Der süße Duft von Weihnachten

Für Kinder ist das Plätzchen-Backen ein Heidenspaß. Besonders, wenn in der Backstube Veronique Witzigmann steht.

Backen ist Véronique Witzigmanns Leidenschaft: »Wenn ich daran denke, wer meine Liebe zum ­Backen geweckt hat, dann sind das trotz der genialen Kochkünste meines Vaters die Frauen in der Familie gewesen.« Die Oma, die Mutter und die Tante – sie haben ihre Liebe zum Backen geweckt, von ihnen lernte sie das Fingerspitzengefühl. »Kaum reichte meine Nasenspitze über die Küchenanrichte, haben wir zusammen mit größter Hingabe – und ich mit viel Mehl – Teige geknetet, ausgestochen und Unmengen an ­Vanillekipferl gerollt.« Durch die gemeinsamen Backerlebnisse hat Véronique erfahren, wie schön es ist, Traditionen zu leben und zu bewahren. Und wie bestgehütete Rezepturen von einer Generation zur nächsten wandern und sich auch dort größter Beliebtheit erfreuen.

Tomas knetet den Teig / Foto: © Volker DebusMarmeladenfee
Der Weg von der passionierten Hobbybäckerin zur erfolgreichen Buchautorin und Unternehmerin verlief nicht ohne Umwege. Es brauchte einige berufliche Zwischenstationen, bis die Tochter Eckart Witzigmanns als Marmeladenfee selbst berühmt wurde. »Ich bin eine Süße, Desserts waren mir schon immer lieber als Deftiges.« Auf die Idee, Früchte einzukochen, kam sie, als ihre Tochter Marietta drei Jahre alt war. Sie aß kaum Obst, und so begann Véronique damit, frische Früchte mit möglichst wenig Zucker als gesunden Brotaufstrich selbst einzukochen. Daraus entwickelte sich ein feines Sortiment aus Fruchtaufstrichen, zu denen sich inzwischen auch Chutneys, Pestos und pikante Saucen gesellt haben. Alle Produkte werden aus besten Rohstoffen nur in kleinen Mengen in Handarbeit hergestellt – selbstverständlich ohne zusätzliche Aromastoffe. »Die Leidenschaft, hochwertige Produkte zu verarbeiten, habe ich von meinem Vater in die Wiege gelegt bekommen.« Ein Name verpflichtet.

Vorsichtig kratzt Marie die Vanilleschote aus. Dabei vergisst Tomas sogar den Teig zu kneten / Foto: © Volker Debus
Vorsichtig kratzt Marie die Vanilleschote aus. Dabei vergisst Tomas sogar den Teig zu kneten

Neugierde fördern und Magie des gemeinsamen Backens entdecken
Selbstgebackenes hat etwas Magisches, findet Véronique Witzigmann. Diesen Zauber dürfen heute zwei Hamburger Kinder, Marie und Tomas, mit ihr teilen. Die beiden Achtjährigen sind in die Studioküche gekommen, um bei der Weihnachtsbäckerei mitzuhelfen. Als Véronique 2005 auf der Münchner Messe »Kochgeflüster« erstmals vor Publikum mit Kindern Plätzchen gebacken hat, war unter den Zuschauern auch ihre damals fünfjährige Tochter Marietta. Nach der Veranstaltung hat sie die Mama in den Arm genommen. »Wenn du backen willst, brauchst du dir keine fremden Kinder zu holen.« Inzwischen findet sie es toll, dass ihre Mama mit so viel Lust und Leidenschaft bäckt – auch mit fremden Kindern. »Ich will Eltern motivieren, mit ihren Kindern gemeinsam etwas zu unternehmen, ihre Wissbegierde zu wecken und ihre Neugierde zu fördern.« Gemeinsame Zeit beim Backen zu verbringen sei nicht teuer, mache Spaß und bringe köstliche Ergebnisse. Wie unkompliziert und fröhlich das sein kann, das zeigen die nächsten beiden Stunden.

Und dann geht's ans Ausrollen / Foto: © Volker DebusAlles genau abwiegen
Marie ist ein Profi. Sie hat schon einige Male mit ihrer Mama Butterkekse gebacken und weiß, worauf es in der Backstube ankommt: »Immer erst alles abwiegen, bevor man bäckt.« Leicht ungeduldig steht sie am großen Küchenarbeitstisch, zupft ihre Schürze zurecht und will endlich loslegen. Mehl, Zucker, Butter – alles muss zunächst auf die Waagschale. »Ihr seid doch schon Schulkinder. Da könnt Ihr sicher schon bis 200 zählen?« fragt Véronique Witzigmann ihre beiden Backgehilfen. Tomas schüttelt den Kopf. »Nein, erst bis 100. Aber ich weiß, wie die 200 ausschaut. Vorne eine Zwei und dann zwei Nullen.« Hochkonzentriert beobachtet er, wie sich der Zeiger der Waage allmählich der magischen 200 nähert, während Véronique das Mehl langsam in die Waagschale rieseln lässt. »Stopp!«

Die fertigen Kekse kommen aufs Backblech. / Foto: © Volker Debus
Die fertigen Kekse kommen aufs Backblech.

Gefühl gefragt
Das Mehl kommt auf den Backtisch, danach der Zucker. Tomas schnappt sich die Palette und beginnt mit viel Schwung – und ohne Schürze – Mehl und Zucker zu mischen. »Männer tragen keine Schürzen.« Sein Arbeitseifer wird jäh unterbrochen. »Halt, halt – wir brauchen erst das Ei.« Und das braucht eine Mulde, in die es hineinkommt. Véronique zeigt ihm, wie man Mehl und Zucker anhäuft und eine Vertiefung in die Mitte drückt. »Jetzt weißt du, wie du es beim nächsten Mal richtig machst.« Ringsherum kommen kleine Butterstückchen. »Beim Mürbteig ist es sehr wichtigt, dass die Butter ganz kalt ist und ihr ganz schnell den Teig knetet«, erklärt Véronique. Marie darf die Eier aufschlagen – »aber bitte mit Gefühl«.

Véronique Witzigmann zeigt, wie's geht. / Foto: © Volker DebusSpannende Zutat
Teigkneten will Marie nicht. Das überlässt sie lieber Tomas. Was kann sie jetzt tun? Zum Beispiel die Vanilleschote aufschlitzen. »Das haben wir füher schon mal im Kindergarten gemacht.« Vorsichtig nimmt Marie das kleine Küchenmesser, schlitzt die Schote auf und kratzt die schwarzen Pünktchen mit einem Teelöffel heraus. »Das riecht toll!« Tomas ist begeistert, lässt das Kneten sein und hört gespannt zu, was ihnen Véronique alles über Vanilleschoten erzählt. »Tomas, weitermachen!«, ermahnt ihn die ungeduldige Marie. »Sieht gut aus. Schmeckt das auch so? Mmmh.« Und schon ist ein Stück Teig stibitzt. »Komm, wir machen eine Kugel daraus.« Eifrig wird gerollt und gedreht, der Teig in Klarsichtfolie gepackt – und dann gibt es zum ersten Mal lange Gesichter, denn der Teig muss eine Stunde im Kühlschrank ruhen. Ganze lange sechzig ­Minuten ...

Beim Verzieren können die Kinder ihrer Fantasie freien Lauf lassen / Foto: © Volker DebusZwei Mehlmäuschen in Aktion
»Ich hab da schon mal was vorbereitet.« Der legendäre Satz des deutschen Fernsehkochs Max Inzinger aus den 70er-Jahren lässt die kleinen Bäcker wieder strahlen. Denn im Kühlschrank wartet schon ein fertiger Teig darauf, zu köstlichen Plätzchen verarbeitet zu werden. Tomas schnappt sich das Nudelholz. Mehl auf den Küchentisch, das Nudelholz eingemehlt, den Teig mit Mehl bestäubt – Tomas ist nicht zu bremsen. Das hinterlässt Spuren auf seinem Pulli. Auch Marie sieht inzwischen trotz Schürze wie ein Mehlmäuschen aus. Egal, »das kann man wieder abklopfen.« Sie beginnt sehr exakt und hochkonzentriert, die Prinzenkronen-Kekse auszustechen und behutsam auf das Backblech zu legen. Tomas übernimmt die Oberaufsicht, gibt Anweisungen, wo und wie die Kekse ausgestochen werden, und futtert nebenbei die Teigreste.

Keksgenuss als krönender Abschluss
Nächster Schritt: Die Kekse kommen in den Ofen. Nach wenigen Minuten zieht ein verlockender Duft durch die Küche. Gespannt beobachten die Kinder, wie sich der Keksteig langsam zartbraun färbt. Endlich ist es soweit. Die ersten Prinzenkronen sind gebacken. Jetzt vorsichtig auf ein Kuchengitter zum Abkühlen legen und die Schokoladenfüllung in den Spritzbeutel packen. Ob die tatsächlich so gut schmeckt wie sie aussieht? Jeder darf ein- oder auch mehrmals probieren. Véronique kennt ihre Schleckermäuler und hat ein bisschen mehr Schokoladencreme zubereitet. Abwechselnd verteilen Marie und Tomas die Creme auf den Keksen und legen einen zweiten Keks auf die Füllung. Ob die Plätzchen gelungen sind? Marie ist neugierig: »Kann ich so einen machen ohne Deckel und gleich essen?« Sie kann und ist mit dem Ergebnis sichtlich zufrieden. Noch schnell die Kekse mit Kakaopulver bestäubt – fertig sind die wahrhaft königlichen Prinzenkekse. Und weil Véronique nicht nur eine begeisterte Bäckerin ist, sondern auch eine umsichtige Mutter, weiß sie, was Kinder am Ende eines Backtags mögen. Sie hat da schon mal was vorbereitet, etwas Herzhaftes für den kleinen Hunger danach.

Backen mit Kindern – so gelingt’s

Rezept: Prinzenkekse

Rezept: Hamburger Eisschollen

Veronique Witzigmann / Foto: beigestelltVéronique Witzigmann
Mutter, Unternehmerin, Autorin
Véronique Witzigmann ist Mutter einer 13-jährigen Tochter und Unternehmerin. Seit 2005 vertreibt die deutsche »Marmeladenfee« hochwertige Fruchtaufstriche, Chutneys und Pesto aus eigener Manufaktur. 2007 veröffentlicht sie ihre ersten Kochbücher, 2009 erscheint das Buch »Rettet die Tafelrunde«, ein leidenschaftliches Plädoyer für ein Comeback der familiären Tischkultur. Als Tochter des Jahrhundertkochs Eckart Witzigmann kennt sie große Esskultur, als berufstätige alleinerziehende Mutter die Hindernisse, die dem gemeinsamen Kochen, Backen und Essen im Weg stehen. Gemeinsam mit ihrem Vater ist sie Schirmherrin der Aktion »Spitzenköche für Afrika«. Das einzigartige gastronomisch-kulinarische Hilfsprojekt unterstützt die Stiftung »Menschen für Menschen« – Karlheinz Böhms Äthiopienhilfe.

Véronique Witzigmann: Mein Backbuch. Buchcover, Südwest Verlag

BUCH-TIPP
Véronique Witzigmann: Mein Backbuch.
Südwest Verlag, München 2011, 16,99 €
In ihrem ersten Backbuch verrät die Autorin ihre persönlichen Lieblingsrezepte. Mit über 70 einmaligen Ideen für Kuchen, Torten und Kleingebäck bringt dieses Buch frischen Wind in die Backstuben. Viele individuelle Tipps und Tricks, Rezeptvarianten und ein großes Kapitel mit Weihnachtsrezepten.

Text von Ingeborg Pils
Fotos von Volker Debus

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