Der Krieg um die Knollen

Die meisten »Alba-Trüffeln« stammen in Wahrheit aus Istrien oder Umbrien. Und chinesische Billigware überschwemmt den französischen Markt. Über die üblen Tricks und Gaunereien im weltweiten Trüffel-Business.

Es ist Jahr für Jahr das gleiche Szenario. In der Zeit zwischen 4. Oktober und 9. November geraten die Menschen in der ­ansonsten beschaulichen Stadt Alba im italienischen Piemont völlig außer Rand und Band. An manchen Wochenenden tummeln sich dort bis zu 50.000 Touristen, über dem gesamten Ort hängt eine starke Duftwolke – aus allen Ecken und ­Enden strömt ein eigenartiger Geruch.

Einmalige Trüffeln – astronomische Preise
Es ist Trüffelsaison in Alba. Feinschmecker und Schaulustige aus aller Welt reisen in dieser Zeit in das kleine Städtchen, um mit dabei zu sein, wenn Trüffelhändler aus dem Hügelland der Langhe und des Roero lebhaft um die teuerste und begehrteste Trüffel der Welt feilschen. Es geht dabei um die weiße Alba-Trüffel mit der lateinischen Bezeichnung »Tuber magnatum«, das Kilo kostet auf dem Trüffelmarkt in Alba je nach Ernte und Vorrat zwischen 2.000 und 4.000 Euro. Ins Ausland exportierte Alba-Trüffeln erzielten etwa im Jahr 2006 in einigen Ländern der Welt sogar Rekordpreise von bis zu 10.000 Euro pro Kilo.
Es geht also um viel Geld, um sündhaft teure Knollen, die im Grunde nicht viel anders aussehen als verbeulte Kartoffeln, deren Duft und Aroma aber Feinschmecker in der ganzen Welt in einen sinnlichen Ausnahmezustand versetzen. Die astronomischen Preise scheinen dabei völlig egal zu sein. Die besten Trüffeln sind immerhin teurer als Gold, Durchschnittsware kostet etwa viermal so viel wie Silber.

Tarnen und Täuschen – Alltag in der Trüffelbranche
Es geht aber auch um eine Branche, in der nicht nur der feine Duft des Exklusiven die Kunden verzückt. Im Geschäft mit den begehrten Erdknollen stinkt es zuweilen auch kräftig zum Himmel. Tarnen und Täuschen gehören zum Business, oft sind es nur kleine Gaunereien, so manche Methoden aber erinnern sogar an organisierte Kriminalität. Das beginnt schon bei einem zunächst absurd anmutenden Missverhältnis von Angebot und Nachfrage. So ist in den vergangenen zwanzig Jahren der weltweite Bedarf an Trüffeln aus Alba um fast das Hundertfache gestiegen. Hinzu kommt noch, dass während der Saison im Piemont mittlerweile in jeder auch noch so kleinen Trattoria kiloweise Trüffeln über alle Arten von Pasta gehobelt werden. ­Jeder Wirt will am Geschäft mitnaschen und wirft Unmengen an Trüffeln in die Schlacht. Trüffeln sind in der gesamten Region neben Wein längst zum wichtigsten Touristenmagneten geworden.

Trüffelhändler beim Feilschen / © Getty Images

Widersprüchliche Tendenzen
Und weil weiße Trüffeln noch immer nicht gezüchtet werden können, kann das Angebot eben nicht beliebig vergrößert werden. Die Händler können, so würde man annehmen, nur auf das zurückgreifen, was die Wälder hergeben, was Sammler mit Hunden Jahr für Jahr aus dem Erdreich buddeln. Doch das wird im Durchschnitt nicht mehr, sondern im Gegenteil immer weniger. Durch Klimaveränderung und eine für den Lebensraum der Trüffel nachteiligen Industrialisierung der Landwirtschaft sind die Erntemengen über einen längeren Zeitraum gesehen deutlich geschrumpft.
Wie kann sich das also ausgehen? Die Nachfrage steigt, es werden immer mehr Kunden versorgt, aber im Piemont immer weniger Knollen gefunden. Woher also kommen die vielen Alba-Trüffeln? Ralf Bos kennt die Antwort.

FALSTAFF: Herr Bos, Zeitungsmeldungen und Gerüchten zufolge wird im Trüffelhandel gehörig getrickst und getäuscht. Ist das Trüffel-Business besonders reich an Gaunern?
BOS: Nein, ganz bestimmt nicht. Aber wir dürfen nicht vergessen, dass es sich um eine Ware handelt, die viermal so teuer ist wie Silber. Wenn ein Juwelier ausgeraubt wird, dann überrascht das nieman­den. Aber wenn mit Trüffeln betrogen oder ein Produzent überfallen wird, wenn angeblich Hunde ­vergiftet werden, dann hat das sofort etwas ganz Mysteriöses. Natürlich kommt es immer wieder zu unliebsamen Vorkommnissen. Es geht ja schließlich um viel Geld.

Auf dem Trüffelmarkt / © Getty Images


Welche Vorkommnisse fallen Ihnen da ein?

Lassen Sie mich das so erklären: In Südfrankreich arbeiten in den Weinbaugebieten viele Erntehelfer, großteils sind das Leute aus dem ehemaligen Ostblock. Wo Wein ist, wachsen auch oft Trüffeln. Wenn die Weinernte vorbei ist, haben diese Arbeiter nichts mehr zu tun und werden nach Hause geschickt. 95 Prozent dieser Erntehelfer sind auch grundanständige Menschen. Fünf Prozent davon sind aber kriminelle Strolche, und die sind das eigentliche Problem. Die überfallen dann Trüffelhändler auf dem Weg zum Markt, rauben sie aus oder machen sonst irgendwelche krummen Dinger. Die kriminellen Machenschaften finden also auf einer unteren Ebene statt, auf der Ebene ganz oben, wo seriöse Broker auf den Märkten an ihre Kunden verkaufen, läuft das Geschäft ziemlich transparent ab.

Wie sieht es Ihrer Meinung nach im Piemont aus? Dort soll ja ein reger Etikettenschwindel betrieben werden. Alles, was dort als Alba-Trüffel verkauft wird, stammt doch sicher nicht aus dem Piemont.
Da haben Sie leider recht. Jedes Jahr gelangen im Piemont rund 20 Tonnen an Trüffeln auf den Markt. Der Anteil an echten Alba-Trüffeln ist aber gering. Der Großteil kommt aus anderen Gegenden Italiens, aber vor allem aus Istrien. Ich bin mir sicher, dass 90 Prozent der istrischen Trüffeln sofort nach Italien geschafft werden, davon gehen wieder 90 Prozent nach Alba.

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von Herbert Hacker

Illustration: Nikolaus Eberstaller
Foto: Dieter Brasch

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