Deutscher Riesling im Aufwind

Obwohl manche den Jahrgang 2009 bereits mit Vorschusslorbeeren bedenken, werden die fein­sten Exemplare erst im kommenden Herbst zu verkosten sein. Daher lohnt sich der Blick auf die jetzt auf dem Markt befindlichen 2008er.

Nur wenige Winzer haben im Herbst 2008 erwartet, dass sich die Qualität der Weine derart positiv entwickeln würde – und doch geschah genau dies. Zwar ist 2008 in der Breite nicht so überzeugend wie 2007, doch die Spitze steht dem Vorjahr in nichts nach. Oft bevorzugen wir sogar den feingliedrigen, lebhaften Stil der 2008er, sogar in der Pfalz wirken die trockenen »Großen Gewächse« dieses Jahrgangs leichtfüßig. Die besten Winzer des Jahrgangs 2008 finden Sie unter "alle Fotos".

Obwohl es allgemein eher ein schwier­iger Jahrgang für die weißen Burgundersorten war, profitierten zahlreiche Weine von den kühlen Wetterverhältnissen. Sie sind schlanker und eleganter als in heißeren Jahren – und bereiten jetzt schon viel Trinkfreude. Ähnlich ist es bei den Silvanern, die hervorragend ausfielen und dank ihrer reschen Säure auf der Zunge tanzen. Deutsch­lands größtes Faustpfand bleibt jedoch der Riesling – und das nicht nur, weil sich zwei Drittel der weltweiten Bestände dieser Rebsorte hier befinden.

Die qualitative Spannbreite der verkosteten Weine war in den letzten Jahren selten so groß wie 2008 bei den Rieslingen von Mosel, Saar und Ruwer. Von dünn, grün und säuerlich bis hin zu feinster Reife und mineralischer Tiefe erstreckt sich das Spektrum. Wer zu früh gelesen hatte, konnte nur unbefriedigende Resultate erzielen.

In den Weingutslisten wird von einem »typischen Jahrgang« gesprochen, von »rassiger Frische und wenig Alkohol«. Andere dagegen bemängeln fehlende Dichte und stahlige, beinahe zitronige Säure. Die Wahrheit liegt irgendwo dazwischen. Was bei den Rieslingen manchmal zu viel der Säure ist, kann bei sonst schwerfälligen Burgundern belebend wirken.

Hohe Erwartungen an 2009
Der Ausblick auf den Jahrgang 2009 ist vielversprechend. Es ist jedoch ebenso ungewöhnlich wie erfreulich, dass sich viele Winzer vor einem wahrscheinlich großen Jahrgang dermaßen still verhalten. Vielleicht haben sie nach der unerwarteten Erfahrung mit den 2008ern Angst, den 2009ern mit Vorschusslorbeeren einen Bärendienst zu erweisen. Vielleicht liegt der Grund aber auch nur darin, dass die Wirtschaftskrise uns Euphorie, welcher Art auch immer, etwas ausgetrieben hat. Eines ist jedoch klar: Selten waren die Witterungsbedingungen so perfekt wie 2009. Im Most vermählen sich die hohe physiologische Reife von 2007 und die belebende Frische von 2004. »Ich habe so was noch nie erlebt«, konstatiert Tim Fröhlich (Nahe), der schon 2008 den Vogel in Sachen Qualität abgeschossen hat. »Wenn das so auf die Flasche kommt, wie ich es mir vorstelle, wird es nicht ganz schlecht sein.« Understatements beherrschen also nicht nur die Briten.

>> Die besten Weine Deutschlands: Verkostungsnotizen und Bewertungen

von Joel B. Payne und Carsten Henn

aus Falstaff 02/10

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