Die Weine vom Karst

Die weite Hochebene des Karsts, hinter Triest, ist rau und unwirtlich. Weinbau bedeutet dort Leidenschaft und Hingabe. Am Karst entstehen einige der individuellsten und charaktervollsten Weine Italiens.

Wenn die Bora, der kalte Wind aus dem Landes­inneren, am Karst so richtig bläst, kann schon mal die Erde abgetragen werden. Und die ist kostbar. Um das vom bleichen Kalkstein geprägte Land urbar zu machen, wurden Karren um Karren roter Erde aus den Dolinen gebracht. Als eine der wenigen Kulturpflanzen kann in dieser Umgebung die Weinrebe gedeihen. Ihre Wurzeln müssen sich in den Ritzen und Spalten des Gesteins mühsam ihre Nahrung suchen – eine Garantie für mineralische Weine. Mit insgesamt 400 Hektar Weingärten ist das Gebiet klein. Bis in die Sechzigerjahre wurden die Weine direkt vom Keller in den vielen Buschenschänken, hier Osmiza genannt, konsumiert.

Die Weinsorten im Karst
Vitovska ist eine Traubensorte, die fast ausschließlich am Karst vorkommt. Sie hat sich am besten an die Bora und die sommerliche Trockenheit angepasst. Vitovska erbringt einen Wein mit relativ geringem Alkoholgehalt. Viele Winzer bauen sie mit Mazeration oder in offener Maischegärung aus. Zweitwichtigste Sorte am Karst ist die im Mittelmeerraum weitverbreitete Malvasia. Der Wein hat einen aromatischen und frischen Duft, er schmeckt nicht nur zu Fisch, sondern auch zu hellem Fleisch. Die Glera-Traube wurde im 19. Jahrhundert aus dem Karst-Dorf Prosecco ins Veneto in das heutige Prosecco-Gebiet um Valdobbiadene gebracht. Terrano ist die dominante Rotweintraube am Karst – und kein einfaches Thema. Die Weine aus der mit der Refosco verwandten Traube sind angenehm leicht im Alkohol und fein im Duft, strapazieren den Gaumen aber durch eine gewöhnungbedüftig hohe Säure. Frei von seinem regionalen Kontext ist Terrano nur schwer trinkbar. Vor Ort aber, verbunden mit den lokalen Gerichten und leicht gekühlt, ist Terrano ein herzhafter, erfrischender Genuss.

Wichtigsten Vertreter der Region
Edi Kante in Prepotto war in den Neunzigerjahren der Erste, der mit seinen Weinen das ­Gebiet bekannt machte. Sorgten zunächst vor allem seine Chardonnay- und Sauvignon-Weine für Furore, so setzte er schon bald mit Nachdruck auf Vitovska und Malvasia. Von seinen Weißweinen gibt es eine Klassikfüllung in der Halbliterflasche und eine Selektionsfüllung in der Literflasche. Edi Kante ist der kreative Geist des Gebiets und immer wieder auf der Suche nach Neuem. Er erzeugt auch einen Terrano aus angetrockneten Trauben (Little Blue) und zwei wunderbare Schaumweine in klassischer Flaschengärung. Im Gegensatz zu den meisten seiner Kollegen arbeitet Edi Kante bei den Weißweinen nicht mit Mazeration auf den Schalen.

Sandi Škerk führt seit zehn Jahren seinen kleinen Familienbetrieb in Prepotto. In seinem Steinkeller vergärt er die meisten Weißweine in offener Maischegärung, um ihnen so mehr Charakter zu geben. Benjamin Zidarich, der gleich um die Ecke wohnt, vergärt seine Weine sogar in einem eigens angefertigten Steinfass. So will er das Terroirprinzip fortführen und die Mineralik in seinen Weinen noch verstärken. Zu Zidarich gehört auch eine hervorragende Osmiza, von deren Terrasse man einen berauschenden Ausblick über den Golf von Triest ­genießt. Der Vierte im Bunde des Winzerquartetts aus Prepotto ist Mate Lupinc. Zu seinem ­Betrieb gehört nicht nur eine traditionsreiche Osmiza, sondern auch ein Agriturismo mit ­gepflegten Winzerzimmern.

Paolo Vodopivec in Sgonico, an der Grenze zu Slowenien, hat sich ganz der Vitovska verschrieben. Daraus keltert er den »Classico«, der im großen Holzfass lagert, und den »Amphore«, der in Tonamphoren reift. Matej Skerlj betreibt in Sales gemeinsam mit seiner Schwes­ter und seiner Mutter eine Osmiza und vier Ferienwohnungen. Seit einigen Jahren füllt er den Wein auch in Flaschen, klare, geradlinige Gewächse. Devan Sancin und sein Vater Vitan haben den Prosecco wieder nach Triest zurückgebracht. Auf einem Hügel südlich der Stadt erzeugen sie aus der Glera-Traube einen Stillwein und einen feinen fruchtigen Schaumwein: Prosecco aus der Urheimat des Proseccos.

> Zu den Tastingnotizen

Adressen:

1 Edi Kante
Prepotto 3A, Duino-Aurisina
T: +39/040/20 02 55
kante.edi@libero.it

2 Danilo Lupinc
Prepotto 11b, Duino-Aurisina
T: +39/040/20 08 48
www.lupinc.it 

3 Sancin
Dolina 360, Trieste
T: +39/329/212 69 72
www.sancin.com   

4 Škerk
Prepotto 20, Duino-Aurisina
T: +39/040/20 01 56
www.skerk.com 

5 Skerlj
Sales 44, Sgonico
T: +39/040/22 92 53
www.agriturismoskerlj.com 

6 Vodopivec
Loc. Colludrozza 4, Sgonico
T: +39/040/22 91 81
www.vodopivec.it 

7 Zidarich
Prepotto 23, Duino-Aurisina
T: +39/040/20 12 23
www.zidarich.it


Text und Fotos von Othmar Kiem
aus Falstaff Nr. 5/2011

Othmar Kiem
Othmar Kiem
Chefredakteur Falstaff Italien