Unter den Dachpergeln in der Valdossola

Unter den Dachpergeln in der Valdossola
Foto beigestellt

Die Vielfalt des Alto Piemonte

Im Rahmen des Taste Alto Piemonte 2021 hat Falstaff Italien Redakteur Simon Staffler versucht sich ein Bild von diesem überraschend spannenden Gebiet zu machen.

Es gibt viel zu entdecken im Alto Piemonte! So vielfältig dieser Landstreifen des nördlichen Piemonts ist, umso schwieriger ist es, ihn auf einfache Art und Weise zu erzählen. Die Weinbaugebiete, die man im Alto Piemonte vorfindet, haben klingende Namen wie Boca DOC, Bramaterra DOC, Colline Novaresi DOC, Coste della Sesia DOC, Fara DOC, Gattinara DOCG, Ghemme DOCG, Lessona DOC, Sizzano DOC und Valli Ossolane DOC. Sie sind über vier Provinzen verteilt und überschreiten in manchen Fällen sogar deren Grenzen. Die interessierten Provinzen lesen wir im Uhrzeigersinn: Verbano-Cusio-Ossola, Novara, Vercelli, und Biella im Osten.

Verbano-Cusio-Ossola: Valli Ossolane DOC Novara: Boca Doc, Colline Novaresi Doc, Fara Doc, Ghemme Docg, Sizzano Doc Vercelli: Bramaterra Doc, Coste della Sesia Doc, Gattinara Docg Biella: Bramaterra Doc, Coste della Sesia Doc, Lessona Doc
Foto beigestellt
Verbano-Cusio-Ossola: Valli Ossolane DOC Novara: Boca Doc, Colline Novaresi Doc, Fara Doc, Ghemme Docg, Sizzano Doc Vercelli: Bramaterra Doc, Coste della Sesia Doc, Gattinara Docg Biella: Bramaterra Doc, Coste della Sesia Doc, Lessona Doc

»Laut Geologen ist es theoretisch unmöglich ist, in Boca Wein zu pflanzen. Die Praxis sieht glücklicherweise ganz anders aus«, lacht Silvia Barbaglia vom Weingut Barbaglia. Die junge und energiegeladene Winzerin ist sehr stolz auf ihr Gebiet. Unermüdlich propagiert sie ihren Betrieb und das Alto Piemonte in Italien und im Ausland. Sie ist überzeugt: »Einige der besten Weine Italiens kommen aus Boca. Wir wurden nur vergessen.«

Punktlandung! Um die Jahrhundertwende war das gesamte Alto Piemonte ein einziger zusammenhängender Rebgarten. Tausende Hektar lieferten Wein für den täglichen Gebrauch der Arbeiter und Bauern. Mit der zunehmenden Industrialisierung wanderte die junge Generation vom Land ab und suchte Arbeit in den Städten und in neuen Fabriken, die Reben wurden nach und nach aufgelassen. So ist es heute keine Seltenheit im Wald über abbröckelnde Weinterrassen zu stolpern. So vielfältig wie dessen Geschichte, ist das Gebiet auch aus geologischer Sicht: in der Ebene findet man vorwiegend Reisfelder, gegen Norden steiler werdende Hügel und Gebirgsketten, bis hin zum Lago Maggiore mit seiner Jahrtausende alten Tourismusgeschichte.

König Nebbiolo

Vielfältigkeit dominiert auch den Ausdruck der Weine, die sich massiv je nach Herkunftszone unterscheiden. Zwar regiert hier König Nebbiolo (lokal Spanna oder Prünent genannt), lässt aber wohlwollend einige rote Prinzessinen an seiner Seite zu: Uva Rara, lokal »Bonarda Novarese«, Vespolina und Croatina. Je nachdem in welcher Zone des Alto Piemonte der Nebbiolo gepflanzt wird, drückt er sich anders im Glas aus. Hauptgrund dafür ist die verschiedene und vielfältige Bodenbeschaffenheit, die sich von Gebiet zu Gebiet ändert. Hier findet man innerhalb weniger Kilometer Sedimentgestein neben Vulkangestein und Porphyr.

Boca befindet sich auf einem Jahrmillionen alten Krater des Supervulcano della Valsesia. Ebenso Bramaterra. Hier wachsen die Reben großflächig auf einem riesigen Porphyrblock, das Gebiet ist hügelig und die Rebgärten umgeben von Wald. Als Gegenstück steht im Süden Lessona, flach, der Boden mit Sedimentgestein bedeckt. In Gattinara finden wir ockerbraunen Porphyr, sehr kompakt und sehr hart, extrem brüchig an der Oberfläche, in der Tiefe fast undurchdringlich. Auf den Colline Novaresi finden wir dieselben roten Porphyrböden wie in Boca, sie sind so brüchig, dass sie fast schon staubig sind, gänzlich ohne Humus.

Entlang der Ostküste erstrecken sich von Norden nach Süden die Gebiete Ghemme, Fara und Sizzano, welche aus geologischer Sicht sehr homogen sind. Lockere, durchlässige Böden mit Kiesel, sehr reichhaltig an Eisen und Magnesium, sind hier vorzufinden. Ganz im Norden, in den Tälern der Ossola, finden sich steile Terrassen. Dieses Gebiet ist stark von Moränenböden geprägt, mit hohem Granit-Anteil und reichhaltigen Mineralstoffen.

Die Moränen-, Sandböden und vulkanischen Porphyr-Böden des Alto Piemonte sind sehr saure Böden, die den lokalen Weinen komplexe und taktil-mineralische Struktur abgeben. Zudem sorgen kalte Winde, die vom Monte Rosa, dem zweithöchsten Berg Europas, abfallen, für einen hohen Temperaturunterschied zwischen Tag und Nacht. So werden die aromatisch-duftigen Komponenten der Trauben besonders ausgeprägt und reichen von medizinalen Kräutern bis hin zu balsamischen Nuancen. Es wundert nicht, dass der Nebbiolo hier tausend Facetten erlangt.

Bei einer technischen Verkostung, mit präzisem gelegtem Fokus auf die Produzenten und deren autonom angestellten Jahrgänge, konnten wir unsere Top 5 heraus degustieren:

Unsere Top 5

  • Podere Ai Valloni - Vigna Cristiana Boca DOC 2012
  • Mirù – Vigna Cavenago Ghemme Riserva DOCG 2015
  • Travaglini – Gattinara Riserva DOCG 2015
  • Cantine Garrone – Prünent 10 Brente Valli Ossolane Nebbiolo Superiore DOC 2016
  • Massimo Clerico – Lessona Riserva DOC 2014
Simon Staffler
Simon Staffler
Head Of Tastings Falstaff Italien
Mehr zum Thema