Die Würze des Lebens

Gewürze bringen Geschmack und Farbe in unser Essen. Früher waren sie so wertvoll, dass sie mit Gold aufgewogen wurden, heute schwärmen Spitzenköche von ihrer magischen Wirkung.

Wer gerne kocht, liebt Gewürze. Schließlich macht schon eine winzige Menge der richtigen Würze aus einer simplen Speise ein einmaliges Geschmackserlebnis. »Das Wissen über Gewürze und ihre Verwendung ist das eigentliche Geheimnis großer Küche«, sagt die Salzburger Spitzenköchin Johanna Maier. Gewürzexperte Alfons Schuhbeck umschreibt die zauberhafte Wirkung des Würzens noch ­poetischer: »Gewürze sind das gewisse Etwas ­jeder Küche. Sie spielen dieselbe Rolle wie der Charme im Leben einer Frau.« Und Tanja ­Grandits vom Top-Restaurant »Stucki« in Basel ergänzt: »Gewürze sind nicht nur für den ­Geschmack, sondern auch fürs Gemüt, sie tun gut und machen fröhlich.«

Auch Privathaushalte würzen anders
Nicht nur Starköche schwärmen immer öfter vom Einsatz vielfältiger Gewürze und Kräuter. Auch in den Gewürzregalen der meisten Hobbyköche steht heute neben Pfeffer und Paprika noch eine Vielzahl anderer Geschmacksträger – von Kurkuma bis Tonkabohne, von Kreuz­kümmel bis Kardamom. »Die Reisefreude und die Globalisierung zeigen in Deutschland schon länger ihre Wirkung, und je weltoffener die Deutschen werden, umso größer werden auch ihr Geschmacksinteresse und ihr Gewürzschrank«, beobachtet Starkoch und Gewürz­experte Alfons Schuhbeck. Stand früher eine Maggi-Flasche auf dem Tisch, findet man heute in Deutschland und Österreich eine Vielzahl von Gewürzen auf den Speisekarten der Restaurants und in den privaten Küchen. Insbesondere die Einflüsse der asiatischen Küchen haben eine Geschmacksvielfalt auf die heimischen Teller gebracht, wie sie vor zehn Jahren für die Mehrheit der Verbraucher noch völlig unbekannt war.

Gewürze als Luxusprodukte
Neu ist die hohe Wertschätzung für Gewürze aber keineswegs. Im Gegenteil, sie prägen die Menschheitsgeschichte seit Jahrtausenden. Archäologische Funde zeigen, dass schon lange vor unserer Zeitrechnung gewürzt wurde. Viele Gewürze wie Pfeffer, Zimt und Muskatnuss haben ihren Ursprung in Asien und kamen über die Seidenstraße nach Europa. Der Gewürzhandel lag zunächst in arabischer Hand, später entwickelte sich Venedig zum Hauptumschlagplatz. Pfeffer, Safran und Co. waren heiß be­gehrte Luxusprodukte, die zum Teil sogar mit Gold auf­gewogen wurden. Ihr Wert war so hoch, dass um sie sogar Gewürzkriege gefochten wurden. Die aus diesen Zeiten stammende Bezeichnung »Pfeffersack« für einen wohlhabenden Menschen hat sich bis heute erhalten.

Internationaler Gewürzhandel
Auch wenn Gewürze durch die verbesserten Transportmöglichkeiten heutzutage wesentlich günstiger zu bekommen sind, der Handel mit ihnen ist noch immer komplex. »Gewürze sind keine statischen Produkte, die man konstant und stabil herstellen kann. Man muss sehr viele Faktoren permanent mitverfolgen – von klimatischen Bedingungen über Währungssituationen bis hin zu politischen Gegebenheiten«, sagt Erwin Kotányi. Er leitet seit 30 Jahren das gleichnamige österreichische Familienunternehmen, das dieses Jahr sein 130-jähriges Bestehen feiert und mittlerweile in 20 Ländern vertreten ist. Seit Erwin Kotányi das Unternehmen übernommen hat, hat sich auf dem Gewürzmarkt viel getan. Doch gerade in den letzten zwei Jahren gab es im internationalen Handel die größten Veränderungen – und eine entscheidende Konzentration. »Die Anzahl der Firmen, mit denen man Gewürze handelt, ist drastisch zurückgegangen. Eine Handvoll Firmen beherrscht jeweilige Produktgruppen, wo es früher noch eine Vielzahl gegeben hat«, erzählt Ko­tányi.

Eine Konzentration findet jedoch nicht nur im Gewürzanbau, sondern auch im -verkauf statt. In Österreich dominieren Kotányi und der Salzburger Großhandel-Gewürzhersteller Wiberg den Markt. In Deutschland gibt es beinahe ein Gewürzmonopol, auch wenn dies nicht gleich auf den ersten Blick erkennbar ist. Die Fuchs Gewürze GmbH von Dieter Fuchs hat im Handel mit Haushaltsgewürzen einen Marktanteil von fast 80 Prozent inne. Ihm gehören bekannte Marken wie Ostmann und Ubena. Für das Premiumsegment entwickelte Fuchs die Feinkostmarke Escoffier.

Gewürze für die Gesundheit
Dass Gewürze nicht nur gut schmecken, sondern sich auch positiv auf die Gesundheit auswirken, wissen heute viele Köche. »Gewürze und Kräuter sind Wellness für unseren Geschmack und Fitness für unseren Körper«, sagt Alfons Schuhbeck. Als er sich in die Welt der Gewürze eingearbeitet hat, faszinierte ihn, dass die chinesische Kultur schon früh Kochen und Medizin verband, indem sie Yang-Gewürze wie Ingwer und Chili durch Yin-Kräuter wie Minze und Petersilie ausbalancierte. »Wo man auch forscht, man kommt zu dem Schluss: Wer richtig würzt, lebt länger«, so Schuhbeck.

Johanna Maier betont, dass beispielsweise die immunsystemstärkende Wirkung der Angeli­kawurzel bereits im Mittelalter bekannt war. Gleichzeitig spielt deren Verwendung auch in der Traditionellen Chinesischen Medizin und in der Ayurvedischen Medizin eine wichtige Rolle. »Der Mensch braucht eigentlich das, was dort wächst, wo er lebt«, ist Maier überzeugt, »und die Angelikawurzel wächst bei uns auf der Wiese, aber genauso auch in Asien.«

Aufgrund ihrer unterschiedlichen Effekte auf den menschlichen Organismus eignen sich bestimmte Gewürze für bestimmte Jahreszeiten: Manche wirken wärmend, andere hingegen kühlend. »Im Sommer nehmen wir fast keinen Zimt, keine Nelken, keinen Sternanis, weil wir damit den Körper zu sehr erwärmen würden«, sagt Maier. Da verwendet sie lieber kühlende, erfrischende Sommerkräuter wie Minze, Waldmeis­ter, Hibiskus und Holunder. Auch Tanja Grandits verwendet im Sommer mehr frische und weniger erdige Gewürze. »Wobei ich auch Zimt und Tomate für eine ganz tolle Kombination halte«, verrät die Schweizerin.

Den vollständigen Text mit allen Informationen zu biologisch angebauten Gewürzen, Gewürzmischungen sowie die wichtigsten Tipps der Starköche lesen Sie im aktuellen Falstaff Nr. 6/2011.

> Rezept: Saibling-Chili-Tatar, Passionsfrucht-Kreuzkümmel-Jus, Karotten-Krokant von Tanja Grandits

> Mariniertes Milchkalb mit Limetten-Kapern-Marmelade, Myrte und Bauerngartensalz von Johanna Maier

> Gewürzbackhendl mit Harissa auf marinierten Blattsalaten von Alfons Schuhbeck

Buchtipps: alles Rund um Gewürze sowie viele Kochbücher

Text von Sonja Hödl
Fotos von Thomas Schauer

aus Falstaff Nr. 6/2011

Sonja Hödl
Autor