Die Urteile der großen deutschen Restaurant-Guides

Gault Millau 2010: Die Abrechnung - Michelin 2010: Gepflegte Langeweile. Falstaff nahm mit seinen Restaurantkritiken die gastronomischen Highlights vorweg.

Bereits in den letzten zwei Ausgaben bewies das Falstaff-Magazin den richtigen Riecher und lobte Restaurants wie "Reinstoff" aus Berlin sowie "Schweigers" im "Show Room" und "Terrine" aus München (Siehe Links unten).

Nun zogen die beiden prominenten deutschen Gastro-Führer Gault Millau und Michelin nach, indem sie das "Reinstoff" zur Entdeckung des Jahres kürten bzw. bereits wenige Monaten nach der Eröffnung den ersten Stern verliehen. Andreas Schweiger erhielt ebenfalls einen Stern und die "Terrine" wurde beim Gault Millau zum "Aufsteiger des Jahres".

Der umstrittene Heringskaviar

Kräftige Seitenhiebe auf gewisse gastronomische Betriebe, die die Etikette verletzen, gehören beim Gault Millau zum guten Stil. Und so verlor Nils Henkel, letztes Jahr noch zum Koch des Jahres gekürt, einen Punkt auf nunmehr 18, weil er Heringskaviar verwendet. Zitat des Gault Millau: "Der Guide empfindet dieses von französischen Behörden als Heringsmüll bezeichnete Kunstprodukt aus geräucherten Heringsabfällen, Wasser, Salz, Maisstärke, Zitronensaft und Zitronensäure und Tinte vom Kalamar sowie Xanthan (das gemeinhin für Tapetenkleister verwendet wird und Ketchup so schön zähflüssig werden lässt) als Sittenverfall." Dem gegenüber steht übrigens eine Stellungsnahme von Ralf Bos, Inhaber von Bos Foods aus Düsseldorf und seines Zeichens ein nicht nur wehrhafter und sympathischer Zeitgenosse, sondern auch einer der bedeutendsten Feinkosthändler Deutschlands (Quelle: Wein- und Gourmetwelten): "Der Vorwurf, es handele sich um einen Chemie-Cocktail, ist ebenso absurd wie die Bezeichnung Heringsmüll. Die einzigen Stoffe im Avruga, die vielleicht nicht alltäglich sind, sind die Tintenfischtinte, die für die schwarze Farbe und das Xanthan, das als Emulgator und Bindemittel für die Konsistenz sorgt. Xanthan ist in etwa so weit eine Chemikalie wie Maisstärke eine Chemikalie ist. Sollte es darum gehen, Xanthan aus den Küchen zu vertreiben, würde sich die Anzahl der zur Verfügung stehenden Lebensmittel drastisch reduzieren. Denn egal, ob es sich um Joghurt oder Dressings, Backwaren, Suppen, Soßen, Konfitüren oder Speiseeis handelt, Xanthan ist seit 30 Jahren omnipräsent."

Abwertung von Lafer

"Eins auf die Kochmütze" bekam Johann Lafer vom Gault Millau mit einer Abwertung um gleich zwei Punkte auf 15: "Zu wenige Aromen werden so präsentiert wie versprochen, sondern zu süß, zu salzig, zu disharmonisch. Die Desserts machen nur in der Karte einen imposanten Eindruck, sind aber kaum auf irgendeiner Höhe der Zeit." Zumindest bei Lafer weiß der treue Leser des Gault Millau, dass seine häufige Präsenz im Fernsehen gern kritisiert wird. Übrigens nicht bei Frank Rosin aus Dorsten mit nunmehr 18 P. und Alfons Schuhbeck, die im Gault Millau sehr gut abschneiden und beide ebenfalls häufig auf der Mattscheibe zu sehen sind.

3-Sterne-Betriebe unverändert

Der Michelin setzte wenig Glanzlichter. Erwähnenswert das "Le Pavillon" in Peterstal-Griesbach mit nunmehr 2 Sternen sowie 15 Sternverluste, die fast ausschließlich aber durch Schließungen der Restaurants zu erklären sind. Die renommierte "Traube" in Grevenbroich büßte ihren zweiten Stern ein. Nach der Sterneparade des letzten Jahres scheint das Tester-Pulver verschossen, um die obere Liga mit drei Sternen (unverändert neun Lokale) und die 2-Sterne-Riege bedeutend zu verstärken. Dafür stockte der Michelin die Kategorie mit einem Stern um 23 Restaurants auf. Besonders erwähnenswert neben dem "Reinstoff" und dem "Schweiger" "Meyers Keller" in Nördlingen, das der Gault Millau hingegen um einen Punkt reduzierte sowie die "Speisemeisterei" in Stuttgart, wo der neue Koch Frank Oehler an die Erfolge der Legende Martin Oechsle anzuknüpfen versucht. Bei nunmehr 198 Restaurants mit 1 Stern hätte man mehr Potenzial nach oben erwartet.

Koch des Jahres

Koch des Jahres beim Gault Millau wurde Wahabi Nouri vom Hamburger Restaurant "Piment": "Er könnte die ganz große kulinarische Oper darbieten, singt aber aus wirtschaftlicher Vernunft nur die Arien, die er am besten kann und die sein Publikum in seiner Interpretation mag."

Beim Michelin ruht erneut die schwere und unnötige mentale Last auf mehreren Aspiranten. Das "La Vie" aus Osnabrück könnte sich demnächst drei Sterne erkochen, das Berliner "MA - Tim Raue" eventuell zwei Sterne. Bedenkt man, dass Claus-Peter Lumpp gleich zwei Jahre auf die Aufwertung warten musste, wird diese Kategorie endgültig anzweifelbar.

(von Frank Hidien/bed)