Dramatische Situation in den heimischen Weingärten

Die Lage ist nach den gewaltigen Niederschlagsmengen ernst, aber nicht hoffnungslos.

Nach den erneuten Niederschlägen am vergangenen Wochenende können viele Weingärten gar nicht betreten werden, ohne dass man im weichen Boden versinkt. Die Luftfeuchtigkeit ist anhaltend hoch und mit den steigenden Temperaturen ist der Fäulnisdruck so hoch wie nie zuvor. Nach einem Rundruf durch die Weinbaugebiete zeigt sich, dass viele Winzer mit mengenmäßigen Einbußen bis zu 50 Prozent rechnen. Schon leicht resignierend vermeldet Erwin Sabathi aus der Südsteiermark, dass es heute (Dienstag) wieder zu nieseln begonnen hätte und die geplante Zwischenernte abgebrochen werden musste.

Schmuckenschlager rät von Noternten ab
Weinbaupräsident Johannes Schmuckenschlager berichtet auf Falstaff-Anfrage, dass die Obergrenze zur Mostaufbesserung mit Zucker von zwei auf 2,5 Prozent angehoben wurde, um den Winzern in dieser schwierigen Situation eine kleine Unterstützung zu gewähren. Betroffen sind besonders Früh- sowie Burgundersorten wie Zweigelt, Sankt Laurent, Pinot Noir, Neuburger und Roter Veltliner. Verschärft wird die Lage auf schweren Böden wie Lehm oder Löss. Hinzu kommt, dass die Trauben noch nicht reif sind und noch viel zu wenig Zucker eingelagert haben. Einige Winzer haben bereits mit Noternten begonnen, aber Schmuckenschlager rät eher dazu, abzuwarten, da sich das Wetter bessert. »Es ist eine gewisse Dramatik da, aber es ist noch nichts verloren«, sagt der Weinbaupräsident. Die physiologische Reife ist weiter, als es die Zuckergradation vermuten lässt und mit schönen und trockenen Wochen ist noch ein guter, sehr fruchtiger Jahrgang möglich.

Weinviertel
Auch Herbert Zillinger aus Ebenthal im Weinviertel hält nichts von Panik-Reaktionen: »Wir werden nicht die Nerven verlieren. Wir werden jetzt einmal entlauben, damit die Trauben gut trocknen können und das befallene Traubenmaterial rausschneiden. Wie haben noch wunderschöne Grüne Veltliner draußen, da ist noch alles möglich«. Schmerzhafte Einbußen sind aber unausweichlich. Zillinger rechnet mit einem Minus von 50 Prozent bei den guten Qualitäten. Es sei aber im Moment sehr schwer abzuschätzen und er gesteht ein: »So ratlos war ich noch nie bei einer Ernte«.

Südsteiermark
Erwin Sabathi rechnet ebenfalls mit mengenmäßigen Einbußen von 50 Prozent. »Im Moment haben wir hohen Fäulnisdruck und ganz wenig Zucker in den Trauben. Heuer wird es keine – oder nur ganz wenige – Lagenweine geben.« Dennoch versucht der Spitzenwinzer der Situation Positives abzugewinnen: »Wir haben hohe Säurewerte und eine enorme Fruchtausprägung. Das, was wir retten können, wird ein extrem aromatischer Jahrgang, mit solchen Weinen ist die Steiermark groß geworden.«

Burgenland
Bei der Präsentation der Mittelburgenland DAC-Weine am Montag in der Wiener Aula der Wissenschaften war den Winzern die Anspannung anzumerken. Bei Zweigelt, Pinot Noir und St. Laurent sind große Einbußen nicht mehr abzuwenden. Die Hoffnung ruht hier auf dem Blaufränkisch, der vielerorts zwar noch lange nicht reif, aber noch in gutem Zustand ist.

Wien
Die positivste Rückmeldung unseres Rundrufs kam vom Wiener Winzer Gerhard Lobner: Der Weingutsleiter von Mayer am Pfarrplatz sagt, dass die Trauben »ganz gut ausschauen«. Sogar die empfindliche Sorte Pinot Noir sei in gutem Zustand und es werde eben mit der Lese begonnen. Das sei der Vorteil von den kargen Böden. »Mengenmäßig scheint es zu funktionieren, Botrytis (Edelfäule) ist noch vernachlässigbar und es sieht aus, als ob wir mit einem blauen Auge davon kommen würden.« Auch er rät Kollegen, jetzt nicht die Nerven wegzuschmeißen. »Bei einem goldenen Herbst ist noch ein wunderschöner Jahrgang möglich: fruchtbetont mit hohen Säure- und pH-Werten«.

von Bernhard Degen

Bernhard Degen
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