Der König der Feinkost

Falstaff bat die Schinken-Experten Helmut Touzimsky und Peter Friese zur ­Blindverkostung von Beinschinken ins »Schwarze Kameel«.

Kompliment, begrüße Sie! Auf Wiedersehen, Maestro!« Wer Helmut Touzimsky auf den Wiener Graben begleitet, der braucht Zeit, denn die Meinl-Ikone ist hier ebenso bekannt wie der Bürgermeister, und jeder will standesgemäß gegrüßt werden. Es gibt nur wenige Berufene, die ein vergleichbares Wissen über die Qualität von Beinschinken vorweisen können wie der lang gediente Feinkostleiter vom »Meinl am Graben«. Einer der wenigen ist Peter Friese, der ­Inhaber des Gourmettempels »Schwarzes Kameel«: »Bereits seit drei Generationen ist Beinschinken unsere Spezialität, für die wir bis über die Grenzen des Landes hinaus bekannt sind. Sogar auf dem Luxuskreuzer »MS Europa« oder beim Edel-Catering von Gerd Käfer wird unser Schinken angeboten.« Langjähriger Lie­ferant ist der Wiener Fleischhauer Johann ­Gusel, der die Beinschinken exklusiv für das »Schwarze Kameel« zubereitet. »Denn auf die richtige Gewürzmischung kommt es an!«, weiß Friese. Herr Gusel muss übrigens oft liefern, denn der durchschnittliche Verbrauch an Beinschinken liegt bei zwölf Stück pro Tag.

Guter Schinken darf ruhig ein wenig durchzogen sein/Foto: Andreas JakwerthJede Keule wiegt in etwa zwölf Kilo, aber in der Feinkost werden davon nur etwa zwei Kilo händisch geschnitten und verkauft. Das Fleisch, das zu nahe am Knochen liegt, ist nicht mehr so hochwertig und wird anderweitig verwendet. »Ich kann ja nicht zulassen, dass der Gemahl mit einem Knochenteil nach Hause kommt, sonst ist ja der ganze Abend verhaut«, schildert Friese augenzwinkernd. Die Gäste des »Schwarzen Kameels« bestellen ihren Beinschinken am liebsten mit frisch gerissenem Kren und Brot.

»Beinschinken ist der König der Feinkost«, philosophiert Touzimsky. Die zentrale Präsen­tation und der liebevoll durchgeführte Handschnitt sind eine der letzten Traditionen der Wiener Feinkost. Ob gut gearbeitet wurde, erkennt man an den Rillen auf den Schnittflächen, die möglichst eng beieinanderliegen sollten. Touzimsky achtet auch auf die Farbe der Schwarte: Je dunkler diese ist, desto intensiver wurde geselcht. Für ihn sollte sie nicht zu dunkel sein, ein gesundes Rosa ist ihm am liebsten.

Falstaff bat die beiden Schinken-Grand-­Seigneurs zur Blindverkostung und ließ elf verschiedene Beinschinken servieren. Maschinell geschnittene Supermarktware und handgeschnittener Beinschinken wurden getrennt verkostet. Ein richtiger Beinschinken ist für beide Verkoster nur jener, der von der ganzen Keule geschnitten wird. Alles andere dürfe sich zwar ebenfalls Beinschinken nennen, sei aber gepresst und in Form gebracht. Sieger der letztgenannten Kategorie wurde der bei Interspar erstandene Pragaschinken »Sapore mio«. »Das ist jetzt schon Fleisch«, bemerkt Touzimsky, nachdem er sich durch eine Reihe künstlich zusammengesetzter Schinken gekostet hat. Ein Qualitätsmerkmal ist die Struktur der Schinkenblätter: Guter Schinken darf ruhig zart mit Fett durchzogen sein. Die Kategorie der traditionellen Beinschinken ­gewann der »Kameel«-Schinken, der von ­Touzimsky sogar die Höchstnote zehn erhielt.

So sieht der ­perfekte Anschnitt eines Beinschinkens aus/Foto: Andreas Jakwerth

Beinschinken

Maschinell geschnitten

6,5 Punkte
Pragaschinken »Sapore mio«
von der Interspar-Feinkost
16,50 Euro*
www.interspar.at

5,75 Punkte
Radatz Beinschinken
aus der Filiale Schottengasse
21 Euro*
www.radatz.at

5,75 Punkte
Gissinger Beinschinken
von Merkur-Feinkost
15,90 Euro*
www.merkurmarkt.at

5 Punkte
Ablinger Beinschinken
von der Merkur-Feinkost
16,90 Euro*
www.merkurmarkt.at


Traditionell Hand-geschnitten

9,75 Punkte
Beinschinken vom »Schwarzen Kameel«
39 Euro*
www.kameel.at

9,25 Punkte
Beinschinken gekocht vom »Meinl am Graben«
36,90 Euro*
www.meinlamgraben.at

8,5 Punkte
Beinschinken geräuchert vom »Meinl am Graben«
37,90 Euro*
www.meinlamgraben.at

7,75 Punkte
Beinschinken von Thum
33 Euro*
www.thum-schinken.at

* Preise per Kilo (Stand 31. 3. 2011)

Text von Bernhard Degen
Fotos von Andreas Jakwerth

Aus Falstaff Nr. 03/2022

Bernhard Degen
Autor