Der Berg ruft

Einen Besuch bei einem Käser zu machen kann einem etwas Körpereinsatz abverlangen – vor allem, wenn man guten Berg- oder Alpkäse sucht. Doch es lohnt sich, den Ursprung ­dieser Käse zu »erwandern«.

Viele Käseliebhaber neigen dazu, die Begriffe Berg- und Alpkäse gleichbedeutend zu verwenden. Genau genommen handelt es sich jedoch um zwei verschiedene Käsevarianten, deren Herstellungsort den Unterschied ausmacht: Alp- oder Almkäse wird nur aus der Milch der Kühe gewonnen, die im Sommer die Alpe beweiden, er wird daher immer nur in kleinen Mengen produziert. Bergkäse hingegen ist laut Definition ein Hartkäsetypus und kann das ganze Jahr über von Sennereien erzeugt werden. Die Milch dafür muss nicht aus einer  bestimmten Höhenlage stammen.

Es liegt in der Natur der Sache, dass Berg- und Alpkäse eher im Westen Österreichs zu Hause sind. Aufgrund der Höhenlage ist es nur zwischen Juni, mitunter auch schon Ende Mai, und September möglich, auf einer Alpe zu käsen. Der ­Käser verarbeitet die frische Milch (Morgen- oder Abendmilch) direkt vor Ort. Sie hat einen intensiven Geschmack, der sich aufgrund des wechselnden Futterangebots aus einer Vielzahl an Kräutern und Gräsern im Laufe der Sommermonate um Nuancen verändert.

Die Produktion von Alpkäse erfolgt in kleinen Käsereien ganz traditionell
Die Abendmilch wird in sogenannten Holzgebsen, kleinen Holzgefä­ßen, bis zum nächsten Morgen aufbewahrt, dann schöpft der Senner den Rahm ab, um den Fettgehalt festzulegen. Das Besondere daran: Die Holzgebsen müssen nicht kühl gestellt werden. Der Käser braucht auch für die Käsebereitung keine Starterkulturen, da sich entsprechende Bakterienstämme in den Gebsen angesiedelt haben. Für die Weiterverarbeitung wird der Abendmilch frische Morgenvollmilch beigefügt. Das zur Käsewerdung benötigte Lab stammt von Kälbermägen, die einige Käser noch von ihren eigenen Tieren gewinnen. Der Alpkäse ist somit ein Produkt, das aus seiner unmittelbarsten Umgebung gewonnen wird. Um den Käsebruch händisch aus der Molke zu heben, arbeiten viele Produzenten noch mit ­traditionellen Käsetüchern.

Der gesamte Ablauf verdeutlicht die nachhaltige und authentische Arbeitsweise, die einem Alp­käse zugrunde liegt. Auch Jakob Lingg stellt auf diese Art Käse her. Während des Sommers ist er mit seinen Tieren auf der Jägeralpe in Schoppernau im Bregenzerwald auf 2000 Meter Höhe und käst feinsten Alpkäse. »Dieser Käse weist leicht süßliche Geschmacksnuancen auf, bleibt auch während der Reifezeit cremig und mild und erinnert an den international bekannten Comté. Deshalb ist er bei den Franzosen sehr beliebt«, ­erzählt Stephan Gruber, gebürtiger Vorarlberger und Fachmann für Alp- und Bergkäsespezialitäten. Die durchschnittliche Reifezeit eines Alpkäses beträgt acht bis neun Monate. Um seine Vollmundigkeit entfalten zu können, sollte er erst dann in den Verkauf kommen. »Ein Besuch auf der Jägeralpe ist ein traumhaftes Naturerlebnis«, empfiehlt Gruber, »eine gemütliche Käsejause vor herrlicher Bergkulisse ist etwas ganz Besonderes.«

Bergkäse – anders oder doch ähnlich?

Kühe, deren Milch zu Bergkäse verarbeitet wird, fressen im Sommer frisches Gras, im Winter Heu. Der Verzicht auf Gärfutter und die ausschließliche Verwendung von Rohmilch setzen dabei produktionstechnische und vor allem geschmackliche Maßstäbe, die den Bergkäse zu einem ebenso genussvollem Lebensmittel machen wie den Alpkäse. Aus tagesfrischer Heumilch wird der Bio-Bergkäse vom Käsehof in ­Schleedorf im Salzburger Flachgau gewonnen. Hier im Alpenvorland hat die Milchwirtschaft ­bereits lange Tradition. Vor allem in Lagen, in ­denen Getreidewirtschaft nur schwer bis kaum möglich ist, geht die Erzeugung von Milch- und Käsespezialitäten bis ins Mittel­alter zurück. »Die Spezialisierung auf Heuwirtschaft gibt dem Käse sein enormes Geschmacks­profil und ermöglicht es zugleich, die Umwelt nachhaltig zu bewirtschaften«, so ­Petra Maisinger-Knoll vom Käsehof. »Diese Kriterien sind für uns maßgeblich, denn im Seengebiet von Salzburg und Oberös­terreich trägt dies viel zur Erhaltung des Landschaftsbilds und der Artenvielfalt bei.« Das würzige Aroma des Bio-Bergkäses macht ihn als Jausenkäse sehr beliebt. Wohldosiert eingesetzt, kann er auch überbackenen Speisen einen aromati­schen Pep verleihen.

Für alle, die mehr wissen möchten, ist ein ­Besuch in der Käsewelt samt Schaukäserei in Schleedorf empfehlenswert. Bei fachkundigen Führ­un­gen und Degustationen erfährt man alles über die Produktion des Bergkäses.

Der »ALMA Alp-Blog«
Um auf die Bedeutung der Alpwirtschaft hin­zuweisen, lanciert die Vorarlberger Käsemarke Alma eine spannende Aktion. Unter dem Titel »Der coolste Sommerjob des Jahres« werden ausgesuchte Bewerber jeweils eine Woche auf einer Bregenzerwälder Sennalp verbringen und von dort aus via »Alp-Blog« von ihren Erlebnissen berichten. 1.000 Euro gibt es als Dankeschön, ab 5. Juli ist der Blog auf www.alma.at abrufbar.


von Herbert Gundacker, AMA-Käsesommelier des Jahres 2010

aus Falstaff 05/2010