Aus der Kellerei Girlan kommen tiefgründige, tanninreiche Vernatsch-Weine wie der Gschleier.

Aus der Kellerei Girlan kommen tiefgründige, tanninreiche Vernatsch-Weine wie der Gschleier.
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Die Rückkehr des Vernatsch

Südtiroler Vernatsch gehört zum Land wie Berge und Menschen. Zahlreiche Weinbauern pflanzen an seiner Stelle allerdings andere Rebsorten. Dabei feiert der Vernatsch gerade eine Renaissance.

Das ist ein absolut moderner Wein! Der Konsument sucht derartige leichte, fruchtige Weine, die mit ihrem milden Tannin viel Trinkfluss bieten.« Das sagt kein Geringerer als Renzo Cotarella, Chefönologe und Generaldirektor von Marchesi Antinori und ein Global Player in der internationalen Weinwelt. Und er sagt es über den Vernatsch, Südtirols häufigste Rotweinsorte. Cotarella war übrigens Mitglied in der Verkostungskommission beim »Südtiroler Vernatsch Cup« – mittlerweile eine Traditionsveranstaltung, die seit 2003 vom Unternehmer Ulrich Ladurner, dem Weinhändler Günther Hölzl und Falstaff-Italien-Korrespondent Othmar Kiem im exklusiven »Vigilius Mountain Resort« auf 1500 Meter, hoch über Lana, organisiert wird. Zum »Vernatsch Cup« finden sich die bekanntesten Weinjournalisten aus Deutschland, der Schweiz, Österreich und Italien ein und sind unisono beeindruckt und oft sogar begeistert von der Vielseitigkeit der Traube. 

Die Rebsorte Vernatsch steht für Südtirol. Der »Vernatsch Cup« kürt jährlich die besten Vernatsch-Weine. www.vernatschcup.it
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Die Rebsorte Vernatsch steht für Südtirol. Der »Vernatsch Cup« kürt jährlich die besten Vernatsch-Weine. www.vernatschcup.it

Problemlage

Ob Kalterersee, St. Magdalener, Meraner oder Grauvernatsch – in all diesen Weinen steckt Vernatsch. Er ist frisch und fruchtbetont, mit mildem Tannin. Allerdings ist die Anbaufläche der Rebsorte stark rückläufig. Im vergangenen Jahrzehnt ist sie um mehr als die Hälfte geschrumpft und belegt aktuell nur gut 15 Prozent der Südtiroler Hänge. 
Die Situation ist verzwickt. Auf der einen Seite stehen Weinkritiker und Weingenießer, die den Vernatsch loben. Auf der anderen Seite finden sich die Weinbauern wieder, die ihren Vernatsch-Bestand sukzessive auflassen. Was läuft da falsch? Es ist der Preis, der -zahlreiche Winzer dazu bringt, den Vernatsch gegen andere Sorten auszutauschen. Ein Hektar Vernatsch bringt oft nur die Hälfte von dem ein, was aus Weißweintrauben in Spitzenlagen zu holen ist. Von den Wein-Vermarktern hört man deswegen oft, dass ein Vernatsch zu einem Preis über sechs bis sieben Euro nicht absetzbar sei.

Winzer Franz Gojer ist ein Südtiroler Qualitätspionier.
© Frieder Blickle
Winzer Franz Gojer ist ein Südtiroler Qualitätspionier.

Er ist wieder da

Es geht aber auch anders. Das beweist Christian Plattner vom Ansitz Waldgries in Bozen. Sein St. Magdalener Classico Antheos ist unter 18 Euro nicht zu haben – und dabei doch heiß begehrt. 
Plattners Ansitz Waldgries liegt im Herzen des St.-Magdalena-Gebiets. Die Hügel- und Steillagen dieses Weindorfs, das politisch zur Stadtgemeinde Bozen gehört, zählen zu den erlesensten Lagen Südtirols. Für seinen Antheos hat Christian Plattner einen Weingarten mit alten, traditionellen Vernatsch-Varianten bepflanzt. Neben Edel- und Grauvernatsch stehen darin auch Mitter- und Tschaggelevernatsch und andere historische Sorten. Nach Burgunder-Art vergärt Christian Plattner den Antheos zum Teil mit Stielen und Kämmen. »So erhalte ich mehr Dichte und Komplexität, aber auch mehr Eleganz«, erklärt er. Für eingefleischte Vernatsch-Liebhaber ist Plattners Antheos schon zu stoffig. Die halten sich lieber an seinen »normalen« St. Magdalener Classico. Der gilt als süffiger, aber ebenso hervorragend. 
 Nur wenige hundert Meter weiter liegt der Glögglhof. Franz Gojer war in den 1980er-Jahren einer der Qualitätspioniere. Auf seinen St. Magdalener war er immer stolz. Auch in den Jahren um die Jahrtausendwende, als ein Wein tiefschwarz und mehr zum Kauen als zum Trinken sein musste. Mittlerweile hat sich das geändert.

Am Glögglhof macht Franz Gojer mit Sohn Florian (oben.) u. a. St. Magdalener. 
© Frieder Blickle
Am Glögglhof macht Franz Gojer mit Sohn Florian (oben.) u. a. St. Magdalener. 

»Überall, wo wir hinkommen, sagen die Leute, dass sie saftige Weine wie den Vernatsch schätzen. Unser St. Magdalener ist auch international einzigartig.«
Franz & Florian Gojer, Glögglhof

Franz Gojers Arbeit im Keller hat mittlerweile sein Sohn Florian übernommen. Er selbst widmet sich der Arbeit im Weingarten. Für Florian Gojer ist es klar, dass der St. Magdalener der wichtigste Wein des Glögglhofs ist: »Damit stehen wir auch international einzigartig da.« 
Der wichtigste St.-Magdalener-Erzeuger ist die Kellerei Bozen, die viele kleine Weinbauern in Bozen unter ihrem Dach vereint. Kellermeister Stephan Filippi stößt ins selbe Horn: »Der St. Magdalener ist für uns ein sehr wichtiger Wein. Seit vergangenem Jahr können wir auch eine Trendwende feststellen: Es werden wieder neue Vernatsch-Weingärten angelegt.«
Um die Güte des St. Magdaleners zu betonen, ist die Kellerei Bozen neben dem Classico und der Selektion »Huck am Bach« vor zwei Jahren mit einem weiteren St. Magdalener auf den Markt gekommen: dem Moar, den es nur in Magnums gibt. Andrea Moser ist Kellermeister und Gerhard Sanin Agronom in der Kellerei Kaltern, der größten Winzergenossenschaft des Landes. Kalterersee ist der leichteste der Südtiroler Vernatsch-Weine. Er ist eher hell, saftig und hat mildes Tannin. Weine wie der Kalterersee Pfarrhof oder der Leuchtenburg zählen zu den Aushängeschilder dieser Typologie. 
Im Sommer 2016 fuhren Moser und Sanin als »Piraten vom Kalterer See« mit dem Fahrrad von Südtirol nach Neapel und präsentierten in ausgewählten Etappen ihre Kalterersee. 

Vielseitiger Genuss

Die Erkenntnis des Roadtrips: In Mittel- und Süditalien findet Vernatsch immer mehr begeisterte Anhänger. Ein riesiger Bonus des Weins ist, dass er auch gekühlt sehr gut zu genießen ist. Bei Temperaturen zwischen 12 und 14 Grad kann er seine Qualitäten voll ausspielen. 
Wie der Meraner. Der gilt als der duftigste und rassigste der Vernatsch-Weine. Paradebeispiel dafür sind die Weine der Kellerei Meran. Allen voran der Schickenburg. Es geht aber auch anders. Franz Pfeil vom Kränzelhof in Tscherms keltert mit seinem Baslan etwa einen Meraner, der mehr der Burgunderstilistik folgt. Man sieht: Vernatsch-Weine präsentieren sich äußerst variantenreich. Sie sollten am besten innerhalb der ersten zwei bis drei Jahre nach der Ernte genossen werden. 

Wichtigster St.-Magdalener-Erzeuger in Südtirol ist die Kellerei Bozen, die viele Weinbauern unter ihrem Dach vereint. 
© Christian Gufler
Wichtigster St.-Magdalener-Erzeuger in Südtirol ist die Kellerei Bozen, die viele Weinbauern unter ihrem Dach vereint. 

Aber natürlich gibt es auch hier Ausnahmen. Die Moränenböden von Girlan sind bekannt für ihre tiefgründigen, tanninreichen Weine. Aus solchen Lagen stammt der Vernatsch Gschleier der Kellerei Girlan. Bei einer Vertikalverkostung Anfang des Jahres anlässlich der 40-Jahr-Jubiläumsfeier des ersten Gschleiers präsentierten sich einige Jahrgänge hervorragend, etwa 1990 und 1985. Herausragend aber war wieder einmal der Gschleier 1976. Dieser zeigt sich als ein in Würde gereifter Rotwein. Auch das kann Vernatsch!

Vernatsch-Tipps

Kellerei Kaltern
Die größte Winzergenossenschaft Südtirols setzt auf den Kultwein.
www.kellereikaltern.com
Kellerei Bozen
Im Bozener Stadtteil Gries gelegen, wird hier St. Magdalener gemacht.
www.kellereibozen.com
Kellerei Girlan
In Würde gereifter Vernatsch ist die Spezialität dieser Kellerei.
www.girlan.it
Glögglhof
Der Familienbetrieb macht aus der Rebsorte Vernatsch Charakterweine.
www.gojer.it

Ansitz Waldgries
Edel-Vernatsch, der bei Kennern begehrt ist, stellt die Winzerfamilie Plattner her.
www.waldgries.it
Kellerei Meran
Die Winzergenossenschaft hat 380 Mitglieder. Ihr Wein hat einen guten Ruf.
www.kellereimeran.it

Aus dem Falstaff Magazin Nr. 02/2017.

Othmar Kiem
Othmar Kiem
Chefredakteur Falstaff Italien
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