Der Weinskandal in Österreich und seine Folgen

35 Jahre Falstaff: Ein Rückblick auf den größten Skandal der heimischen Weinbau-Geschichte.

Am 2. August 1985 leitete die deutsche Wochenzeitung »Die Zeit« ein Dossier mit den Worten ein: »Zuckern und Panschen ist so alt wie der Wein. Doch was sich die Burgenländer ausgedacht haben, ist besonders unverfroren: Wein – veredelt mit giftigem Frostschutzmittel. Aber keine Sorge: Auch die deutschen Tropfen haben’s chemisch in sich.« Unter dem süffigen Titel »Saure Trauben, süße Sünden« verfasste ein Autoren-Trio zum Thema »Weinskandal in Österreich« einen seitenlangen Bericht. Einer der drei war Joachim Riedl, heute Leiter des Wien-Büros der »Zeit« und regelmäßiger Autor des Falstaff-Magazins. Zum 35-jährigen Jubiläum des Falstaff-Magazins blicken wir zurück.

Fünf Millionen Liter beschlagnahmt
Kurzer Auszug aus der Story: »In vielen europäischen Ländern warnten die Gesundheitsbehörden dringend vor dem Genuss österreichischen Rebensaftes; in Japan und in den Vereinigten Staaten wurden Verkauf und Ausschank österreichischer und mitverseuchter deutscher Weine gleich generell verboten. In der Bundesrepublik haben die Händler eilends sämtliche Weine aus dem in kriminellen Verdacht geratenen Nachbarland aus ihrem Angebot entfernt; rund fünf Millionen Liter wurden behördlich beschlagnahmt.«

Sogar am Cover der »New York Times«
Der Weinskandal schlug in Österreich ein wie eine Bombe. Selbst die »New York Times« brachte den Skandal auf der Titel-seite. Danach blieb keine Traube auf der anderen. Die Machenschaften einiger dubioser Weinpanscher führten zur größten Krise der österreichischen Weinwirtschaft – und letztlich aber auch zum späteren Welterfolg des österreichischen Weins. Um die komplexe Materie dieses kriminellen Husarenstücks besser zu verstehen, muss man etwas ausholen.

Historische Rückblende
Unmittelbar nach Kriegsende wurden in Österreich im Weinbau die Ärmel hochgekrempelt. Die Weinbauschulen wurden regelrecht gestürmt, und es galt nun, für den großen Durst auch die entsprechenden Mengen herzustellen. Gefragt waren Sorten, die das gewünschte Volumen an Trauben lieferten, die Böden wurden mit Kunstdünger zugeschüttet, um den Weingärten ein Maximum an Leistung abringen zu können. 1954 betrug das Erntevolumen 1,6 Millionen Hektoliter, das entsprach der doppelten Menge des Vorjahres. Folge des Überangebotes war ein Absturz der ohnehin nicht üppigen Preise. Das Jahr 1964 bescherte Österreich eine Monsterernte von 2,8 Millionen Hekto-litern, 1970 wurden gar drei Millionen erreicht – ein Drittel über dem tatsächlichen Konsum. Die Alpenrepublik hatte ihren ersten Weinsee.

Prädikatswein – Segen und Fluch zugleich
Es mag heute seltsam erscheinen, aber eine nennenswerte Bedeutung hatten edelsüße Weine damals nicht. Im Weingesetz von 1961 wurden die »Weine besonderer Leseart« zwar als Kategorie implementiert, aber wohl mangels faktischer Bedeutungslosigkeit nicht näher definiert. Als im Herbst 1963 praktisch über Nacht die Weingärten des Seewinkels von massiver Botrytis befallen wurden, sprach niemand von Edelfäule, sondern jeder von totalem Ernteausfall. Doch wenige Wochen später waren die Keller gut gefüllt mit süßen Spätlesen bis hin zu den allerersten Trockenbeerenauslesen, die diese Winzerfamilien je produziert hatten.

Süßwein als Exportschlager
Der Markt für die Süßweine in Österreich war so gut wie inexistent, doch die deutschen Nachbarn waren angesichts der vergleichsweise günstigen Preise schnell zu überzeugen. Und Mutter Natur spielte mit. Denn kaum hatten die Burgenländer den Süßwein als lukratives Exportgeschäft entdeckt, wurden im Zwei-Jahres-Takt von 1967 bis 1973 quantitativ wie qualitativ große Süßweinernten eingefahren. Der größte Teil dieser Weine wurde gar nicht erst auf Flaschen gefüllt, sondern gleich im Tankwagen nach Deutschland abtransportiert. So manches Einfamilienhaus in Illmitz und Umgebung konnte vom Erlös eines einzigen Botrytis-Jahrgangs bezahlt werden.

20 Millionen Liter Süßwein
1971 wurde das Weingesetz novelliert und diesmal wurden für die Weine »besonderer Leseart« die Mindestzuckergradationen festgeschrieben. Gleichzeitig wurde das Führen eines Kellerbuches obligat. Die Prädikatsweine gewannen immer mehr an wirtschaftlicher Bedeutung. Waren es im Burgenland 1969 noch fünf Millionen Liter, so wurden 1977 bereits zwanzig Millionen produziert. Die zuständigen Behörden waren sich längst über die Gefahr von Nachahmungsweinen im Klaren, im Jahr 1978 mussten die Winzer dann erstmals ihre Prädikatsweintrauben bei zentralen Sammelstellen kontrollieren lassen.

Der Trick mit dem Tennisball
Die Begeisterung für diese Kontrollen hielt sich allerdings bei gewissen »Erzeugern« ebenso in Grenzen wie bei manchem federführenden Beamten im Landwirtschaftsministerium. Die einen sprachen von unnötigen Schikanen, andere sahen die organisatorischen Möglichkeiten für potenziell überstrapaziert. Im Seewinkel wurde seitens einer Gruppe von Betrieben handfester Widerstand vorbereitet, mittels eines inszenierten Verkehrschaos in Illmitz sollte die Zufahrt zur Brückenwaage unmöglich gemacht werden. Die Bezirkshauptmannschaft hatte aber Wind von der Sache bekommen und dank von der Gendarmerie umgesetzter Einbahnregelungen konnten die Kontrollen ungehindert über die Bühne gehen. Sofort griffen die schwarzen Schafe zu neuen Mitteln, indem sie mit ein und demselben Traubenmaterial gleich mehrmals zur Begutachtung anfuhren, um maximale Mengengutschriften zu erzielen. Die Kontrolleure versteckten daher bei verdächtiger Kundschaft einen Tennisball unter den Trauben und wenn dieser bei der nächsten Vorführung wieder zum Vorschein kam, setzte es eine Anzeige. Alle nur denkbaren Möglichkeiten wurden erprobt, manche Schlauen hatten unter einer oberen Schicht von reifen Trauben grünes Material im Lesewagen, andere wieder versuchten mit Zuckerwasser, das sie über die Trauben schütteten, die Ergebnisse zu manipulieren.

Papierhandel statt Weinhandel
War der Ablauf von Erntemeldung, Traubenkontrolle und erfolgter Mengenmeldung positiv erfolgt, erhielt der Winzer für den entsprechenden Prädikatswein eine Amtsbestätigung ausgestellt, in welcher der Erzeuger, die Sorte und Menge festgehalten wurden. Dieses Papier war beim Export der Weine zwingend erforderlich, nicht jedoch im Inland. Beim Verkauf ins Ausland wechselten nicht nur der Wein, sondern auch die Papiere den Besitzer. Wurden allerdings mehrere Einheiten unter einer Gesamtmengenbestätigung abgegeben, sollte für die einzelnen Papiere ein Abschreibungsverfahren stattfinden. Das war in der Praxis allerdings unkontrollierbar, auch die Papiere aus dem Verkauf an inländische Kunden wurden oft einbehalten. Diese »überflüssigen« Nachweise wurden nämlich selbst gehandelt, denn sie dienten als Deckung für den Export von »Prädikatsweinen«, die eher unter der Kellerstiege gewachsen waren statt am Rebstock.

Hohe Extraktwerte vorgetäuscht
Trotz wachsender Exporte nach Deutschland sanken die Preise, ein niedriger Preis war den deutschen Importeuren wichtig. Und der Weinhandel agierte nach der Parole »Freie Bahn für die Tüchtigen!«. Rezepturen zur Weinverfälschung machten unter der Hand die Runde, mit denen man den Zuckergehalt erhöhen und höhere Extraktwerte vortäuschen konnte, um die Kontrollorgane bei 
einer etwaigen sensorischen Prüfung zu 
täuschen.

Das Weingütesiegel
Um dem Publikum eine Basisqualität garantieren zu können, wurde 1973 das österreichische Weingütesiegel eingeführt. Zunächst auf freiwilliger Basis, wurde dieses Siegel für den Export von Prädikatsweinen ab 1976 verpflichtend.
Die gut gemeinten verpflichtenden strengen Verkostungen der Weine durch Experten wurden bereits 1978 auf eine einfache Mehrheit bei der Zustimmung in der Verkostung heruntergefahren. Ein Kellerinspektor aus diesen Tagen schilderte damals den Ablauf so: »Wird ein Wein in der Kost abgelehnt, wird dies dem Antragsteller mitgeteilt, der dann den Antrag sofort storniert, und damit findet die analytische Untersuchung des betreffenden Weines nicht statt. In der Regel wird der verfälschte Wein nach kurzer Zeit wieder leicht verändert eingereicht, um diese sensorische Hürde zu nehmen. Das Weingütesiegelbüro kann nicht überprüfen, ob es sich um den bereits abgelehnten Wein handelt, es liegen ja keine Analysen vor.«

Schwarzverkauf in die Gastronomie
Den Kontrolleuren war schon klar, dass da etwas im Gange war, allerdings -verfügten sie nicht über die entsprechende Handhabe vorzugehen. Neben der Weinverfälschung und Kunstweinproduktion mussten sich die Behörden mit einem weiteren eminenten Problem auseinandersetzen. Dem Schwarzverkauf von großen Mengen von Wein in die Gastronomie. Die Finanz begann sich konsequent an die Fersen zahlreicher Verdächtiger zu heften, die den Wirten ihren Wein auch ohne Rechnung verkauften.

Auftakt zum Showdown
Es kam, was kommen musste: Kurz vor Weihnachten, am 21. Dezember 1984, brachte ein Unbekannter ein Fläschchen ins Forschungslaboratorium der landwirtschaftlich-chemischen Bundesanstalt Wien, mit dem Hinweis an den damaligen Leiter Franz Bandion, es enthalte eine Substanz, die in der Weinfälscherszene hoch im Kurs stünde. Walter Brüders, Kellereiinspektor und Chronist des Skandals, bezeichnet diesen Vorgang sehr treffend als die »Requiem-bestellung« für jene, die jahrelang damit beschäftigt waren, die Rechtschaffenen um die Früchte ihrer Arbeit und ihren Ruf zu bringen.

Erster Glykolfund
Am 28. Jänner 1985 war es dann so weit. Mit der Methode der »Gaschromatographie« und der »Massenspektrometrie« entpuppten sich 22 Prozent der in dem ominösen Fläschchen befindlichen Lösung als Diethylenglykol (DEG). Man entschied sich, diese Entdeckung zunächst möglichst geheim zu halten, um weitere Nachforschungen anstellen zu können, ohne dass die Fälscher davon Wind bekämen. Zunächst war allerdings der Nachweis zu erbringen, dass die Substanz tatsächlich bei Weinen in Österreich als extrakterhöhendes Fälschungsmittel zum Einsatz kam. Ein Verdacht, der sich nur allzu schnell erhärtete. Vom Ausmaß der Verfälschungen machte man sich zu diesem Zeitpunkt allerdings noch keine Vorstellungen.

Frostschutzmittel für Autokühler
Bandion fasste seine Erkenntnisse in der Schrift »Zum Nachweis extrakt-erhöhender Stoffe im Wein« zusammen, die von den begutachtenden Experten zur Überarbeitung retourniert wurde, weil die Chemiker methodologische Mängel zu erkennen glaubten. Auch schien es ihnen als nicht opportun, »ein unter dunklen Umständen durch einen unbekannten zugespieltes Mittel, das nach seiner chemischen Zusammensetzung als Frostschutzmittel für Autokühler zu identifizieren gewesen wäre, zum Gegenstand einer wissenschaftlichen Arbeit zu machen«. Ein fataler Irrtum, wie die folgenden Monate eindrucksvoll zeigen sollten.
Die Bundeskellereiinspektion machte sich ans Werk und nahm nun gezielt jene Kellereien aufs Korn, gegen die man schon länger den Verdacht der Weinverfälschung hegte. Anfang April 1985 liefen die gezielten Kontrollen an, gleich beim ersten überprüften Betrieb in Apetlon wurde in 34 von 38 gezogenen Proben Diethylenglykol nachgewiesen, bei einer zweiten Kellerei, diesmal in Podersdorf, bot sich ein ähnliches Bild.

Medien sprachen von »Giftwein«
Am 24. April 1985 gab das Landwirtschaftsministerium den Grund der Beanstandungen preis und nannte zudem die Namen der beschuldigten Produzenten. Die Medien nahmen das brisante Thema sofort auf, zunächst war vom »Burgenländischen Weinskandal« die Rede, bald auch vom »Frostschutzmittel im Wein« und dann vom »Giftwein«. Zu diesem Zeitpunkt lag die Nachweisgrenze für DEG bei 200 Milligramm pro Liter, da schlüpften noch viele Weine durch. Die durch die Aufdeckung gewarnten Winzer orientierten sich an dieser Zahl und begannen, die vorrätigen bereits mit DEG versetzten Panschweine so zu verschneiden, dass sie unter diesen Wert fielen. Dadurch wuchs die Gesamtmenge von kontaminierten Weinen enorm an, bis zum Juli 1985 hatten die Chemiker bereits ein Prüfverfahren entwickelt, das Mengen bis 5 Milligramm gesichert nachweisen konnte. Die Show war zu Ende, kein Entrinnen mehr möglich.

Ein Fressen für die Medien
In Deutschland brach ein Sturm los, der den österreichischen Wein aus den Regalen fegte. So konnte der interessierte Fernsehkunde auch in Österreich sehen, wie in Deutschland in den großen Einkaufsmärkten die Regale von heimischen »giftverseuchten« Weinen befreit wurden. Ein Verkaufsverbot wurde angeordnet. Bereits am 12. Juli prangte die Headline der »Bild« in großen Lettern: »Frostschutz-Wein bei Omas Geburtstag – 11 vergiftet«. Nicht besser in Österreich, zuerst die »Kronen Zeitung« am 20. Juli: »Pantscher-Skandal weitet sich aus – tödlicher Eiswein in Graz!«. Der »Kurier« vom 24. Juli legte nach: »Deutscher starb an vergiftetem Wein!«. Am 26. Juli erschienen in den Tageszeitungen erstmals offizielle Listen mit Namen von Erzeugern und Vertreibern von gesundheitsschädlichen Weinen mit der Überschrift »Vor diesen Weinen wird nun gewarnt!«.

Schwedische Gardinen für Panscher
Die Gesundheitsschädlichkeit sollte sich noch als Märchen herausstellen, dennoch: Die Wirkung auf das Publikum war gewaltig. Die Behörden blieben nicht untätig, auch nicht in die falsche Richtung. Gegen den Grazer Marktamtsleiter, der den oben angeführten Eiswein mit 16 Gramm DEG entdeckt hatte, wurde staatsanwaltlich ermittelt, weil er die Öffentlichkeit nicht gewarnt hatte, wo doch in der Presse zu lesen war, dass bereits 14 Gramm per Liter tödlich enden würden. Der Marktamtsleiter blieb letztlich zu Recht unbehelligt, hingegen wurde am 20. Juli der Golser Weinhändler, von dem der Eiswein verkauft wurde, hinter schwedische Gardinen verfrachtet, der Panschwein beschlagnahmt.

Golser Kläranlage kam aus dem Gleichgewicht
Ihm sollte noch eine beträchtliche Zahl an Personen in die Untersuchungshaft folgen, darunter auch prominente Namen aus der Weinszene, und die kamen bald nicht mehr nur aus dem Burgenland. Nicht nur den Großen des Weingeschäftes ging es an den Kragen, ein Eisenstädter Untersuchungsgericht ließ die Gendarmerie ab 24. Juli in Gols und Umgebung ausschwärmen, um auch die Keller der bäuerlichen Betriebe unter die Lupe zu nehmen. Das sprach sich schnell herum, die Kanalisation füllte sich, die Golser Kläranlage kam aus dem biologischen Gleichgewicht, sogar ein »Fischsterben« wurde beobachtet. Jener Golser Weinhändler, der als erste Person im Zuge des Skandals inhaftiert wurde, war noch zuvor im Februar desselben Jahres zum Obmann der Burgenländischen Weinwerbung gewählt worden. Bis zum 30. Juli hatte sich die Zahl der in Haft genommenen Verdächtigen bereits auf 20 Personen erhöht, darunter der Geschäftsführer einer Lebensmittelkette und Drogisten aus Wien und Krems, welche die Panscher mit großen Mengen von Chemikalien versorgt hatten, oder Chemiker, die sich auf die entsprechenden »Rezepte« spezialisiert hatten.

Die Weltmärkte reagieren, 
Gerichte agieren
Mitte Juli kommt die Meldung aus den USA und Kanada, dass auch hier mit DEG verpanschter Wein auf den Markt gekommen sei. Als erste Reaktion lässt das BATF (Amt für Alkohol, Tabak und Feuerwaffen) alle Weine aus Österreich aus dem Verkehr ziehen. Viele Länder warnten die Konsumenten vor dem Genuss österreichischer Weine. Die Bestände wurden ganz oder teilweise vom Verkauf zurückgezogen. Griechenland untersagte die Einfuhr österreichischer Weine gänzlich, Dänemark verbot fünfzig Sorten. Interpol Deutschland rollte zwei lange zurückliegende Vergiftungsfälle mit Diethylenglykol neu auf. Doch in allen Fällen konnte kein Zusammenhang mit dem Weinskandal festgestellt werden.

Gerichte für Jahre beschäftigt
Das erste Gerichtsverfahren fand in Kärnten statt, und zwar gegen einen Hotelier, der noch Wochen nach dem Bekanntwerden des Skandals Weine einer Kellerei anbot, deren Betreiber zu diesem Zeitpunkt bereits im Gefängnis saßen. Am 17. Oktober wurde ein 24-jähriger Weinpanscher am Kreisgericht Krems zu 15 Monaten bedingt verurteilt. Ein mildes Urteil, das so manchen hoffen ließ.
Bereits einen Monat später fasste ein -Langenloiser Weinhändler wegen schweren Betruges aufgrund von rund 200.000 Liter gepanschten Weines zweieinhalb Jahre Freiheitsstrafe aus, diesmal unbedingt. Die Aufarbeitung des Weinskandals beschäftigte die österreichischen Gerichte noch auf Jahre.

35.000 Anzeigen, Schadenssumme 124 Millionen Schilling 

Allein zwischen April 1985 und Juli 1986 wurden rund 35.000 Anzeigen erstattet. In einer Reihe von Prozessen wurden die Weinpanscher unter anderem wegen schweren gewerbsmäßigen Betruges zu Haftstrafen von bis zu acht Jahren Haft verurteilt. Die diesen Urteilen zugrunde gelegten Schadenssummen wurden mit bis zu 124 Millionen Schilling (rund neun Millionen Euro) beziffert. Viele österreichische, aber auch deutsche Weinbetriebe, die mit österreichischem Wein handelten, kamen infolge des Weinskandals in wirtschaftliche Schwierigkeiten. Einige mussten Konkurs oder Ausgleich anmelden. Die Rolle, welche die Politik als ordnende Kraft in diesem Zusammenhang spielte, war wenig rühmlich. Die Handhabung der Krise kann nur als äußerst ungeschickt bezeichnet werden und war ständig geprägt vom Gezerre der unterschiedlichen Interessenvertretungen.

Strengstes Weingesetz der Welt
Der rot-blauen Regierung standen die schwarzen Bauernvertreter gegenüber, gegenseitige Schuldzuweisungen und Rücktrittsaufforderungen machten die Sache nicht besser. Klar war, dass neue Spielregeln für die Produktion her mussten, aber auch der Schutz der Konsumenten erstmals in ein -neues Weingesetz einfließen müsste. Innerhalb nur weniger Wochen wurde ein neues Weingesetz zusammengezimmert, das nun Höchsterträge pro Hektar, eine Offenlegung der Erträge und die Banderole brachte. Prädikatsweine durften ab sofort nur mehr in Flasche gefüllt und nicht im Tankwagen exportiert werden.

4000 bei Winzer-Demo
Der Widerstand der Winzerschaft gegen das neue »Überwachungs-Gesetz« war enorm, am 27. August demonstrierten mehr als 4000 Weinbauern auf dem Ballhausplatz. Am 29. August 1985 wurde die Gesetzesverordnung von der Regierungskoalition beschlossen, davor waren aber noch 41 Abänderungsvorschläge berücksichtigt worden. Das strengste Weingesetz der Welt wurde in weiterer Folge durch eine ganze Serie von Novellen auf das sinnvoll Machbare heruntergebrochen, Abänderungen erfolgten bereits 1986, 1988, 1992, 1993, 1994 – und schließlich die große Novelle 1995. Das heute aktuelle Weingesetz stammt aus dem Jahre 2009 und wurde 2013 zuletzt novelliert. Im Jahr 1986 wurde die »Österreichische Weinmarketing Servicegesellschaft« für die Image- und Absatzförderung des österreichischen Weines gegründet. Langsam, aber sicher ging es wieder bergauf.

von Peter Moser
aus: Falstaff Jubiläumsausgabe 2015