richtige Institutionen sind. Ein solcher Fixstern in der Wiener Gastroszene ist die »Pizzeria Palermo« am Gaußplatz in der Brigittenau. Der Gaußplatz ist all jenen wohl bekannt, die in Wien den Führerschein gemacht haben, denn ob der komplexen Vorrang-Regelungen wurde man in jeder zweiten Fahrstunde dort rundum schikaniert. Die erfahrene Gastronomin Spomenka Selmanović führt die Pizzeria nun schon beinahe seit dreißig Jahren. Es gibt viele zufriedene Stammgäste eine mehr als anständige Küche, aber besonderes Aufsehen wegen hoher kulinarischer Künste gab es noch nicht. Frau Selmanović spekulierte schon mit dem Verkauf ihres Lokals (»30 Jahre Gastronmie sind eine sehr lange Zeit«) und einer Rückkehr in ihr Heimatland Kroatien, als ein besonderer Koch in Ihr Leben trat: Ante »Toni« Bjelančić.

Nach dem skandinavischen Triple-Sieg beim Bocuse d'Or (falstaff.at hat berichtet) wird hierzulande fast schon ehrfurchtsvoll von der nordischen Küche gesprochen. Einer der diese kulinarische Kultur selbst jahrzehntelang mitgestaltet hat, ist jener Koch, der zur Zeit am Gaußplatz den Kochlöffel schwingt. Ein stolzes Lächeln umspielt die Lippen von Ante Bjelančić, wenn er erzählt dass Geir Skeie, der Bocuse d'Or Sieger von 2009 und jetzige Präsident der Jury, einmal für ihn gearbeitet hat: »He's my guy!«. Bjelančić führte in Stavanger eines der ersten italienischen Restaurants in Norwegen, das »Uncle Toni & Papa Giovanni« und vollbrachte in den 80er-Jahren kulinarische Pionierleistungen. Er brachte eigenen Angaben zufolge Basilikum und Knoblauch ins Land und schmuggelte massenweise Prosciutto.

In Wien sind glücklicherweise keine Pionierleistungen mehr nötig, aber ein Besuch in der rustikalen »Pizzeria Palermo« ist eine wunderbare Abwechslung für verwöhnte Gaumen. Besser kann man feine Kochkunst nicht tarnen, innen wie außen kann man das Restaurant nicht von einer in die Jahre gekommenen Allerwelts-Pizzeria unterscheiden. Wegen finessenreicher Tisch- und Gläserkultur sowie überaufmerksamen Service geht man nicht dort hin. Aber wegen dem Essen, denn das ist ausgezeichnet. Für die Chefin ist die Zusammenarbeit mit Bjelančić ein engagierter Versuch, aber Koch und Gäste müssen noch zueinander finden. Mit einer finessenreichen Tageskarte soll ein erster Schritt getan werden.

»Onkel Toni« stammt ursprünglich aus dem südlichen Dalmatien, in der Nähe von Dubrovnik. Als Küstenbewohner lebte er stets mit den kulinarischen Geschenken, die das Meer zu bieten hat. Schon in jungen Jahren zog es ihn auf die Weltmeere hinaus, wo er mit diversen Zwischenstationen von der internationalen Küche auf Kreuzfahrtschiffen geprägt wurde. Seine Spezialität bleibt aber die Zubereitung von Fisch und Meeresfrüchten. Ein kleiner Kreis von ambitionierten Feinschmeckern durfte sich vergangene Woche einen Eindruck von Tonis Können verschaffen. Das Menü begann mit einem Fisch-Carpaccio mit angeröstetem Stangensellerie, grünem Spargel, scharfer Chili-Sauce und einer Feige. Es folgte eine würzige Creme mit Pilzen, Kräutern und Speck auf Polenta, ein Bruschetto mit Räucherlachs und Knoblauch und ein feines Rote-Rüben-Risotto mit Ziegenkäse und Anchovis. Höhepunkt war ein gebeiztes Anglerfilet mit frischen Kräutern, Tomaten und Kohlsprossen. Und zum Dessert gab es ein herrlich flaumiges Panna Cotta mit lauwarmen Erdbeeren. Die Weinbegleitung setzte sich aus italienischen, österreichischen und kroatischen Weinen zusammen. Das vinophile Highlight war ein Dingač, der ähnlich wie ein Amarone aus getrocknetem Traubenmaterial hergestellt wird.

Noch bis Ostern können »Onkel Toni's« Kochkünste in Wien erschmeckt werden, dann zieht es ihn in sein Sommerdomizil in Süddalmatien. In einer Bucht bei Kobaš betreibt er mit Selmanović das winzige Fisch-Restaurant »Gastro Mare«, das nur per Schiff erreichbar ist und vor dem schon so manch millionenschwere Yacht vor Anker lag.

Das Ehepaar Kamprad (die Ikea-Besitzer) war dort ebenso schon zu Gast wie Caroline von Monaco oder Francesca von Habsburg.

Ristorante Pizzeria Palermo
Gaußplatz 1
1020 Wien
T: +43 1 332 73 24

(von Bernhard Degen)

Bernhard Degen
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