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Die fünf Wein-Trends 2023

Am Beginn des Jahres wagt Falstaff den Blick in die Kristallkugel: Was werden die großen Themen der Weinwelt im Jahr 2023 sein?

1. Burgundy rules

Während Bordeaux sich schwer tut, aus dem Stimmungstief herauszukommen, führt Burgund die internationalen Weinmärkte an. Die Londoner Weinbörse »Liv-Ex« spricht sogar von einem »seismic shift« (also einer Verschiebung von der Qualität eines Erdbebens): Wurden 2018 noch 820 verschiedene Burgunder auf der Plattform gehandelt, waren es 2020 bereits 1588, und im gerade abgeschlossenen Jahr 2022 waren es 1924. Der Run auf Burgunder aus Burgund verschiebt auch im deutschen Weinbau die Gewichte: Auch wenn König Riesling immer noch unangefochten der deutsche Wein schlechthin ist, so schließen doch die Burgundersorten immer mehr auf – im Ansehen, im Preis, und nicht zuletzt auch in der Wertschätzung durch Winzer und Märkte.

2. Ortsweine

Sie stellen in der Qualitätspyramide die zweite Stufe nach den »Gutsweinen« dar: Bei den Ortsweinen handelt es sich um Gewächse, die aus den Trauben eines auf dem Etikett benannten Weinorts gekeltert wurden. Dabei stammen die Trauben entweder aus weniger bekannten Lagen, oder sie stellen einen Verschnitt aus Spitzenlagen dar – oft von jungen Rebanlagen, oder aus Trauben, die für den Top-Lagenwein nicht gut genug waren. Das mag sich nach »zweiter Wahl« anhören – doch wegen ihres meist moderaten Preises sind diese Weine dennoch höchst attraktiv. Der preisliche Abschlag gegenüber einem Großen Gewächs fällt in der Regel sehr viel kräftiger aus als die qualitativen Abstriche. Ein Ortswein aus gutem Haus hat sogar häufig mehr Genusspotenzial zu bieten als manch ein zweitklassiger Lagenwein. Das ist genau die Art von Angebot, die in ein ökonomisches Umfeld passt, wie wir es gerade haben. 

3. PiWis

Schon im 19. Jahrhundert hat man versucht, pilzwiderstandsfähige Rebsorten zu züchten. Der Trick besteht darin, amerikanische Sorten, die sich im Lauf der Evolution gegen Mehltau gewappnet haben, mit der empfindlichen europäischen Vitis vinifera zu kreuzen. Nun ist es allerdings so, dass die Trauben aus amerikanischen Rebsorten keine wirklich feinen Aromen hervorbringen, und leider vererbt sich diese Eigenschaft häufig auch an die Kreuzungen. Erst in den letzten 30 Jahren, und ganz besonders in den letzten zehn oder 15 Jahren haben die Züchter Fortschritte gemacht. Derzeit machen Rebsorten wie die weißen Cabernet blanc und Souvignier gris oder die roten Pinotin, Cabertin und Satin noir Furore. Und weitere, vermutlich noch bessere Sorten, sind schon in Erprobung. Für Basisweine und bis hinein in die gute Mittelklasse sind PiWis eine echte Alternative. Aus ökonomischer und ökologischer Perspektive wird man in Zukunft nur noch wenige Argumente dafür haben, mit hohem Pestizideinsatz einen geschmacklich schlichten Literriesling zu produzieren, wenn sich zum selben Preis (oder sogar günstiger) und mit geringen Pflanzenschutzmaßnahmen ein PiWi-Tischwein erzeugen lässt.

4. »Kabi«

Nimmt man die Versteigerungsergebnisse der letztjährigen Auktionen von VDP und Bernkasteler Ring zum Maßstab, dann scheint die Kabinett-Welle ihren Höhepunkt immer noch nicht erreicht zu haben. Preise wie für Egon Müllers Scharzhofberger Kabinett Alte Reben (626 Euro) oder für die Versteigerungsversion von J. J. Prüms Wehlener Sonnenuhr (506 Euro) sind zwar nicht geeignet, der Durchschnittsweintrinkerin oder dem Durchschnittsweintrinker Lust auf mehr zu machen, doch zum Glück gibt es herausragenden Riesling Kabinett auf vielen Betrieben noch um die zehn oder 15 Euro. Auch diese Weine lassen einen, vor allem nach einer Reifezeit von fünf bis sieben Jahren, die ganze Faszination des Kabinett erfahren: sein einzigartiges Spiel, das wie bei einem Houdini-Trick die Süße hinter Frische und Mineralität verschwinden lässt, und seine begeisternde Leichtigkeit, die ein Maximum an Ausdruck bei einem Minimum an Alkohol bietet. 

5. Politischer Zoff

Die EU-Kommission plant, in Naturschutzgebieten alle Kulturen zu untersagen, die den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln erfordern. Betroffen von einem solchen Ukas wären rund ein Drittel der deutschen Rebflächen. Da auch Bio-Spritzmitel verbannt werden sollen, würden diese Maßnahmen das faktische Aus für über 30.000 Hektar Weinberge bedeuten, beispielsweise für fast das gesamte Moseltal, für Bodensee, Kaiserstuhl und Dutzende andere namhafte Regionen. Natürlich laufen die Weinbauverbände Sturm. Dass die Pläne so durchgesetzt werden, wie es der Entwurf vorsieht, kann man sich zwar nicht wirklich vorstellen. Doch auch für Weinkenner gilt es, die Entwicklung aufmerksam zu verfolgen, damit nicht plötzlich hunderte und tausende Weinbaubetriebe von heute auf morgen schließen müssen – und einige unserer Lieblingsweine aus den Regalen verschwinden.


Ulrich Sautter
Ulrich Sautter
Wein-Chefredakteur Deutschland
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