Achtung, fliegender Fisch: Am Fischmarkt in Seattle werfen sich Verkäufer ihre Ware zu.

Achtung, fliegender Fisch: Am Fischmarkt in Seattle werfen sich Verkäufer ihre Ware zu.
© Christopher Bachmann

Die besten Fischmärkte der Welt

Tokio, Sydney, Barcelona, Seattle: Falstaff präsentiert die größten und besten Fischmärkte der Welt.

Diesen Herbst geht eine Ära zu Ende. Tsukiji, der größte Fischmarkt der Welt in Tokio, sperrt zu und übersiedelt nach über achtzig Jahren an einen neuen Platz. Die alte Anlage ist über die Jahre zu klein geworden – schon lange waren Tsukiji und die umliegenden Viertel weniger ein Markt als eine chaotische Stadt in der Stadt, wo Fischverkäufer, Sushi-Shops und Souvenirläden wild durcheinander wucherten. Nach über zehn Jahren der Suche soll nun im November der neue Fischmarkt in Tokios Toyosu-Bezirk eröffnen.
Die neue Halle wird fast doppelt so groß sein wie das aktuelle Areal – 40 statt derzeit 23 Hektar, mehrgeschoßig, komplett klimatisiert und mit modernsten sanitären Anlagen. Dennoch ist die Übersiedlung umstritten: Viele der Händler sind in dritter Generation in Tsukiji im Geschäft, sie wollen ihre alte, angestammte Welt nicht verlassen. Von den 609 registrierten Firmen haben bereits 69 angekündigt, nicht mitzuübersiedeln, sondern für immer zuzusperren.
Wir nehmen diesen Epochenbruch zum Anlass, die interessantesten, schönsten und größten Fischmärkte der Welt zu besuchen. Weil es nicht nur in Tokio ein besonderes Erlebnis ist, die Wunder des Meeres so nah sehen, anfassen und mitunter sogar kosten zu dürfen.

Sydney Fish Market

Sydney Fish Market
© Darshini Thurairatnam
Sydney Fish Market

Sydneysider, wie sich Bewohner Sydneys selbst nennen, sind stolz darauf, den angeblich »größten Fischmarkt der Südhalbkugel« in ihrer Stadt zu haben. Glücklicherweise ist er gar nicht so groß – und daher übersichtlich –, dafür aber ziemlich prächtig. Im Gegensatz zu vielen anderen Fischmärkten werden die Tiere hier nicht nur gehandelt, sondern können auch gleich verspeist werden. Die meisten Händler betreiben auch Restaurants und, noch besser, Take-away-Stände, an denen von Sydney Rock Oysters über gedämpften Crayfish bis hin zu klassischen Fish and Chips nahezu das gesamte Sortiment probiert werden kann. Vor allem die riesige chinesische Community der Stadt weiß das zu schätzen und kommt in Scharen hierher, um Meeresfrüchte direkt am Wasser und mit Blick auf den Hafen zu essen. Käufer, die sich mehr für rohen Fisch interessieren, sollten die Haupthalle meiden und in den ruhigeren, teils besser bestückten Geschäften rund um den Parkplatz einkaufen. Achtung: An Wochenenden und an Feiertagen kann es hier sehr voll werden. Sydneysider kommen bereits frühmorgens, um kiloweise Krabben zu kaufen.
Bank St & Pyrmont Bridge Road, Sydney
www.sydneyfishmarket.com.au

Tsukiji, Tokio

Tsukiji, Tokio
© Shutterstock
Tsukiji, Tokio

Das Erste, was Besuchern des Tsukiji-Markts in Tokio auffällt, ist der Geruch – oder besser, das Nichtvorhandensein eines solchen. Es riecht nicht einmal das kleinste bisschen nach Fisch. Das Einzige, was in der Luft liegt, ist ein Duft nach Salz und Meerwasser, plus gelegentlichem Zigarettenrauch der Arbeiter. Frischer Fisch fischelt nicht, lernt jeder junge Koch, aber wie wahr das ist, merkt man nirgends besser als hier.
Es gibt keine Fisch-Esskultur, die mit der japanischen vergleichbar ist. 1800 Tonnen Meeres­getier werden in Tsukiji pro Tag gehandelt, in einem Monat wird so viel Fisch verkauft, wie in ganz Österreich im Jahr gegessen wird. 480 Fischarten sind laut »Japanese Times« im Angebot, wer einmal über Tsukiji spaziert ist, dem kommt das wenig vor. Tsukiji ist nur einer von elf Fisch-Großmärkten Tokios, aber der berühmteste. Der beste Fisch aus Fanggebieten auf der ganzen Welt wird daher tagtäglich hier angeliefert – die schönsten, fettesten Thunfische etwa, die vor Kalifornien gefangen werden, werden hierher gebracht, bevor manche ihrer Teile wieder in einem Edel-Sushi-Restaurant in L. A. landen.
Der alte Markt ist für japanische Verhältnisse laut und chaotisch: In der riesigen Halle düsen Fahrer auf kleinen Elektrofahrzeugen herum, Arbeiter zersägen händisch zwei Meter lange gefrorene Thunfische mit ebenso großen Sägen; Käufer und Verkäufer verhandeln lautstark über den Preis. Der Handel beginnt um etwa zwei Uhr in der Früh, gegen acht ist das allermeiste verkauft. Wenn um neun die Touristen offiziell eingelassen werden, ist die Show vorbei, dann sind nur mehr Schnäppchenjäger auf der Suche nach Resten unterwegs. Wer mehr sehen möchte, der müsste frühmorgens herkommen und sich an den Kontrolleuren vorbeischleichen.
5 Chome-2-1 Tsukiji, Chuo, Tokyo
www.tsukiji-market.or.jp

Pike Place Market, Seattle

Pike Place Market, Seattle
© Shutterstock
Pike Place Market, Seattle

»Caution, Low Flying Fish«, also »Achtung, tieffliegende Fische«, warnt ein Schild am Pike Place Fish Market Besucher, und das ist durchaus ernst gemeint. Der Markt ist berühmt dafür geworden, dass sich seine Fischverkäufer die Bestellungen durch die ganze Halle zuwerfen – vom ganzen Fisch bis hin zum Riesenkrabbenbein. In Scharen kommen Menschen täglich vorbei, um sich das Spektakel anzusehen.
Begonnen hat die kuriose Sitte aus einer Not heraus: Als der Fischmarkt Ende der 1980er-Jahre kurz vor der Pleite stand, taten sich die Besitzer mit einem Consulting-Unternehmen zusammen, bei einer Sitzung kam ihnen die skurrile Idee, mit geworfenem Fisch berühmt zu werden. Tatsächlich berichteten bald Medien im ganzen Land über die Fischshow, heute hat der Markt täglich mehrere Tausend Besucher.
Gegründet wurde der Pike Place Fish Market in den 1930ern, bis heute befindet er sich in der pittoresken Halle, die zu einer beliebten Touristenattraktion geworden ist.
Und dank der Nähe zu Alaska gibt es hier nicht nur Fisch-Shows: Täglich werden die riesigen Krabben aus dem Norden angeliefert, die Kunden ganz oder in Teilen – etwa ein oberarmdickes Bein – ent­weder roh oder gekocht kaufen können.
Pike und Pine sts. at First Ave., Seattle
pikeplacemarket.org

Altonaer Fischmarkt, Hamburg

Altonaer Fischmarkt, Hamburg
Foto beigestellt
Altonaer Fischmarkt, Hamburg

Der Hamburger Fischmarkt dürfte einer der wenigen, wenn nicht der einzige der Welt sein, der ausschließlich am Sonntagmorgen stattfindet. Ursprünglich diente der sonntägliche Frühverkauf dazu, Dienstboten die Möglichkeit zu geben, noch vor dem Kirchgang frischen Fisch einzukaufen. Mittlerweile ist der Markt großteils zu einer Touristenattraktion geworden, Großhandel gibt es gar keinen mehr hier. ­Dafür kommen neben Frühaufstehern auch Nachtschwärmer nach einer durchtanzten Nacht auf ein Fischbrötchen vorbei.
Neben Fisch werden auch Obst, Topfpflanzen, Wurst und allerlei Tand verkauft. Viele Händler erinnern mehr an Schauspieler denn Verkäufer: Vor einem Publikum von teils Hunderten Gästen brüllen sie ihre Angebote hinaus und legen so lange noch einen geräucherten Aal drauf, bis einer der Schaulustigen zuschlägt. Der Markt findet im Freien statt, in der Fischhalle gibt es vormittags Livemusik.
Fischmarkt 2A, Hamburg
www.hamburg.de/fischmarkt 

La Boqueria und Mercat de Santa Caterina, Barcelona

La Boqueria und Mercat de Santa Caterina, Barcelona
© Marta Rubio
La Boqueria und Mercat de Santa Caterina, Barcelona

Offiziell heißt Barcelonas berühmtester Markt direkt an den Ramblas Mercat de Sant Josep, aber niemand in der Stadt käme auf die Idee, ihn so zu nennen. Die wunderschöne Halle mit ihren angeblich mehr als 500 Händlern ist überall als La Boqueria bekannt. Das Wort bedeutet in altertümlichem Katalanisch so viel wie »Fleischerei« oder »Schlachthof«, denn als der Markt erstmals im 13. Jahrhundert an dieser Stelle abgehalten wurde, durfte nur Fleisch verkauft werden. Seit über hundert Jahren aber gibt es von gesalzenen Mandeln über wilden Brokkoli, Paradeiser, Rohschinken bis hin zu Fisch und Meeresfrüchten alles zu kaufen.
Die heutige Konstruktion, die ein wenig an alte französische Bahnhöfe erinnert, stammt aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, im frühen 20. Jahrhundert kam ein neues Dach hinzu. Besuchern wird es aber ohnehin schwerfallen, den Blick von all der Pracht an den Ständen ­hinauf zu bewegen.
Wer ein wenig mehr Zeit in der Stadt hat, sollte noch einen zweiten Markt besuchen: den Mercat de Santa Caterina auf der anderen Seite der Innenstadt. Während die Boqueria wegen ihres Ruhms mitunter überlaufen ist, kaufen hier nach wie vor die Bewohner Barcelonas relativ friedlich für ihr Abendessen ein.
La Boqueria: La Rambla, 91, Barcelona
www.boqueria.info 

Pescaria, Rialtomarkt, Venedig

Pescaria, Rialtomarkt, Venedig
© Shutterstock
Pescaria, Rialtomarkt, Venedig

Die spannendste Spezialität gibt es auf der venezianischen Pescaria von April bis Mai und von September bis Oktober zu kaufen: Dann haben die sogenannten Moeche Saison, die grünen Krabben der Lagune, deren Panzer in dieser Zeit so weich ist, dass sie komplett verzehrt werden können. Die Einheimischen wenden sie gern in verquirltem Ei und Mehl und backen sie in Fett knusprig.
Doch auch abseits der Moeche-Zeit ist der Markt einen Besuch wert: Wunderschön in einer Säulenhalle ganz nah beim Rialto gelegen, ist er für die Stadt erstaunlich untouristisch. Vieles des Meeresgetiers hier kommt allerdings nicht mehr aus der Lagune: Der Fischfang ist beinahe komplett verboten, in den umliegenden Gewässern werden großteils nur mehr Muscheln gezogen. Was in der Gegend gefangen wurde, wird am Markt gern mit dem Schild »Nostrano« versehen.
Der Markt soll bereits seit dem 11. Jahr­hundert an dem Ort in Betrieb sein. Wer das meiste aus seinem Besuch hier machen will, kommt frühmorgens in der Dämmerung: Dann werden die Fische und Meerestiere mit kleinen Booten am Kanal angeliefert. Am Vormittag wird gehandelt, spätestens um 13 Uhr sieht es hier aber schon aus, als hätte nie ein Markt stattgefunden.
Campo della Pescaria, San Polo, Venezia

Marché aux Poissons, Vieux Port, Marseille

Marché aux Poissons, Vieux Port, Marseille
© Shutterstock
Marché aux Poissons, Vieux Port, Marseille

Die Bewohner Marseilles meinen es ernst, wenn sie ihren schönsten Hafen »vieux«, also alt, nennen: Bereits 600 vor Christus landeten die Griechen hier und warfen Anker. Heute ist der alte Hafen reserviert für Jachten und kleine Fischerboote. Seit Marseille 2013 europäische Kulturhauptstadt war, ist ein Großteil des Hafens eine Fußgängerzone. Jeden Morgen findet zwischen 8 und 13 Uhr Marseilles berühmter Fischmarkt statt: An Ständen und direkt von den Booten verkaufen die örtlichen Fischer, was ihnen in der Nacht ins Netz gegangen ist, von Rotbarben über Oktopoden bis hin zu Seezungen. Auch die passenden Gewürze werden hier angeboten. Der Hafen und der Markt sind nicht nur pittoresk, sondern auch der perfekte Ausgangspunkt für eine anschließende Stadtbesichtigung. Steile Stiegen führen hinauf durch den Bezirk Le Panier, den ältesten Teil der Stadt, der ein wenig an Neapel erinnert. Marseille ist außerdem die Hauptstadt der Bouillabaisse, der legendären Fischsuppe – und es gibt wenig bessere Orte auf der Welt, um diese in ihrer ursprünglichen, üppigen Form zu probieren. Eine klassische Bouillabaisse muss mindestens drei verschiedene Fische enthalten. Fisch und Suppe werden separat serviert.
34 Quai du Port, Marseille

Fotos der schönsten, spannendsten und größten Fischmärkte in der Bilderstrecke.

Erschienen in
Falstaff Nr. 05/2016

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Tobias Müller
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