Deutscher Spätburgunder Preis 2011: Triumph der alten Reben

Die Winzer aus Baden und Württemberg waren diesmal nicht zu schlagen. Rainer Schnaitmann lieferte den Siegerwein ab und ist mit einem zweiten Wein unter den Top Ten.

Es ist das Jahr des Rainer Schnaitmann. Erst gewann der Remstaler Winzer in diesem Frühjahr die Sauvignon blanc Trophy. Beim Riesling markierten 2010 seine Grossen Gewächse aus dem Lämmler und dem Götzenberg die Spitze in Württemberg.

Jetzt setzt er mit dem Deutschen Spätburgunderpreis ­dieser Serie die Krone auf.

Der Siegerwein kommt aus einer 43 Jahre alten Rebanlage. Man kann also mit Recht von »vieilles vignes« sprechen. Es ist die ältes­te Parzelle, 1967 angelegt, mit Spätburgunder in der alten Kernlage des Lämmlers (vor der Flurbereinigung gab es die drei getrennten Lagen Lämmler, Hinterer Berg und die Riesling-Lage Wetzstein). Der Hang ist fast komplett nach Süden und Südwesten ausgerichtet, die steilsten Stücke haben bis zu 65 Prozent Neigung. Der Boden, der für die ausgeprägt mineralische Art dieser Weine verantwortlich ist, hat eine recht komplexe Zusammensetzung. Im unteren Teil besteht er aus Schilfsandstein und Gipskeuper, darüber lagern verwitterter Kieselsandstein und Bunter Mergel. Durch burgundisch niedrige ­Erträge, einen konsequenten Ausbau über 20 Monate in zu 90 Prozent neuen 300-Liter-Fässern und eine Füllung ohne Filtration gelingen Schnaitmann hier echte Terroirweine von unverwechselbarem Charakter.

Der Spätburgunder fühlt sich in den deutschen Rebbergen wohl / Foto: beigestellt

Quasi als zweiter Sieger ging das badische Weingut Freiherr von Gleichenstein aus Vogtsburg-Oberrotweil aus dem Wettbewerb hervor. Der rote Spitzenwein »Baron Philipp« belegte den ersten Platz bei den Weinen des Jahrgangs 2008. Auch dies ein Wein aus alten Reben, 1973 gepflanzt, mit einem burgundischen Ertrag von 25 Hektolitern pro Hektar, eine Top-Selection aus der besonders gut mit Wasser versorgten Hangfußlage des Eichbergs in Oberrotweil.

Insgesamt gab es 445 Weine der beiden Jahrgänge 2008 und 2009 im Wettbewerb, bis auf den Mittelrhein, die Bergstraße und Sachsen waren alle Anbaugebiete vertreten – eine der größten Beteiligungen in der Geschichte des Deutschen Spätburgunderpreises. Dies lag vor allem am Jahrgang 2009 mit seinen vor Frucht strotzenden Weinen, der eine gleichmäßig hohe Qualität mit großer Bandbreite in allen Anbaugebieten aufweist.

Das Weingut Schnaitmann bewirtschaftet Weingärten in Fellbach bei Stuttgart / Foto: beigestellt

Die Jury verkostete zunächst in zehn regionalen Vorrunden und ermittelte für jedes Anbaugebiet einen Regionalsieger. Diese zehn Weine sowie 40 weitere am höchsten bewertete kamen ins Finale der besten 50 (15 aus dem Jahrgang 2008 und 35 aus 2009).

Freiherr Johannes von Gleichenstein leitet seit 2003 den badischen Top-Betrieb / Foto: beigestellt

Nach Regionen waren es 18 Weine aus Baden, zehn aus der Pfalz, sieben aus Württemberg, fünf von der Ahr, je drei aus dem Rheingau und aus Rheinhessen sowie je einer aus Franken, von der Nahe, der Mosel und aus dem Gebiet
Saale-Unstrut.

Thorsten Ochocki vom ­Wilhelmshof hat Spaß an der Weingartenarbeit / Foto: beigestelltDie Dominanz der Weine aus Baden-Würt­temberg lag vor allem an drei Betrieben, die jeweils drei Weine ins Finale brachten: Schnaitmann, von Gleichenstein und Andreas Männle, wobei in Württemberg alle sieben Finalweine aus dem Remstal stammen, sechs davon aus der Gemeinde Fellbach. Diese Appellation am Rande Stuttgarts wird künftig zu den Top-­Provenienzen für deutsche Rotweine zählen.
Der Wettbewerb war einmal mehr ein ­regelrechtes Schaulaufen der Talente und ehrgeizigen Newcomer, auch wenn an der Spitze mit Schnaitmann und Gleichenstein zwei Titelaspiranten das Rennen machten und weitere Favoriten wie Bernhard Huber, Jacob Duijn, Gerd Aldinger, Schumacher, Wilhelmshof, Karl-Heinz Johner und August Kesseler auf den Plätzen folgten. Die Generation der »jungen Wilden«, die derzeit die deutsche Weinszene aufmischt, machte sich stark bemerkbar, etwa mit Markus Johannes Keller aus Worms mit einer alkoholmächtigen Auslese aus dem Nonnenwingert, dem Württemberger Andi Knauß und seinem Boutique-Projekt »Parfüm der Erde« oder dem Gemeinschaftswein »Gottes Berg« von Thomas Pfaffmann und Andreas Rings aus der Pfalz. ­Solche Projekte sprengen zwar gelegentlich den wein- und bezeichnungsrechtlichen Rahmen, aber sie tragen zur Belebung der traditionellen Spätburgunderszene in Deutschland bei, verleihen ihr einen Touch von großer neuer Weinwelt.

Während der Weinlese geht Petra Schnaitmann die Arbeit nicht aus / Foto: beigestellt
Während der Weinlese geht Petra Schnaitmann die Arbeit nicht aus

Das gilt auch für den Wein der Villa Heynburg aus Baden, ein höchst ambitioniertes Projekt der Kooperative »Hex vom Dasenstein«, mit dem ein früheres Weingut wiederbelebt wurde. Hier macht man von den neuen Möglichkeiten des Bezeichnungsrechts Gebrauch und benutzt »Reserve« und »Grande Reserve« für die besten Selektionen.

Zu den interessanten Entdeckungen gehören zwei Betriebe aus Rheinhessen: das Weingut Eckehart Gröhl in Weinolsheim und das Weingut Eckhard Weitzel in Ingelheim. Gröhl wurde in diesem Jahr vom Gault Millau erstmals mit einer Traube ausgezeichnet und schaffte es mit seinem Pinot Noir 2008 auf Platz drei in diesem Jahrgang. Mit der gleichen Punktzahl wie Peter Kriechel von der Ahr auf Platz zwei und Bernhard Huber aus Baden auf Platz vier. Die Trauben für diesen außergewöhnlichen Wein stammen vom Herrenberg in Oppenheim, einer stark kalkhaltigen und steinigen Lage an der südlichen Rheinfront. Die gilt als Provenienz hervorragender Rieslinge. Doch als diese dort in den 1990er-Jahren immer fetter wurden, entschloss sich Eckehart Gröhl – damals einer der »junge Wilden« –, Spätburgunder zu pflanzen. Das zahlt sich heute aus – der Spott der Nachbarn ist längst in Anerkennung umgeschlagen. In­zwischen hat er mit der Niersteiner Hölle an der zentralen Rheinfront eine weitere »burgundische« Kalkstein-Lage von Riesling auf Pinot Noir umgestellt. Dieser dritte Platz wird mit ­Sicherheit keine Eintagsfliege bleiben.

Eckehart Gröhl probiert die ersten Spätburgundertrauben in der Niersteiner Hölle / Foto: beigestelltDas Weingut Eckhard Weitzel ist ein biologisch arbeitender Familienbetrieb, dessen Namen man bislang in den einschlägigen Führern und Listen vergeblich suchte. Er ist einer der Stillen im Lande und hat sich zum ersten Mal an diesem Wettbewerb beteiligt. Sein Erfolg rückt auch den Namen Ingelheim wieder ins Rampenlicht. Diese Weinbaugemeinde am südlichen Ufer des Rheinknies, deren Weinbautradition bis zur Zeit Karls des Großen zurückreicht, zählt neben der Ahr und Assmannshausen zu den klassischen Anbaugebieten für Pinot Noir in Deutschland. Bis in die 1960er-Jahre wurden hier Spätburgunder produziert, die zu den besten des Landes zählten. Dann begann ein Dornröschenschlaf, den jetzt eine neue Winzergeneration zu beenden scheint.

Das Fazit des Deutschen Spätburgunderpreises 2011: Es sind vor allem Weine aus großen Terroirs in einigen der allerbesten Lagen wie Winklerberg und Eichberg (Baden), Herrenberg und Bockstein (Rheinhessen), Himmelreich Garten (Pfalz), Lämmler (Württemberg) und Sonnenberg (Ahr), die sich letztlich durchgesetzt haben. An der Spitze ist es ein Triumph der alten Reben. Qualitativ reiht sich der 2009er ein in die sehr guten Rotwein-Jahrgänge dieser Dekade. Begeisterte 2007 mit einem betörenden Schmelz und 2008 mit den kräftigen, reifen Tanninen, ist es 2009 die überwältigende Fruchtfülle, die den Jahrgang auszeichnet.

Hubert Lay führt den Familien­betrieb in vierter Generation / Foto: beigestellt
Hubert Lay führt den Familien­betrieb in vierter Generation

BESTE SPÄTBURGUNDER

Die besten Spätburgunder der diesjährigen Trophy für die Jahrgänge 2008 und 2009.

2009

94 Punkte
Fellbacher Lämmler GG 2009, Weingut Rainer Schnaitmann, Fellbach, Württemberg

Mittleres Rubingranat, violette Reflexe, breiterer Wasserrand. In der Nase eher verhalten, rauchig-reduktive Nuancen im Bukett, mit Luft florale Nuancen, Preiselbeeren und Cassis klingen an. Stoffig, kompakte Textur, angenehme dunkle Beerenfrucht, dunkle Mineralik, delikate Frische, bleibt lange und salzig haften, kandierte Veilchen im Nachhall. € 42,–

93 Punkte
Jannin Sternenberg 2009, Duijn, Bühl, Bade
n
Mittleres Rubingranat, violette Reflexe, breiterer Wasserrand. In der Nase zart ätherisch unterlegte dunk­le Beerenfrucht, etwas Lakritze, tabakige Nuancen, stark würziges, individuelles Bukett. Stoffig, präsente Tannine, frische Weichselkirschfrucht, lebendig strukturiert, mittlere Länge, Kirschen im Nachhall, zart nach Bitterschokolade im Nachhall. € 27,–

93 Punkte
Wormser Nonnenwingert Auslese trocken 2009, Weingut Keller, Worms, Rheinhessen

Mittleres Karmingranat, breitere Randaufhellung. In der Nase reifes Kirschkonfit, mit zarter Kräuterwürze unterlegt, ein Hauch von Lakritze und Brombeeren, mit Luft etwas Single-Malt-Holzwürze. Saftig, rund und elegant, gut eingebundene Tannine, extraktsüßer Nachhall, safti­ges Cassis im Abgang, süß, balanciert, bereits zugänglich. € 12,50

93 Punkte
Ihringer Winklerberg Auslese trocken 2009, Weingut Hubert Lay, Ihringen, Baden

Mittleres Rubingranat, violette Reflexe, breiterer Wasserrand. Feines schwarzes Beerenfruchtbukett, ein Hauch von Veilchen, Orangenzesten, Gewürzsträußchen. Saftig, elegant, feine Extraktsüße, feine Tannine, stoffige Herzkirschenfrucht, zart nach Karamell im Abgang, bleibt lange haften, mineralisch-schokoladiger Rückgeschmack, sehr gutes Zukunftspotenzial. € 17,90

93 Punkte
Spätburgunder trocken Grande Reserve 2009, Villa Heynburg, Kappelrodeck, Baden

Mittleres Karmingranat, dezent unterockert, breitere Randaufhellung. In der Nase zarte Röstaromen, ein Hauch von Gewürznelken, feines rotbeeriges Konfit, ein Hauch von Nougat. Mittlerer Körper, salzig-mineralischer Touch, präsente, noch fordernde Tannine, zart nach Bitterschokolade im Nachhall, gutes ­Zukunftspotenzial.
€ 28,–

93 Punkte
Herxheimer Himmelreich Garten »R« 2009, Weingut Schumacher, Herxheim, Pfalz

Mittleres Rubingranat, violette Reflexe, breiterer Wasserrand. In der Nase zunächst dezent erdig-blättrige Nuancen, reife Herzkirschen, Pflaumen klingen an. Kraftvoll, mineralisch, kräftige Tannine, reife Weichselkirschen, präsente Holzwürze, etwas Nougat, rotbeerige Anklänge im Finale, mittlere Länge, schokoladiger Rückgeschmack, ein kraftvoller Speisenbegleiter. € 34,–

2008

94 Punkte
Baron Philipp 2008, Weingut Freiherr von Gleichenstein, Vogtsburg-Oberrotweil, Baden

Mittleres Rubingranat, violette Reflexe, breiterer Wasserrand. Verhaltenes Bukett, etwas Kakao, Nougat, mit tabakigen Nuancen unterlegtes dunkles Beerenkonfit, öffnet sich langsam mit Luft. Saftig, brombeerige Fruchtnuancen, präsentes Tannin, gute Länge, schokoladiger Nachhall, mineralisch geprägt, sehr gutes Zukunftspotenzial. € 50,–

93 Punkte
Neuenahrer Sonnenberg – R – 2008, Weingut Peter Kriechel Ahrweiler, Ahr

Mittleres Karmingranat, dezent unterockert, breitere Randaufhellung. In der Nase feine Röstaromen, schwarze Beeren, etwas Nougat, ­attraktives Bukett. Elegant, stoffig, feine Brombeerfrucht, feste Tannine, harmonisch, extraktsüßer Nachhall, gute Mineralik, bleibt gut haften, ein vielseitiger Speisenbegleiter mit Reifepotenzial.
€ 24,–

93 Punkte
Pinot noir Barrique 4611 2008, Gröhl, Weinolsheim, Rheinhessen

Mittleres Rubingranat, violette Reflexe, breiterer Wasserrand. In der Nase feine balsamische Nuancen, dunkle Beerenfrucht, floraler Touch, zart nach Brombeerkonfit. Saftig, gute Komplexität, feine Tannine, Nougat, zeigt eine gute Länge, dunk­le Mineralik im Nachhall, gutes Entwicklungspotenzial. € 16,90

93 Punkte
Sommerhalde Spätburgunder GG 2008, Weingut Bernhard Huber, Malterdingen, Baden

Mittleres Rubingranat, violette Reflexe, breiterer Wasserrand. Feine schwarze Beerenfrucht, Cassis, Lakritze, angenehmes Brombeerkonfit, elegante Edelholzwürze. Saftig, delikat und finessenreich strukturiert, feine Tannine, frisch, perfekter Holzeinsatz, zeigt eine gute Länge, angenehmer zitroniger Touch, gutes Entwicklungspotenzial. Delikater rotbeeriger Stil. € 37,–

92 Punkte
Durbacher Bienengarten Spätlese Barrique 2008, Weingut Andreas Männle,
Durbach, Baden

Mittleres Karmingranat, dezent unterockert, breitere Randaufhellung. In der Nase mit zarter Kräuterwürze unterlegtes rotes Waldbeerenkonfit, ein Hauch von Orangenzesten, feine tabakige Nuancen, ­etwas Nougat. Saftig, zart nach Orangen und Kirschen. € 20,–

> Zu den gesamten Verkostungsnotizen

Text von Mario Scheuermann
Aus Falstaff Deutschland Nr. 6/2011 - Ab 23. November am Kiosk!

Mario Scheuermann
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