Erntedank, nicht nur im Herbst: Edelbrände konservieren Frucht-Aromen für Genießer.

Erntedank, nicht nur im Herbst: Edelbrände konservieren Frucht-Aromen für Genießer.
© 2021 Igor Normann/Shutterstock. No unse without permission.

Edelbrände: Die klarste Form der Frucht

Der Edelbrand gehört zu den österreichischen Erfolgsgeschichten. Nach längerer »Durststrecke« schätzt man die Authentizität und Aromatik der heimischen Wiesen wieder.

Die jüngere Geschichte des Edelbrands in Österreich lässt sich grob in drei Phasen einteilen. Deren erste von einem Brenner wenig schmeichelhaft zusammengefasst wird: »Die Alternative zur Destille hieß damals einfach Biotonne«. Gebrannt wurde nur Obst, das sich nicht verkaufen ließ, erinnert sich der Kärntner Valentin Latschen. Er gehörte mit seinen »Pfau«-Bränden zu den Pionieren, für die nur beste Früchte gut genug für die Brennblase waren. Die 1980er- und 1990er-Jahre stellten jene Zeit dar, in der immer mehr Mitstreiter den Weg der »klaren« Frucht beschritten. Vor allem international sorgten die Brenner – Namen wie Max Schosser, Franz Tinnauer oder Hans Reisetbauer – damit für Furore. Und auch auf den Schnapswägen der Gastronomie verdrängten die Spitzenbrenner Grappa, Cognac und Co. Es waren die Hochzeiten des Edelbrands, dessen Aromatik ausschließlich aus der Frucht stammen darf, die am Etikett steht.

Die Alternative zum Destillieren von Früchten hieß lange einfach: Ab in die Biotonne!

Hat die Fruchtverliebtheit geerbt: Martin Schosser aus dem Traunkreis.
© Destillerie Schosser
Hat die Fruchtverliebtheit geerbt: Martin Schosser aus dem Traunkreis.

Zwar floss immer noch genug Schnaps – der eben nicht aus reiner Fruchtmaische stammen muss –, aber der Weg der Qualität schien unumkehrbar. Was seitens der Erzeuger, die sich an immer ungewöhnlichere »Rohfrucht« wie Banane oder Orangen wagten, nach wie vor stimmt. Doch die 2000er-Jahre ließen die Faszination am Kulturgut Brand wieder sinken. Funktionelle Getränke und Energydrinks waren angesagt an der Bar, auch wenn die Brenner nach wie vor für Nachschub sorgten. Mehr noch, es wurde eine immer transparentere Herkunft forciert. Früchte aus dem Eigenbau waren wieder gefragt, wer alte Streuobstwiesen oder rare Apfelsorten hatte, setzte das auch stolz ein. Selbst wenn das Obst nicht in Österreich zu bekommen ist, was vor allem für die beliebte Himbeere gilt, wurde das nicht verschwiegen.

Kernobst, Steinobst, Beerenobst und Wildfrüchte: Es gibt kaum eine Frucht, die Österreichs Brenner nicht »einmaischen« würden. Die Brände von Hans Reisetbauer zählen längst schon zur internationalen Elite.
© Helge Kirchberger Photography
Kernobst, Steinobst, Beerenobst und Wildfrüchte: Es gibt kaum eine Frucht, die Österreichs Brenner nicht »einmaischen« würden. Die Brände von Hans Reisetbauer zählen längst schon zur internationalen Elite.

Destillation für Diversität

Mittlerweile – wir halten bei Phase 3 – zahlt sich diese Offenheit aus. Das Authentische wird wieder geschätzt und mit den präzisen Destillaten, die es so nur im alpinen Raum gibt, hat Österreich hier viel zu bieten. Versierte Brenner mit dem Wissen von Generationen setzen alles daran, das verwendete Obst möglichst präzise in seiner Aromatik »einzufangen«. Zumal etliche Früchte praktisch nur in gebrannter Form überleben. Denn auf dem Speiseplan stehen Traubenkirsche oder der »Rote Simonffi«, eine Apfelart, wie sie etwa bei Hans Krenn im Yspertal in die Brennblase wandern. Der Beitrag der Destillateure zur Bio-Diversität im Land ist aber nicht zu unterschätzen, zumal speziell die Wildfrüchte wie Mispel, Vogelbeere oder Schlehe als Königsklasse des Brennens gelten. 

Destillieren heißt auch retten – denn am Speiseplan steht z. B. die Traubenkirsche nie.

Die Philosophie der Brennerei Pfau, unter der Leitung von Valentin Latschen, lautet: »Die Natur ins Glas bringen, um nicht nur guten, sondern den besten Schnaps zu brennen«.
© Ferdinand Neumüller
Die Philosophie der Brennerei Pfau, unter der Leitung von Valentin Latschen, lautet: »Die Natur ins Glas bringen, um nicht nur guten, sondern den besten Schnaps zu brennen«.

Doch es sind nicht nur die Exoten, denen die Liebe der Edelbrenner gilt. Immer feiner werden auch die Unterschiede der Klassiker Marille, Zwetschge oder Birne herausgehoben. Das geht bis hin zum Bestreben, auch dem gemischten Obstbrand alias Obstler wieder mehr Stellenwert zu geben. Denn für das literweise Ausschenken beim Aprés Ski und das entsprechend schlechte Image können die Früchte ja nichts! Sein Image versucht aktuell vor allem die (Ost)Tiroler Brennszene mit ihrem »Pregler« zu heben. Auch hier lautet das Erfolgsrezept wie zu Zeiten der »Gamechanger« der Destillate: Beste Frucht, sauberst gebrannt und auf ideale Trinkstärke gebracht. Denn auch beim gemischten »Klaren« soll der Konsument Klarheit haben.

Das Dreigestirn Marille, Zwetschke und Birne ist längst nicht alles, was gebrannt wird.

Hochprozentiges Duo in Gamlitz: Monika und Franz Tinnauer setzen auf höhergrädige Destillate.
© Fruchtbrennerei Franz Tinnauer
Hochprozentiges Duo in Gamlitz: Monika und Franz Tinnauer setzen auf höhergrädige Destillate.

Entsprechend wenig glücklich sind die Edelbrenner mit dem  »Abrundungszucker«, den die zuletzt im Mai 2021 aktualisierte EU-Spirituosenverordnung erlaubt. Bei Obstbränden liegt der maximal erlaubte Zuckerzusatz nun bei 18 Gramm/Liter. Umgekehrt allerdings erlaubt die Behörde die Angabe »zuckerfrei« oder »trocken« bei Destillaten nicht. Anders als bei Lebensmitteln müssen beim Genussmittel Brand keine Inhaltsstoffe angegeben werden. Doch es gibt ohnehin einen unbestechlichen Gradmesser jenseits der Etikettier-Vorschriften: den eigenen Gaumen. Am besten eingesetzt beim Brenner des Vertrauens!

Das Erfolgsrezept? Beste Frucht, sauberst gebrannt und auf ideale Trinkstärke gebracht.

Fassgelagert: Was früher »Zigarrenbrand« hieß, erweitert das aromatische Spielfeld.
© snowflake
Fassgelagert: Was früher »Zigarrenbrand« hieß, erweitert das aromatische Spielfeld.

Erschienen in
Spirits Special 2021

Zum Magazin

Roland Graf
Autor
Mehr zum Thema
Österreich mit seinen vielfältigen Obstbaumkulturen ist ein hervorragender Boden für Fruchtbrände.
Vienna Bar- & Spiritsfestival 2022
Von Apfel bis Zitrus
Edelbrände aus Österreich zählen national wie auch international zu den feinsten und...
Von Erhard Ruthner
Likör
Sommer-Sake-Cocktail
Dieser Drinkt stammt aus dem »The Japanese Restaurant« des »The Chedi Andermatt« in der...
Spirits
Edel & teuer: Luxus-Spirituosen
Falstaff präsentiert zehn besonders rare wie teure Spirituosen, die auf ganzer Linie für...
Von Juliane E. Reichert, Benjamin Herzog