Mit dem Verkauf an David Holder ist das Traditionshaus zum Großkonzern gewachsen.

Mit dem Verkauf an David Holder ist das Traditionshaus zum Großkonzern gewachsen.
© Emmanuel Fradin

Die beste Windbäckerei der Welt: Ladurée

Macarons gibt es viele in Paris. Und dann gibt es da noch die »echten«.

Es ist ein bisschen, als würde die Zeit stillstehen. Geduldig warten Dutzende in der meist sehr lan
gen Schlange vor der Pâtisserie Ladurée in der Rue Royale mitten in Paris. Es gibt kein Murren, keine bösen Gesichter, unzählige Selfies werden gemacht, es herrscht ein geradezu babylonisches Sprachgewirr. Japanisch mischt sich mit Italienisch, Spanisch mit Englisch, dazwischen fallen ein paar Worte Französisch. Alle sind gut gelaunt, schließlich wissen sie – oder haben zumindest davon gehört –, dass sich die Mühe lohnt. Der Besuch in einer der Boutiquen von Ladurée gehört für viele zum Pariser Pflichtprogramm, so wie der Eiffelturm, die Champs-Élysées oder Montmartre.
Die Traditionsmarke ist zum Sinnbild des »typisch Französischen« geworden, und zum weltweit bekannten Botschafter der französischen Lebensart des vielgepriesenen »Savoir-vivre«.Dass die Pâtisserie weit mehr zu bieten hat als die weltberühmten Macarons, wissen und interessiert nur die wenigsten. Wer hierher kommt, will sie und nur sie: die fragilen pastellfarbenen Windbäckereien, die es je nach Saison in achtzehn verschiedenen Variationen und Geschmacksrichtungen gibt. »Sie zergehen einfach auf der Zunge«, meint Paola, die aus Mailand gekommen ist und die nichts, wie sie sagt, davon abhalten könnte, bei jedem Paris-Besuch zu Ladurée zu pilgern, in die Rue Royale. Zwar gibt es Ladurée längst auch anderswo in Paris, auf den Champs-Élysées, in Saint-Germain-des-Prés oder auch im Großkaufhaus Galeries Lafayette. Doch die wirklich echten Liebhaber der kleinen Köstlichkeiten, die Ladurée trotz immer größerer Konkurrenz bedingungslos die Treue halten, gehen am liebsten in das Geschäft, in dem alles begonnen hat – vor bald 155 Jahren, als Louis Ernest Ladurée 1862 in der Rue Royale seine Bäckerei aufmachte. Jahre später wird sie zur Konditorei, die der Maler Jules Chéret kunstvoll dekoriert. Nicht ohne Stolz wird heute noch daran erinnert, dass er sich seine Inspiration bei den Deckenfresken der Pariser Opéra Garnier oder vielleicht sogar bei der Sixtinischen Kapelle geholt hat.

Je nach Saison entwickelt Ladurée neue, süsse Kreationen.
© Masahiko Takeda
Je nach Saison entwickelt Ladurée neue, süsse Kreationen.

Geschmacksrichtungen Kirschblüte oder Basilikum

Sicher ist, dass er sich und Ladurée mit seinen pausbäckigen Engerln ein Denkmal gesetzt hat. Sie sind bis heute das Emblem des Nobelpâtissiers. Alles andere als sicher ist hingegen, ob das künstlerische Talent des Malers ausgereicht hätte, um aus Ladurée die Erfolgsgeschichte zu machen, die sie seit Jahrzehnten ist. Vielmehr waren dafür das Können der Zuckerbäckerfamilie ausschlaggebend und ihre Weitsicht, 1930 über dem Geschäft einen der ersten »Salons de thé« von Paris zu eröffnen.
Ironie des Schicksals ist, dass Ladurée alles einem Nachfahren von Louis Ernest Ladurée verdankt, an dessen Namen sich nur die wenigsten noch erinnern: Pierre Desfontaines, den Erfinder der berühmten Makronen.
Heute gibt es sie in den unterschiedlichsten Variationen. Zehn Geschmacksrichtungen sind im ständigen Sortiment, dazu kommen noch zur Jahreszeit passende Kreationen und weitere kreative Schöpfungen des jeweiligen Pâtissiers. Kirschblüte oder gesalzenen Karamel gibt es derzeit ebenso wie Rum-Vanille oder Melone. Von zu exotischen, in der Pâtisserie ungewöhnlichen Geschmackskreationen wie Basilikum ist Ladurée abgekommen. »Kreativität: Ja, aber nicht um jeden Preis« lautet die Devise.
Ganz wie bei Pret-à-porter und Haute Couture gibt es Frühlings-, Sommer-, Herbst- und Winterkollektionen. Es gibt sogenannte »limited editions« und den »Star des Monats«. Während der Maiglöckchen- Macaron nur 31 Tage lang für besondere Gaumenfreuden sorgen durfte, werden manche Kreationen bei großer Beliebtheit und Nachfrage ins ständige Repertoire aufgenommen. Der nach Marie Antoinette benannte Macaron ist ein Beispiel dafür. Bekannt wurde er durch Sofia Coppolas Film, in dem Marie Antoinette ein ausgeprägtes Faible für die kleinen bunten Verführer hat. Dass sie sich in der Realität kaum für Süßes begeistern konnte, stört da ebenso wenig wie der Umstand, dass böse Zungen behaupten, die Macarons seien das Beste am ganzen Film gewesen. Ladurée konnte es nur recht sein, die weltweite Werbung ließ den Umsatz in die Höhe schnellen.

Auch eine eigenen Schokolinie gehört heute zum Ladurée-Universum: Les Marquis de Ladurée.
Foto beigestellt
Auch eine eigenen Schokolinie gehört heute zum Ladurée-Universum: Les Marquis de Ladurée.

Macarons auf Weltreise

Der Wandel vom Familienbetrieb zum Großkonzern war da schon vollzogen: seit 1993, als die Unternehmerfamilie Ladurée an die Holder-Gruppe verkaufte. Ladurée wird Teil eines Lebensmittelimperiums, zu dem auch die Bäckereikette »Paul« gehört. Nicht nur in Paris werden neue Boutiquen eröffnet, Ladurée expandiert und exportiert und ist heute in Brasilien ebenso zu Hause wie in Japan oder auch New York. »In Tokio oder in New York isst man nicht dasselbe wie in Paris. Meine Bäckereien müssen sich allen Ländern anpassen, das ist eine schöne Herausforderung«, sagt Claire Heitzler, die seit wenigen Monaten als Chefpâtissière Herrscherin über den guten Geschmack bei Ladurée ist. Sie weiß, dass es nicht leicht ist, einem Traditionsunternehmen wie Ladurée seinen Stempel aufzudrücken. »Einen Klassiker von Ladurée kann man nicht in drei Monaten verändern! Ich werde mir Zeit lassen und vorsichtig sein«, meint die 37-Jährige, die zuvor bei Alain Ducasse in Tokio, im Park Hyatt in Dubai und auch im Pariser Ritz gearbeitet hat.
Dass einer ihrer Vorgänger, Pierre Hermé, mittlerweile mit seinem eigenen Unternehmen international Furore macht und mit seinen Kreationen zu einem ernstzunehmenden Konkurrenten von Ladurée geworden ist, kommentiert sie nicht. Ebensowenig wie das Rezept der berühmten Macarons. Zwar gibt es in zahlreichen Kochbüchern ein »Macaron-Ladurée-Rezept«, doch wie ähnlich es dem Original ist, ist nicht bekannt. Sicher ist, dass beim Nachbacken immer etwas fehlt – das »kleine Plus«, wie man hier sagt, das den Macarons die besondere Note gibt. Louis Ernest Ladurée hatte einst die Rue Royale für seine bescheidene Bäckerei gewählt, weil er sich in einem Viertel von Paris niederlassen wollte, in dem edelste Handwerker Preziosen feilboten und eine betuchte Klientel anzogen. Die Rue Royale ist eine der ersten Adressen der Stadt geblieben – nicht mehr die Goldschmiede und Uhrenmacher sind heute Ladurées Nachbarn, sondern Chanel, Cerruti, Dior und Gucci. Sie müssen sich, vielleicht ein wenig neidvoll, eingestehen, dass sie es nicht ihren Kreationen, sondern einer Pâtisserie verdanken, dass die Rue Royale von vielen »die Straße des guten Geschmacks« genannt wird.

Eva Twaroch
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