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Der große Bier-Test

In den letzten Jahren ist die Biervielfalt in Österreich richtig aufgeblüht. Die Großen haben ihr Repertoire erweitert, traditionelle Brauer ihre Nische verteidigt und das Angebot ausgeweitet.

Man sagt, dass viele Köche den Brei verderben würden. Dass das nicht bei vielen Brauern gilt, die gemeinsam einen Sud brauen, haben kürzlich die CulturBrauer bewiesen: Die acht Braumeister dieses lockeren Zusammenschlusses österreichischer Mittelstandsbrauereien haben gemeinsam ein Rezept für ein „Austrian Lager“ entwickelt, das sie dann auch gemeinsam gebraut und auf den Markt gebracht haben.
Nach langer Diskussion haben sie sich dabei auf das besonnen, was die österreichische Brauwirtschaft im 19. Jahrhundert groß gemacht hat: Wiener Lagerbier – rotbraun, unfiltriert und dennoch blank, malzaromatisch und ausgewogen gehopft. Dieser Bierstil hat vor mehr als 150 Jahren von Kleinschwechat aus einen Siegeszug um die Welt angetreten, zeitweise war das Vienna Lager in London wesentlich begehrter als das Pilsner Bier. Aber irgendwie ist dieses österreichische Bier draußen in der Welt viel erfolgreicher geworden als bei uns daheim. In Österreich galt der Stil als praktisch ausgestorben – auch wenn es in kleinen oberösterreichischen Brauereien noch bis in die 1970er-Jahre ähnliche Biere gegeben haben soll.
1994 aber hat der junge Brauer Christian Pöpperl (er ist längst vom väterlichen Betrieb in Weitra als Braumeister zu Stiegl gewechselt) mit dem Hadmar-Bier den Stil wiederbelebt. Andere sind gefolgt, jetzt gibt es Wiener Lager auch wieder aus Schwechat und natürlich auch aus Wien-Ottakring. 

Die Weltreise des Wiener Lagers

Die Geschichte vom Wiener Lager ist aber nur ein Beispiel dafür, wie dynamisch sich die österreichische Bierszene in den vergangenen Jahrzehnten entwickelt hat: Sprach man vor 30 Jahren noch vielfach vom „Brauereisterben“, so hat sich die Zahl der Braustätten seither verdreifacht, die Zahl unterschiedlicher Brauereiunternehmen und das Angebot an Bieren ist sogar noch stärker gestiegen.
Ein bisschen hat das auch damit zu tun, dass die Sorge um die Bierauswahl damals so groß war. Einen besonderen Einschnitt hat die Zusammenlegung der Großkonzerne Steirerbrau und Brau AG zur BrauUnion 1991 und deren Verkauf an Heineken 2003 bedeutet: Damals meinten viele, dass es in Österreich bald nur noch Einheits­bier, vielleicht gar nach niederländischem Einheitsrezept, geben würde. Doch es kam ganz anders: Die Mittelstandsbrauereien haben die Herausforderung angenommen und sich nicht nur im Marketing, sondern vor allem mit speziellen Produkten eigenständig positioniert.
Die BrauUnion war auch nicht faul: Sie hat eine eigene Braumanufaktur im Salzburger Kaltenhausen eingerichtet – einige Speziali­täten von dort sind ähnlich mutig gebraut wie die Biere aus der neuen Craftbier-Szene. Die hat natürlich ebenfalls ihre Spuren hinter­lassen.
Wie die Verkostungsnotizen zeigen: Es gibt neue, kleine Brauereien, die mit ihren Bieren durchaus internationale Standards erreichen. Johannes Grohs und Alexander Beinhauer zum Beispiel: Die beiden Wiener Hobby­brauer haben eine Biersommelierausbildung absolviert und dann ihr Hobby zum Beruf gemacht. Next Level also. Und so heißt auch ihr Brauunternehmen. Alexander hat sich mit einem Biotechnologiestudium die theoretischen Grundlagen für die Brauereipraxis geholt, Johannes hat sich um den geschäftlichen Bereich gekümmert. Und dabei unter anderem festgestellt, dass man in der neuen Brauszene nicht unbedingt eine eigene Brauerei braucht.

Klein, aber sehr leistungsfähig

Denn inzwischen hat die erste Generation der Craftbier-Brauer durchaus ansehnliche Brauanlagen eingerichtet, auf denen sie Gäste brauen lässt. Die Next-Level-Biere entstehen daher in Kötschach-Mauthen in der vor drei Jahren auf neuesten Stand gebrachten Brauerei Loncium, die ihrerseits nicht nur den lokalen Markt bedient, sondern auch in den Export geht.
Ähnlich ist das mit der Brauerei Gusswerk in Hof bei Salzburg. Hier hat sich ein welterfahrener Braumeister – seine Kenntnisse zum Brauen von Stoutbieren hat er sich in Irland angeeignet – mit einem kleinen, aber leistungsfähigen Braubetrieb niedergelassen: Die Biere von Reinhold Barta gewinnen regelmäßig Preise; dasselbe gilt für die Biere, die er in Zusammenarbeit mit anderen Brauern herstellt. Etwa denen von Brew Age, einem Wiener Start-up, das sich darauf verlegt hat, erst einmal spezielle Biere zu kreieren und im Markt (bei Interspar sind einige davon fix gelistet) zu etablieren, ehe man das Risiko eingeht, ein eigenes Brauhaus zu bauen.
Barta selbst hat den Geist der amerikanischen Craftbierszene verinnerlicht, die prinzipiell die ganze Welt als möglichen Markt für gute Biere sieht. Da ist etwas dran. Natürlich braucht man so etwas wie eine Bier-Nahversorgung: Ein frisches Bier aus der regionalen Brauerei gehört zur österreichischen Bierkultur. Die Offenheit für ein internationales Bier ebenso – und das ist ja auch keineswegs eine Einbahnstraße: Das neue alkoholfreie Bier von Heineken wurde ebenso in Österreich entwickelt wie die Rezeptur für den Amstel-Radler. Solche Erfolge sind aber nicht nur Großbrauereien vorbehalten: Einige von ­Bartas Gusswerk-Bieren werden inzwischen in Finnland und Schweden, ja sogar im National Brewery Centre im englischen Burton-upon-Trent als vorbildliche Kreationen feilgeboten.

Kein Einheitsbier: Die Mittelstandsbrauereien haben die Herausforderung angenommen und sich nicht nur im Marketing, sondern vor allem mit speziellen Produkten eigenständig positioniert.

Eine Nummer größer geht es die Brauerei Schloss Eggenberg an: Als die Züricher Hürlimann-Brauerei vor 20 Jahren für immer ihre Pforten schloss, erwarb die Familie Stöhr Rezept und Markenrecht für das Schweizer Samichlaus-Bier, das nun im oberösterreichischen Vorchdorf gebraut und weltweit vertrieben wird. Zunächst gab es nur das klas­sische Samichlaus, seit einigen Jahren wird aber auch eine helle und eine tiefschwarze Version gebraut. Zudem hat Karl Stöhr ein paar gebrauchte Barrique-Fässer gekauft, mit denen er holzfassgereifte Versionen des Samichlaus herstellen kann.
Mit der Samichlaus-Produktion wurde in Oberösterreich gerade rechtzeitig begonnen: Im Jahr 2000 erreichte die amerikanische Craftbierwelle viele internationale Märkte, und Samichlaus bildete einen österreichischen Beitrag, der die Welle weiter anschwellen ließ.
Gleichzeitig hat sich auch der heimische Markt weiterentwickelt: Zwar dominieren hier immer noch Lager- und Märzenbiere – aber die Lust am Probieren nimmt vor allem bei jüngeren Konsumenten zu. Und es hängt ja auch von Tageszeit und Gelegenheit ab, welche Bierstile man bevorzugt. Die Auswahl ist ja größer denn je.


Die Klassenbesten

Alltagsbiere

Schlanker Körper, zartbittere Note, feine Aromatik. Das Bier für den Alltagsgenuss gibt Kraft, macht Spaß, erfreut – aber überfordert nicht die Sinne.

Stark & Zugänglich

Bernstein für den Gaumen! Herzhafte Fruchtigkeit und leichte Holztöne zeichnen die Bierklasse aus, mit der sich Mönche einst durch die Fastenzeit schummelten.

Für Craft-Bier-Einsteiger

Wie aus einem bodenständigen Durstlöscher ein Edelgetränk wurde: Charakterstark abseits des Mainstreams, oft richtig exotisch – das macht das schicke »Handwerks-Bier« so sexy.

Nur für Kenner

Eine eigene Form von Dessert: Mit wenig Kohlensäure, süßen Noten und einer seelenvollen »Wärme« erfreuen diese Biere vor allem Experimentierfreudige und Experten.


Biersommelière Anna Horngacher über neue Trends beim Bier:

Anna Horngacher, Biersommelière und Verkaufsleiterin bei Kolarik & Leeb.
© Christoph Fuchs
Anna Horngacher, Biersommelière und Verkaufsleiterin bei Kolarik & Leeb.

FALSTAFF Craftbiere haben die Bierszene ziemlich aufgemischt. Was kommt jetzt?
Anna Horngacher In Österreich sind wir mit den Craftbieren noch lange nicht am Ende. Sauerbiere zum Beispiel sind jetzt mehr und mehr gefragt. Das sind mit Milchsäure vergorene Biere mit einer wunderbaren sauren Note. 
Hat sich der Craftbiertrend in Österreich eigentlich wirklich durchgesetzt?
Ja und nein. Das Wort Craftbier hat sicher schon jeder mal gehört, insofern ist dieses Thema durch. Andererseits haben Craftbiere in den USA, aber auch in Deutschland doch noch immer einen viel höheren Stellenwert. Auch bei den belgischen Bieren gibt es noch viel Potenzial. Wir sind eben mit einer anderen Bierkultur aufgewachsen als etwa die Belgier.

Erschienen in
Falstaff Nr. 07/2017

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Conrad Seidl
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