Spaniens Weinanbau ist im Umbruch: Das individuelle Terroir der jeweiligen Region rückt ins Zentrum – hier eine Lage bei Briñas in La Rioja.

Spaniens Weinanbau ist im Umbruch: Das individuelle Terroir der jeweiligen Region rückt ins Zentrum – hier eine Lage bei Briñas in La Rioja.
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Die Top 100 Weine Spaniens

Falstaff hat die 100 besten Weine Spaniens ausgewählt. Die Selektion zeigt, dass die exakte Herkunft der Crus auch in der Heimat der Gran Reservas immer wichtiger wird.

Der weltweite Rosé-Trend ist ungebrochen. Auch für die spanische Weinindustrie sind pinkfarbene frische Weine derzeit von großer Bedeutung. Doch der wahre Trend in Spaniens Weinwelt ist für das Land selbst von weit größerer Tragweite: Seit der Jahrtausendwende findet auf der Iberischen Halbinsel ein wahrer Paradigmenwechsel statt – und dieser beschränkt sich nicht nur auf eine einzelne Weinfarbe. Während früher die Reifezeit ­eines Weins als Maßstab für die Qualität diente, ist es heute vielmehr die einzigartige Herkunft, die einen wachsenden Teil der Spitzenweine prägt. Klassische Qualitäts­bezeichnungen wie Crianza, Reserva oder Gran Reserva rücken in den Hintergrund. Das zeigt sich etwa in der Region Rioja, wo Einzellagenweine seit 2017 offiziell klassifiziert werden können. Zu den besten Rioja-Crus der Falstaff-Selektion gehört der Viña El Pisón des Weinguts Artadi – eine der Speerspitzen dieser »Grand Cru statt Gran Reserva«-Entwicklung. Seit Anfang der 1990er-Jahre wird der Wein aus einer ge­rade einmal 2,4 Hektar großen Einzellage produziert. Die Tempranillo-Reben wurden 1945 auf reinem Kalkstein gepflanzt. Es handelt sich um eine besonders hohe Lage in der Rioja, was zu einer perfekten Balance aller natürlichen Elemente führt. Ergebnis: ein delikater Rotwein von großer mineralischer Tiefe und fast schon burgundischer Finesse.

Die Pflanzung der Weinlage Viña El Pisón kann in mehrfacher Hinsicht als Pionierleistung angesehen werden. Denn erstklassige Lagen wie diese sind nicht nur in der Rioja, sondern in fast allen spanischen Regionen en vogue. Das zeigen die Bestrebungen der Winzervereinigung Grandes Pagos de España genauso wie die 2003 eingeführte höchste Qualitätsstufe Vino de Pago im spanischen Weingesetz, die Gütern mit einzigar­tigen Weinlagen vorbehalten ist. Die spanischen Weinmacher suchen die Frische, und zwar nicht nur durch die Eroberung höherer Lagen, sondern auch durch die Bepflanzung ganz neuer, weniger exponierter Weinberge, durch die Besinnung ­auf angepasste, heimische Sorten und auch durch das Vorziehen des Erntezeitpunkts. Bei der letzten Maßnahme allerdings ist Vorsicht geboten, damit die volle Reife und damit Harmonie erreicht werden kann.

Heimische Frische

Die autochthonen Sorten, meist bereits ­perfekt an ihre Umgebung angepasst, sind diesen Bestrebungen zuträglich, da sie oft frischer ausfallen als internationale Pendants. Garnacha oder Grenache ist ebenso heimisch in Spanien wie der allgegenwär­tige Tempranillo oder die Sorte Cariñena, die als Carignan in Frankreich bekannt ist. Einer der Weine, den die Falstaff-Redaktion zum wiederholten Male mit 100 Punkten bedachte, zeigt exemplarisch, welches Potenzial in Spaniens Ursorten steckt: der exklu­sive, gesuchte L’Ermita von Alvaro Palacios aus dem Priorat. Der Wein besteht aus den Sorten Garnacha und Cariñena, die ihren Ursprung vermutlich in Nordostspanien ­haben und wohl nirgendwo auf der Welt größer gelingen als hier.

Eine neue Winzergeneration

Es ist eine junge, neue Winzergeneration, die den Umschwung prägt. Neben dem Anbau macht sich das insbesondere im Ausbau der Weine bemerkbar. Die Natürlichkeit und der Ausdruck der Frucht zählen dabei zu den Maximen. Logisch also, dass das für Spanien typische amerikanische Holzfass heute nicht nur an Bedeutung verliert, sondern bei vielen mittlerweile sogar verpönt ist. Zu den Erneuerern Spaniens gehört etwa der bärtige Raúl Pérez, der überraschende Weine von großer Eleganz und Filigranität auf die Flasche bringt. Ihr wichtigstes Merkmal: Pérez’ Weine sind vom Terroir geprägt und in keinster Weise vom Ausbau. Das Önologenteam Envínate gehört zum selben Dunstkreis. Die Weine, die oft nur in Kleinstmengen verfügbar sind, genießen so etwas wie Kultstatus in progressiven Weinkreisen. In der Falstaff-Bestenliste sind sie gleich zwei Mal zu finden: einmal mit ihrem Táganan Parcela Margalagua aus einer Einzellage auf Teneriffa und einmal mit dem Tinta Amarela Parcela Valdemedel aus einer Lage in der südspanischen Region Extremadura. Der letztgenannte Wein zeigt auf herrliche Weise, wohin die Reise in Spanien geht: Die Sorte Tinta Amarela heißt im benachbarten Por­tugal Trincadeira, ist also autochthon. Die Lage aus kalkhaltigen Lehmböden liegt auf 500 Metern über dem Meer und ist nach Norden ausgerichtet, also von der Sonne abgewandt. Vinifiziert wird so zurückhaltend wie nur möglich, ausgebaut in großen, neutralen 500-Liter-Fässern aus französischer ­Eiche. Das Resultat ist frisch, würzig, fruchtig und ganz einfach grandios.

Die derzeit stattfindende Erneuerung des spanischen Weinbaus ist also keine Neuerfindung, sondern eine Rückbesinnung auf alte Werte und Methoden. Damit einher geht der Trend, dass klassische spanische Weingüter, die immer schon auf Tradition und althergebrachte Machart setzten, derzeit einen Aufschwung erleben. Allen voran gilt das für Sherry. Die hohen Noten der Falstaff-Verkoster und die vergleichsweise moderaten Preise in dieser Kategorie zeigen, dass es sich mehr als nur lohnt, diese althergebrachten und genau darum so zeitgemäßen spanischen Weine kennenzulernen.


Zwei Welten – Beide grandios

Die Region Rioja lässt sich längst nicht mehr über einen Kamm scheren: Klassiker, die vom Ausbau in amerikanischen Eichenholzfässern geprägt sind, gehören ebenso zur Spitze der Region wie fast schon burgundisch anmutende moderne Interpretationen. La Rioja ist vielfältig wie nie!

TOP 10 – Rioja

100 Punkte

  • Castillo Ygay Gran Reserva Especial 2010
    Marqués de Murrieta
    vinos.de, 99,90 Euro

 99 Punkte

97 Punkte

96 Punkte

95 Punkte


Rotweine von Weltformat

Die Region Ribera del Duero zählt seit vielen Jahren zu den großen Terroirs der Iberischen Halbinsel. Zu den Geheimnissen der Region gehört insbesondere die große Menge an teils uralten Rebbeständen – ein Garant für natürlich harmonische, lagerfähige Weine von Weltformat.

Top 10 – Ribera del Duero

100 Punkte

99 Punkte

  • Unico Gran Reserva 2009
    Vega Sicilia
    vinorama.at, 362,07 Euro

98 Punkte

97 Punkte

  • Valbuena 5° 2014, Vega Sicilia
    vinorama.at, 146,20 Euro
  • Cuesta de las Liebres 2015
    Bodega Pago Carraovejas
    belvini.de, 129 Euro

96 Punkte

  • Aalto PS 2017, Bodegas y Viñedos Aalto
    hawesko.de, 85 Euro
  • Sei Solo 2016, Bodegas Sei Solo
    vinos.de, 55,90 Euro

95 Punkte

  • Hacienda Monasterio 2016
    Hacienda Monasterio
    vinorama.at, 39,90 Euro

94 Punkte

  • Alión 2015, Bodegas Alión   
    vinorama.at, 74,90 Euro
  • Viña Pedrosa Reserva 2015       
    Hermanos Pérez Pascuas
    vinos.de, 29,90 Euro

Schaumweine der Extraklasse

Der spanische Cava galt lange als Schaumwein zweiter Klasse. Es ist Spitzenproduzenten wie Gramona, Recaredo oder Agustí Torelló zu verdanken, dass Cava & Co. endlich den Ruf haben, den sie auch verdienen – spanische Prickler spielen längst in der ersten Liga.

Top 10 – Cava & Co.

97 Punkte

  • Gramona, Enoteca Brut Nature 2002
    vinos.de, 129 Euro
  • Recaredo, Recaredo Turó d’en Mota Grand Reserva Brut Nature 2004
    vinos.de, 119 Euro

96 Punkte

  • Codorníu, Ars Collecta Finca La Fideuera
    Gran Reserva 2009
    hispavinus.de, 88,90 Euro
  • Gramona, Celler Batlle Corpinnat 2007
    vinatero.de, 59,90 Euro

95 Punkte

  • Agustí Torelló, Torelló Gran Torelló Brut
    Nature Corpinnat 2011
    wein-handlung.at, 19,50 Euro
  • Pere Ventura, Gran Vintage Cava 2014
    elvinjo.de, 24,80 Euro

94 Punkte

 93 Punkte

  • Juvé y Camps, Reserva de La Familia 2015
    weinco.at, 19,95 Euro

Die weiteren Top 10 Rankings lesen Sie in der aktuellen Ausgabe des Falstaff Magazins:

  • Castilla y León
  • Priorat
  • Sherry
  • Südspanien
  • Roséweine
  • Weissweine
  • Inseln

Erschienen in
Falstaff Nr. 03/2020

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Benjamin Herzog
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