Die neue ­Fleischeslust

Kobe-Beef als weltbestes Rindfleisch, Dry-aged-Beef als neues Modewort für erlesene Steaks: Rindfleisch boomt.

Zwei Themen bestimmen momentan die Essgewohnheiten. Durch immer neue Lebensmittelskandale – von BSE bis zu Pferdefleisch in Würsten und Fertiggerichten – steigt einerseits die Zahl derer, die in das Lager der Fleischverweigerer wechseln. Andererseits führen Begriffe wie Kobe-Beef oder Dry-aged-Steaks bei immer mehr Gourmets zu wahrer Hochstimmung. Beide Trends spiegeln sich auch in der Gastronomie wider. Noch nie gab es derart viele Restaurants mit vegetarischer Küche. Doch auch die Zahl der Steakhäuser ist in den letzten beiden Jahren ungewöhnlich stark gestiegen. Innovative Metzger, Züchter exotischer Rinderrassen, lokale Delikatessenhändler und Anbieter erlesener Steak-Spezialitäten wie etwa der Otto-Gourmet-Versand verzeichnen erstaunliche Zuwachsraten. Besonders der Begriff Dry-aged-Beef ist seit einiger Zeit in aller Munde. Dabei handelt es sich um eine Methode, bei der das Fleisch am Knochen einige Wochen unter bestimmten Bedingungen im Kühlhaus reift. Während dieser Zeit verliert das Fleisch Wasser und damit bis zu 20 Prozent des Gewichts. Der Vorteil: Die Steaks sind wesentlich geschmacksintensiver und zarter. Die Methode ist jedoch keineswegs neu. Legendäre Steakhäuser wie Smith & Wollensky oder Gallagher’s in New York haben sich damit schon vor langer Zeit einen internationalen Ruf erworben. Und wie so oft in den USA geht man dabei keine Kompromisse ein. In den Kühlräumen der Steakhäuser reifen Rinderstücke mit einer dicken Schimmelschicht heran. »Gammelfleisch für Genießer«, könnte man sagen, denn die schimmel­bedeckten Fleischbrocken sehen während der Reifung alles andere als appetitlich aus.

Gut gereift
Inspiriert von dieser Tradition installieren nun auch in Österreich immer mehr Gastronomen in ihren Restaurants eigene Reiferäume. So wie etwa Klaus Piber in seinem Wiener Lokal »Frank’s«, wo Gäste den Reifeprozess von Dry-aged-Beef direkt im Lokal betrachten können. Seit März setzt auch das Genusshotel Riegersburg der Schnapsbrennerei und Essigmanufaktur Gölles in der Steiermark auf Dry-aged-Beef. Produziert wird das Fleisch auch in diesem Fall in einer hauseigenen Reifekammer.

Der Erste, der dieses Fleisch für die Gastronomie und auch für den Endverbraucher im großen Stil angeboten hat, ist der Fleischproduzent Manfred Höllerschmid im nieder­österreichischen Etsdorf. Weil die Nachfrage kontinuierlich gestiegen ist, hat Höllerschmid im Vorjahr in den Ausbau hypermodern ausgestatteter Lagerhallen investiert. »Wir sind aber immer noch am Beginn«, sagt der Chef, »dieser Boom wird in Österreich noch stark anwachsen.«

Aufwendige Aufzucht
Das ultimative Steak kommt aus Japan. Kobe-Beef ist nicht nur das teuerste Fleisch der Welt, es ist auch zum Inbegriff elitärer Fleischeslust geworden. Der Name bezieht sich dabei auf die japanische Stadt Kobe.

Das Fleisch stammt von der dort gezüchteten japanischen Rinderrasse Wagyu – die Tiere werden mit einem weltweit unvergleichlichen Aufwand aufgezogen. In das Futter wird unter anderem Bier gemischt, die Rinder werden massiert, das Fleisch hat eine grandiose Marmorierung und einen einzigartigen Geschmack.

Der Haken dabei: Kobe-Beef ist eine geschützte Herkunftsbezeichnung. Nur wenn das Fleisch aus der Region um Kobe stammt, darf es so heißen. Der Import in EU-Länder ist nach wie vor verboten. Inzwischen gibt es aber auch in Europa immer mehr Wagyu-Züchter, deren Fleisch darf aber nur als Kobe-Style bezeichnet werden.

Exotisches vom Rind & Einkaufstipps

Die wichtigsten Rinderrassen

Friedrich Bauer Lebensmittelchemiker und Professor für ­tierische Lebensmittel an der Veterinär­medizinischen ­Universität Wien / Foto: beigestellt»KEIN SCHIMMEL AM FLEISCH«

Falstaff fragte
Friedrich Bauer – Lebensmittelchemiker und Professor für ­tierische Lebensmittel an der Veterinärmedizinischen ­Universität Wien – wie riskant der Verzehr von lang gereiftem Fleisch ist.

Herr Professor, wie riskant ist der Konsum von länger gereiftem Fleisch, wie das etwa bei der Dry-aged-Methode der Fall ist?
Das kann man nicht generell sagen. Das kommt auf die Umstände an. Wenn beim Produzenten alles passt, ist es unbedenklich. Aber dass es sich dabei grundsätzlich um ein kritisches Produkt handelt, ist unbestritten.

Um welche Risiken geht es dabei?
Es können sich bei Schimmelbildung ­Mykotoxine bilden. Das sind sekundäre Stoffwechselprodukte aus Schimmelpilzen, die gesundheitsschädlich sein können. Aber wie gesagt, das muss nicht automatisch der Fall sein. Das tritt vor allem dann auf, wenn sich Schimmel bildet.

Mit welchen Krankheiten muss man in so einem Fall rechnen?
Das kann Organe wie Leber und Nieren schädigen.

In den USA werden aber in manchen Steakhäusern schimmelbefallene Fleischstücke als besondere Delikatesse verkauft.
In Amerika ist vieles anders. Aus unserer Sicht steht fest: Schimmel hat auf Frischfleisch nichts verloren. Bei der Salami etwa ist das anders. Da wird kontrollierter Schimmel eingesetzt.

Ist das Risiko bei länger gereiftem Fleisch ähnlich wie bei Rohmilchkäse, wo es in Frankreich sogar schon zu Todesfällen ­gekommen ist?
Nein, das hat damit nichts zu tun. Beim Käse geht es um Bakterien, das ist etwas ganz anderes.

Text von Herbert Hacker
Aus Falstaff Nr. 02/2013

Herbert Hacker
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